<p class="article-intro">Rekonstruktive Eingriffe an der weiblichen Brust nach Mastektomie stellen heute einen fixen Bestandteil des operativen Spektrums an zertifizierten Brustgesundheitszentren dar. Immer öfter erfolgt die Wiederherstellung der Mamma schon zum Zeitpunkt der Mastektomie als Sofortrekonstruktion. Hinsichtlich der Methodik besteht ein breites Spektrum: von der Verwendung eines Implantates bis zum Wiederaufbau mit mikrochirurgisch verpflanztem Eigengewebe. Die einzelnen Verfahren sollten jedoch nicht als konkurrierend gesehen werden, sondern es sollte anhand klarer Empfehlungen und Erfahrungswerte für jede betroffene Patientin die individuell beste Lösung gefunden werden.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Rekonstruktion der weiblichen Brust nach deren Entfernung, zumeist aufgrund eines Tumors, ist heute in vielen Ländern ein etabliertes, medizinisch indiziertes und daher von der Krankenkasse bezahltes chirurgisches Verfahren.<br /> Nach wie vor werden weltweit die meisten Brustrekonstruktionen mit Implantaten durchgeführt, eine Methode, die fast 60 Jahre nach ihrer Erstbeschreibung frische Impulse erhalten hat, weil immer öfter Sofortrekonstruktionen durchgeführt werden, bei denen unmittelbar ein Implantat eingesetzt wird („direct to implant“ – DTI), unter Verwendung von Neuentwicklungen wie azellulärer dermaler Matrix (ADM) und langsam resorbierbarer Netze. <br /> Konkurrierende oder ergänzende Techniken wie der Brustaufbau mit autologem Gewebe haben sich parallel dazu wesentlich weiterentwickelt. Während die Anwendung des Latissimus-dorsi-Lappens, die in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts begonnen hat, berechtigterweise auch heute noch ihre Befürworter findet, werden seit fünfundzwanzig Jahren immer neue mikrochirurgische Lappen entwickelt, die für jede betroffene Patientin theoretisch auch die Möglichkeit einer autologen Rekonstruktion gewährleisten. Umso wichtiger ist es daher, klare Empfehlungen hinsichtlich der Indikation zu den einzelnen Verfahren auszusprechen. Die Österreichische Gesellschaft für Senologie veröffentlicht solche Empfehlungen im Konsens aller beteiligten Fachdisziplinen seit 2014 auf ihrer Website (<a href="http://www.senologie.at/Empfehlungen">www.senologie.at/Empfehlungen</a>).</p> <h2>Zeitpunkt der Wiederherstellung</h2> <p>Grundsätzlich kann die Mammarekonstruktion entweder als Sofortrekonstruktion – synchron mit der Mastektomie – durchgeführt werden, oder sekundär, wenn die Narbe bereits längere Zeit besteht. Das erklärt auch die in der Regel besseren kosmetischen Ergebnisse der Sofortrekonstruktion, da man einen Großteil der autochthonen Brusthaut zur Formgebung erhalten kann und nicht das Narbengewebe aufdehnen muss (Abb. 1–3).<br /> Mit Ausnahme des inflammatorischen Karzinoms gibt es heute keine wesentliche Kontraindikation zur Sofortrekonstruktion, sodass diese Vorgangsweise jeder Frau, die sich einer Mastektomie unterziehen muss, angeboten werden sollte, zumal es mittlerweile eindeutig erwiesen ist, dass die Sofortrekonstruktion keinen negativen Einfluss auf den Verlauf der Tumorerkrankung hat. Zurückhaltung ist lediglich geboten, wenn bei ungünstiger Tumorbiologie ein frühzeitiges Lokalrezidiv auftritt, das eine Mastektomie erforderlich macht. <br /> Ein positiver psychologischer Effekt der Sofortrekonstruktion im Sinne einer verbesserten Lebensqualität ist zwar wissenschaftlich umstritten, jedenfalls geben die meisten Frauen nach Sekundärrekonstruktion an, dass sie eine Sofortrekonstruktion bevorzugt hätten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s70_1.jpg" alt="" width="2149" height="663" /></p> <h2>Chirurgische Verfahren</h2> <h2>Brustwiederherstellung mit Implantaten</h2> <p>Im Fall der Sekundärrekonstruktion sieht man sich als Chirurg zumeist mit einem Hautdefizit konfrontiert, sodass ein zweizeitiges Verfahren erforderlich ist. Im ersten Schritt ist die Aufdehnung der Haut mit einem Gewebeexpander notwendig, dann erfolgt der Wechsel auf eine definitive Prothese. Der sogenannte Becker-Expander ermöglicht auch in dieser Situation ein einzeitiges Vorgehen, da die Expanderprothese nach Aufdehnung permanent belassen werden kann. Gemäß unseren eigenen Erfahrungen aus annähernd 250 Fällen trifft dies in etwa der Hälfte der Fälle auch zu, bei der anderen Hälfte der Rekonstruktionen wurde der Becker-Expander gegen ein permanentes Implantat getauscht, wobei die häufigsten Gründe dafür andere Form-, Positionierungs- und Größenwünsche der Patientin waren. <br /> Bei geplanter Sofortrekonstruktion kann wie erwähnt der ursprüngliche Hautmantel im Rahmen einer „nipple sparing“ Mastektomie erhalten bleiben, sodass in einem einzeitigen Verfahren eventuell die Expansion umgangen werden kann, wobei unmittelbar nach der Mastektomie eine Silikonprothese von passender Größe implantiert wird. In den letzten Jahren wird für diese Situation immer häufiger die Verwendung einer sogenannten azellulären dermalen Kollagenmatrix (ADM) oder langsam resorbierbarer Netze zur Stabilisierung des unteren Brustpoles beschrieben; endgültige Evidenz über die Vorteile dieser Technik ist allerdings noch ausständig. In jedem Fall wird dieses Verfahren bei den immer häufiger werdenden prophylaktischen Eingriffen an Frauen mit familiärem Brust- und Eierstockkrebsrisiko oft angewendet (Abb. 1). Diese „nipple sparing“ oder „skin sparing“ Mastektomien stellen extrem hohe Anforderungen an eine atraumatische Operationstechnik, da der Hautmantel leicht in einen kritischen Durchblutungszustand gerät. <br /> Patientinnen, die eine Prothesenrekonstruktion bevorzugen, begründen dies in der Regel damit, dass sie keine zusätzlichen Narben wollen. Neben diesem vordergründig optischen Aspekt ist unbestritten, dass der fehlende Hebedefekt der größte Vorteil der Anwendung von nicht körpereigenem Material in der Brustrekonstruktion ist. <br /> Die zuvor erwähnten häufigen Komplikationen wie Nachblutung, Infektion, Kapselbildung und Dislokation sind bekannt und sowohl vonseiten der Prothesenhersteller als auch von rekonstruktiven Chirurgen wurden Verfahren entwickelt, um die Komplikationsrate zu minimieren. Die mit hochkohäsivem Silikon gefüllten Prothesen mit texturierter oder polyurethanüberzogener Oberfläche in runder oder tropfenförmiger Ausfertigung haben mit den Modellen, die vor 50 Jahren entwickelt wurden, nur mehr wenige Gemeinsamkeiten. Im Falle eines Defektes der Prothesenhülle behält das hochkohäsive Silikon in der Regel seine Form, ein Fädenziehen oder Auslaufen ist sehr unwahrscheinlich. Ohne Zweifel dauert die Wiederherstellungsoperation mit Prothesenimplantation weniger lang und bindet damit weniger Ressourcen, wenngleich dieser vordergründige wirtschaftliche Vorteil durch möglicherweise notwendige Revisionseingriffe relativiert wird.<br /> Sollte die Mastektomie nicht zu einer R0-Resektion des Tumors geführt haben, was besonders bei Karzinomen in situ vorkommt, bietet die Sofortrekonstruktion mit Prothesen den Vorteil einer erleichterten Nachresektion, da die ursprüngliche Anatomie im Wesentlichen nicht verändert wird und somit die entsprechende Orientierung für den Chirurgen gegeben ist. <br /> Gegen das Implantatverfahren sprechen die erwiesenermaßen höhere Komplikations- und die damit verbundene Reoperationsrate, bedingt durch Implantatkomplikationen wie Kapselfibrose oder Perforation, Fehlposition, mangelnde Symmetrie und dauerhafte Schmerzen (Abb. 6). Eine Wundheilungsstörung bei darunter liegendem Implantat zieht sehr häufig einen Fehlschlag der gesamten Rekonstruktion nach sich, was die Indikation bei schlechten Weichteilverhältnissen und Frauen mit ausgeprägtem Nikotinkonsum einschränkt.</p> <h2>Eigengewebe</h2> <p>Autologe Verfahren führen in wechselnder Ausprägung zu Defekten am Ort der Lappenhebung. So ist bei Verwendung eines Unterbauchlappens oft eine – wenn auch im täglichen Leben kaum merkbare – Schwächung der Bauchwand zu verzeichnen. Die Entnahme eines Latissimuslappens verursacht zumindest eine Dellenbildung am Rücken, in kontrollierten Nachuntersuchungen konnte allerdings eine Schwächung der Rückenmuskulatur regelhaft nicht nachgewiesen werden. Für viele betroffene Frauen bedeutet die mehr oder weniger sichtbare zusätzliche Hautnarbe ein Argument gegen ein Verfahren mit Eigengewebe. <br /> Die Vorteile des Mammarekonstruktion mit Lappenplastiken lassen sich mit dem heute so oft gebrauchten Begriff der höheren Nachhaltigkeit charakterisieren, da der Erfolg der Operation in der Regel lebenslang bestehen bleibt, die so rekonstruierte Brust Gewichtsschwankungen mitmacht, Haptik und Symmetrie besser sind und sich Regionen wie der Processus axillaris und auch das Dekolleté meist besser wiederherstellen lassen (Abb. 2, 3). Im Falle einer Wundheilungsstörung, die besonders nach hautsparender oder „nipple sparing“ Mastektomie nicht selten vorkommt, kann man in der Regel die p.s. (sanatio per secundam intentionem)- Heilung abwarten, ohne einen Verlust der Rekonstruktion fürchten zu müssen.</p> <h2>Differenzialindikation</h2> <p>Empfehlungen für die unterschiedlichen Verfahren sind in Tabelle 1 angeführt, wobei diese nicht als absolut zu sehen, sondern stets individuell anzupassen sind. Beispielsweise sind beidseitige Rekonstruktionen mit Unterbauchlappen gängige Anwendungsgebiete für Eigengeweberekonstruktionen. Umgekehrt lassen sich in Einzelfällen auch im vorbestrahlten Gewebe mit Expandern, allerdings unter Einbeziehung einer Eigenfettinjektion, gute Resultate erzielen (Abb. 4). Vorsicht ist allerdings geboten, wenn es sich um eine sekundäre Ablatio bei Rezidiv nach bereits erfolgter Bestrahlung handelt (Abb. 5).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s70_2.jpg" alt="" width="2150" height="672" /><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s70_3.jpg" alt="" width="2150" height="1010" /></p> <h2>Vorgangsweise bei Bestrahlung</h2> <p>Auch nach Mastektomie wird im Tumorboard immer öfter eine adjuvante Radiatio empfohlen. Dies stellt zumindest eine relative Kontraindikation für eine Rekonstruktion mit Expandern oder Prothesen dar, da es dabei in bis zu 60 % zu Prothesenextrusionen und Kapselbildungen kommt (Abb. 5). Die neue Generation der polyurethanbeschichteten Implantate hat in den bisher durchgeführten monozentrischen Untersuchungen deutlich bessere Resultate aufzuweisen. Aufgrund der derzeitigen Datenlage sind die Fragen, welches Verfahren zu wählen ist, wenn eine Nachbestrahlung wahrscheinlich ist, oder ob man prinzipiell sekundär rekonstruieren sollte, noch nicht eindeutig zu beantworten. In einer einzigen prospektiven Studie zu diesem Thema zeigte sich allerdings, dass die Rekonstruktion mit Eigengewebe bei anschließender Bestrahlung zu weniger Komplikationen führt.</p> <p> </p> <h2>Eigene Ergebnisse</h2> <p>Die an unserer Abteilung mit einer Brustrekonstruktion behandelten Frauen wurden einer eingehenden Analyse unterzogen. Dabei zeigte sich anhand von über 650 Fällen und 770 Rekonstruktionsprozeduren, dass die Patientinnen mit Implantatrekonstruktionen signifikant häufiger operiert wurden und bei ihnen eine höhere Rate an Fehlschlägen zu verzeichnen war (Abb. 6, 7). Für die Situation einer adjuvanten Nachbestrahlung hat sich bei uns der in Abbildung 8 dargestellte Algorithmus bewährt. Das vordergründig aufwendigere Eigengewebeverfahren erweist sich somit wie oben erwähnt als das nachhaltigere und komplikationsärmere, die Mikrochirurgie als Risikofaktor ist bei entsprechender Ausbildung und Erfahrung zu vernachlässigen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s70_4.jpg" alt="" width="2149" height="663" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1703_Weblinks_s70_5.jpg" alt="" width="1417" height="955" /></p></p>