
Aktuelle Entwicklungen in der Schizophrenieforschung
Klinik für Psychiatrie,<br>Psychotherapie und Pychosomatik<br>Psychiatrische Universitätsklinik Zürich<br>E-Mail: erich.seifritz@bli.uzh.ch
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Die Diagnostik der Schizophrenie hat mit der DSM-5 ein wichtiges Update erfahren. Auch in der Optimierung der Therapie konnten mit nebenwirkungsarmen medikamentösen Optionen und Depotformeln wichtige Schritte gesetzt werden. Ergebnisse aus der Schizophrenieforschung stimmen positiv, dass auch in den nächsten Jahren die stetige Verbesserung in der Versorgung von Schizophreniepatienten weiter voranschreiten wird.
Diagnostik
In der Diagnostik sind vor allem die Neuerungen durch das DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) hervorzuheben: Die seit Emil Kraepelin geforderten Untergruppen der Schizophrenie (paranoid, kataton, hebephren) wurden im DSM-5 nämlich aufgegeben – nicht zuletzt wegen ihrer fehlenden zeitlichen Stabilität und mangelnden prognostischen Aussagekraft. Nachdem es immer noch keine eindeutigen biologischen Marker zur Diagnose der Schizophrenie gibt, spielt die Psychopathologie weiterhin eine wesentliche Rolle in der Diagnostik.
In der psychopathologischen Forschung sind dabei die neuen Möglichkeiten durch die Fusion grosser Datensätze (Big Data) hervorzuheben. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das HiTOP-Konsortium (Hierarchical Taxonomy of Psychopathology), das einen anspruchsvollen statistischen Ansatz zur Verbesserung der Gliederung, Beschreibung und Messung psychopathologischer Merkmale verfolgt.1 Demgemäss könnte die Schizophrenie psychopathologisch als Spektrumerkrankung mit zwei Unterdomänen verstanden werden, nämlich Psychotizismus («psychoticism») und Absonderung («detachment»). Diese Einteilung erinnert zwar entfernt an die Einteilung in Positiv- und Negativsymptome, reicht über diese jedoch durch die Definition als Spektren weit hinaus und eröffnet vor allem in Hinblick auf Verlauf, Genetik und funktionelle Beeinträchtigung neue Zugänge.
Eine weitere spannende Entwicklung betrifft die Beobachtung und Messung des Verhaltens in Echtzeit mittels mobiler Technologien wie Smartphones. Hieraus ergeben sich nicht nur neue Möglichkeiten in der vollständigeren Beschreibung der Erkrankung im natürlichen Umfeld der Patienten («digital phenotyping»), sondern auch für die Auswertung neuer Biomarker für die Prognose der Erkrankung.2 Hier ist besonders die Sprache zu nennen: Deren automatisierte Analyse mittels «natural language processing» könnte bereits auf minimale und für das geschulte klinische Ohr noch nicht wahrnehmbare Anzeichen von formalen Denkstörungen reagieren und damit in der Früherkennung und Rückfallprophylaxe eine wesentliche Rolle spielen.
Therapie
In der Therapie schizophrener Erkrankungen gibt es nun gute Evidenz nicht nur für den frühen Einsatz von Clozapin,3, 4 sondern auch für den frühen Einsatz von Depotantipsychotika.5 Bekanntlich sind in der Behandlung der schizophrenen Psychosen die ersten Monate nach korrekter Diagnosestellung und Erstbehandlung von grösster Bedeutung.
Nicht zuletzt durch die Einführung von Antipsychotika ohne extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen wie Clozapin konnte die Möglichkeit der positiven Verlaufsbeeinflussung untersucht werden. Gelingt es, eine Therapie mit Antipsychotika mit hoher Adhärenz durchzuführen, so sind Rückfälle deutlich seltener und die Möglichkeit einer psychosozialen Reintegration verbessert.
Deshalb erscheint – auch gemäss neuen klinischen Studien – die Gabe eines modernen Depotantipsychotikums einer Standardbehandlung nach Erstmanifestationen überlegen. Die frühe Gabe eines Depotantipsychotikums ist also möglich und kann zu einer hohen Stabilität im Rehabilitationsprozess nach Erstmanifestation führen. Es sollten daher, häufiger als bislang in der klinischen Praxis üblich, frühe Einstellungen auf Depotpräparate in Erwägung gezogen werden, um das ganze Potenzial moderner Antipsychotika auszunützen.
Ausblick
Grosse Hoffnungen sind weiterhin mit dem Begriff der personalisierten Medizin verbunden. Sie beruht auf der Annahme, dass sich die klinische und neurobiologische Heterogenität schizophrener Erkrankungen in einer ebenso grossen Heterogenität des Therapieansprechens abbildet,6 und die Therapie gemäss dieser Heterogenität personalisiert werden sollte. Gute Hinweise für eine solche Heterogenität gibt es zumindest für die Gruppe der therapieresistenten Psychosen, die derzeit zwar rein klinisch definiert wird (nach erfolgloser Therapie mit zwei verschiedenen Antipsychotika), sich jedoch auch neurobiologisch von den gut behandelbaren Psychosen unterscheiden dürfte: Die Schizophrenie-typische dopaminerge Dysregulation im Striatum scheint bei dieser Art von Psychose weniger stark ausgeprägt zu sein.7 Die Dysregulation des Striatums könnte also ein geeigneter Biomarker sein für die Früherkennung therapieresistenter Schizophrenien und den entsprechend frühen Einsatz von Clozapin.4
Literatur:
1 Kotov R et al.: A paradigm shift in psychiatric classifica- tion: the Hierarchical Taxonomy Of Psychopathology (HiTOP). World Psychiatry 2018; 17(1): 24-25 2 Bedi G et al.: Automated analysis of free speech predicts psychosis onset in high-risk youths. Schizophrenia 2015; 1(1) 3 Kahn R et al.: Amisulpride and olanzapine followed by open-label treatment with clozapine in first-episode schizophrenia and schizophreniform disorder (optimise): a three-phase switching study. The Lancet Psychiatry 2018; 5(10): 797-80 4 Homan P and Kane J: Clozapine as an early-stage treatment. Acta Psychiatrica Scandinavica 2018; 138: 279-280 5 Kane JM et al.: Effect of long-acting injectable antipsychotics vs usual care on time to first hospitalization in early-phase schizophrenia. JAMA Psychiatry 2020 6 Winkelbeiner S et al.: Evaluation of differences in invidual treatment response in schizophrenia spectrum disorders. JAMA Psychiatry 2019; doi: 10.1001/jamapsychiatry.2019.1530 7 Li A et al.: A neuroimaging biomarker for striatal dysfunction in schizophrenia. Nature Medicine 2020
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