
Gesundheits-Apps: Zukunft der Therapie?
Bericht:
Hanna Gabriel, BA MSc
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Digitale Gesundheitsanwendungen rücken zunehmend in den Fokus. Die digitale Transformation bietet Chancen und Herausforderungen.
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist vieles, aber kein Selbstläufer. Auch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) – oder salopp die „App auf Rezept“ – müssen klare Rahmenbedingungen erfüllen. Ihre Etablierung wurde 2023 im „Digital Austria Act“ festgelegt, mit dem Ziel, qualitätsgesicherte DiGAs in Kooperation mit der Sozialversicherung zu verordnen und so die telemedizinische Versorgung zu ergänzen.1 Diese Pläne wurden im Sommer 2024 in der eHealth-Strategie 2024–2030 bestätigt.2 Das Rollout der ersten DiGAs ist für 2026 geplant.3 Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis DiGAs auf Rezept verschrieben werden. Doch was erhofft man sich davon?
Digitale Transformation
Digitale Gesundheitsangebote sind eine der größten Veränderungen seit der Einführung von Medikamenten, meint Assoz.Prof. Lukas Pezawas, leitender Oberarzt an der Spezialambulanz für therapieresistente Depressionen der MedUni Wien. „DiGAs sind eine Innovation und bieten ein breites Anwendungsspektrum, sie müssen aber klinisch geprüft werden“, betont er.
Besonders im Bereich Mental Health können innovative Computertechnologien große Chancen für Patient:innen sowie Ärzt:innen bringen: Virtual-Reality-Therapien, Chatbots, Data Science, Robotik, künstliche Intelligenz und die erwähnten DiGAs. Letztere können zur Psychoedukation eingesetzt werden, um die emotionale Verfassung zu dokumentieren, soziale Netzwerke aufzubauen und das Management von Patient:innen zu erleichtern.4 Viele werden bei Angststörungen oder unipolarer Depression eingesetzt. Der Erfolg dieser Anwendungen ist jedoch nicht selbstverständlich, die Evidenzlage ist schwach.
Strenge Forschung gefordert
Eine retrospektive Querschnittsanalyse von Kumar et al. untersuchte 20 verschreibungspflichtige digitale Therapeutika, die in den USA von der FDA zugelassen wurden und ab November 2022 auf dem Markt waren.5 Das Ergebnis: Nur zwei Anwendungen liefen durch randomisierte und verblindete Studien. Ein Großteil der Studien wurde erst im Anschluss an eine Markteinführung durchgeführt. Kumar et al. betonen daher, dass strengere und umfassendere klinische Forschung nötig ist, um eine solide Evidenzbasis zu schaffen und das Vertrauen in diese Technologien zu stärken.
Auch praktische Herausforderungen erschweren die Implementierung. Ein Problem ist laut Pezawas die mangelnde Adhärenz: Im Durchschnitt nutzen Menschen eine Gesundheits-App nur 5,5 Tage, nach zwei Wochen öffnen nur 4% die App wieder.6 Hinzu kommen Fragen der Interoperabilität, des Datenschutzes und der Haftung. Schließlich bedarf es einer klaren Abgrenzung zwischen medizinischen Gesundheits-Apps und Wellness-Apps, für die keine fundierten Studien vorliegen müssen.
Chancen nutzen, Risiken minimieren
Aktuell steht einer kleinen Zahl medizinischer Apps eine große Zahl von Wellness-Apps gegenüber, die beispielsweise für Meditation, Entspannung oder Ernährung genutzt werden. Diese würden fälschlicherweise als risikolos wahrgenommen, warnt Pezawas. So fand eine US-amerikanische Studie mit rund 18900 Erwachsenen mit Suizidgedanken ein signifikant erhöhtes Risiko für Selbstverletzungen, wenn die Personen per Online-Nachricht mit Aspekten der dialektischen Verhaltenstherapie konfrontiert wurden.7,8 Die National Eating Disorders Association musste sogar ihren Chatbot „Tessa“ zurückziehen, weil die Anwendung empfahl, Kalorien zu zählen und ihr Körperfett bestimmen zu lassen, was für den Gesundheitszustand von Patient:innen mit Ernährungsstörungen nachteilig war.
Lohnt es sich, trotz dieser Herausfor-derungen auf DiGAs zu setzen? Ja – unter strenger Regulierung, meint Pezawas. Nachweislich wirksame Anwendungen bieten entscheidende Vorteile: Sie können zur Entstigmatisierung beitragen, sind schnell verfügbar und kostengünstig. Ihr Einsatz ist dann sinnvoll und zukunftsweisend, wenn sie die hohen Anforderungen an ein Medizinprodukt erfüllen und in randomisierten klinischen Studien geprüft wurden. Eine solche regulatorische Strategie könnte sich an erfolgreichen Beispielen aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Belgien orientieren, wo bereits positive praktische Erfahrungen vorliegen. Entscheidend für den nachhaltigen Einsatz digitaler Gesundheitsangebote ist ihre Einbettung in ein leitliniengerechtes Therapiekonzept – analog zu einem Arzneimittel.
Literatur:
1 Digital Austria Act: https://www.digitalaustria.gv.at/Strategien/Digital-Austria-Act---das-digitale-Arbeitsprogramm-der-Bundesregierung.html (zuletzt aufgerufen im Jänner 2025) 2 BMSGPK (2024): eHealth-Strategie Österreich. v1.0 im Juni 2024. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, 1-68, Wien 3 eHealth Roadmap DiGA App auf Rezept: https://ehealth-roadmap.at/projekte/diga (zuletzt aufgerufen am 12.03.2025) 4 Bond RR et al.: Digital transformation of mental health services. Npj Ment Health Res 2023; 2: 13 5 Kumar A et al.: Studies of prescription digital therapeutics often lack rigor and inclusivity. Health Aff (Millwood) 2023; 42: 1559-67 6 Huckvale K et al.: Smartphone apps for the treatment of mental health conditions: status and considerations. Curr Opin Psychol 2020; 36: 65-70 7 Simon GE et al.: Effect of offering care management or online dialectical behavior therapy skills training vs usual care on self-harm among adult outpatients with suicidal ideation: a randomized clinical trial. JAMA 2022; 327: 630-8 8 Torous J et al.: Digital mental health‘s unstable dichotomy-wellness and health. JAMA Psychiatry 2024; 81: 539-40
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