
Aktuelle Versorgungssituation von trans Männern
Autor:innen:
Ass. Prof. OA Dr. Dirk Hellekes, MA1, 3
Dr. Julia Mördinger1
Prim. Univ.-Doz. Dr. Rupert Koller1,2
1 Abteilung für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie
Klinik Landstraße, Wien
2 Abteilung für
Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie
Klinik Ottakring, Wien
3 Fakultät für Medizin
Sigmund Freud PrivatUniversität Wien
E-Mail: dirk.hellekes@med.sfu.ac.at
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Die Versorgung von trans Personen ist in Österreich auf wenige Kliniken und Fachabteilungen beschränkt. Noch immer bestehen Ressentiments und die Patientengruppe wird in Gesundheitseinrichtungen als „schwierig“ eingestuft. Unsere Studie soll hier ergänzende Informationen liefern.
Keypoints
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Es gibt wenig aussagekräftige Literatur.
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Das Thema „Transgender“ wird in unserer Gesellschaft und im Gesundheitswesen kontrovers diskutiert.
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Es gibt eine Diskrepanz zwischen ärztlicher und patientenspezifischer Einschätzung bei der Aufklärung zur OP.
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Die Tragweite der geschlechtsangleichenden Operation wird tw. unterschätzt.
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Limitation der Studie: unterschiedliche Ansicht von „Diskriminierung“. Es wurden keine Beispiele erfragt.
Historie
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg berichtet man in der deutschsprachigen medizinischen Fachpresse über Selbstverstümmelungen, die Hinweise auf das Herkunftsgeschlecht geschlechtsinkongruenter Menschen tilgen sollten – etwa durch Amputationen der Hoden. Wurde dies anfangs noch als rein psychiatrisches Problem aufgefasst, entwickelten sich rasch frühe Zentren der Transgender-Chirurgie. Die erste vollständige Mann-zu-Frau-Geschlechtsumwandlung dokumentierte in den Jahren 1920/21 der Berliner Chirurg Richard Mühsam, bestehend aus Kastration, Vernähen des Penis im Damm, Ausformung einer Neovagina und schlussendlich Implantation von Eierstöcken. In den folgenden Jahren führten Chirurgen des Instituts für Sexualwissenschaft in Berlin und der Dresdner Frauenklinik wiederholt vollständige oder teilweise Geschlechtsumwandlungen durch. Erst mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 kam die Transgender-Chirurgie abrupt wieder zum Erliegen und nahm erst ab den 1950er-Jahren vor allem in den USA langsam wieder Fahrt auf.
Obwohl diese Anfänge bereits mehr als einhundert Jahre zurückliegen, ist die Datenlage zu trans Personen im Allgemeinen und zur Transgendermedizin im Speziellen nach wie vor unzureichend, was die chirurgische Praxis erschwert. Selbst international betrachtet, gibt es nur wenige publizierte Studien. Noch nicht einmal belastbare Zahlen, wie viele Menschen mit Geschlechtsinkongruenz in Österreich leben, sind bekannt. Um mehr über unsere Patienten zu erfahren, führte daher ein Studienteam der Abteilung für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie an der Klinik Landstraße in Wien eine Fragebogenstudie mit 56 trans Männern durch, die sich an der Klinik einer Mastektomie unterzogen.
Der Weg bis zur OP
Aufgrund vielfacher Einflussfaktoren hat sich unsere Klinik seit Jahren als Anlaufstelle für trans Männer entwickelt. Vor allem Mund-zu-Mund-Propaganda und Austausch unter Betroffenen über Social Media steigern die Zahlen der versorgten Personen stetig.
Nach Vorlage eines psychologischen wie auch eines psychiatrischen Gutachtens erfolgt das Kostenansuchen bei der Krankenkasse mit der Bitte um Kostendeckung. Bisher gab es bei uns noch keinen Fall einer Ablehnung durch die Krankenkassen.
Chirurgische Maßnahmen bei unserer Patientenklientel
Schon beim ersten Patientenkontakt werden anamnestische Daten erhoben und es wird eine Fotodokumentation erstellt. In diesem Zusammenhang werden Form und Größe der (weiblichen) Brust in Augenschein genommen. Zu diesem Zeitpunkt entscheidet sich meist auch schon die Auswahl der passenden OP-Technik.
In der Regel haben viele Patienten sich schon mit verschiedenen unterschiedlichen OP-Verfahren vertraut gemacht, bevor sie uns aufsuchen. Hier bilden meist das Internet oder auch Kontakte zu anderen Betroffenen orientierende Informationsquellen, was jedoch eine ärztliche Beratung niemals ersetzen kann.
Die bei uns verwendeten OP-Techniken zur subkutanen Mastektomie reduzieren sich eigentlich auf zwei Verfahren:
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den operativen Zugang über einen periareolären Randschnitt (Abb. 1) und
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die Reduktion des Hautmantels über einen queren spitzovalären Schnitt mit freier Verpflanzung des Mamillen-Areolen-Komplexes (MAK; Abb. 2)
Abb. 1: Status prä OP (von vorne und von der Seite; a) und post OP nach Reduktion des Hautmantels über einen periareolären Randschnitt (von vorne und von der Seite; b)
Abb. 2: Status prä OP (von vorne und von der Seite; a) und post OP nach Reduktion des Hautmantels über einen queren spitzovalären Schnitt (von vorne und von der Seite; b)
In beiden Fällen wird üblicherweise eine Verkleinerung des MAK durchgeführt, wobei bei der freien Verpflanzung von einigen Patienten auch eine komplette Entfernung der Brustwarzen-Vorhofregion gewünscht wird.
Vorteil der ersten Technik, die sich besonders für kleine Brüste eignet, ist die narbensparende Ausführbarkeit. Jedoch lässt sich die Veränderung der Position des MAK nicht zusätzlich in der gleichen OP-Sitzung vornehmen. Auch erfordert die Entfernung der Brustdrüse durch einen kleinen Schnitt eine gewisse Übung.
Bei der zweiten Technik, die bei größeren Brüsten zum Einsatz kommt, ergeben sich lange Narben, die aber von den Patienten in Kauf genommen werden. Eine Neupositionierung des MAK, wie bei Männern anatomisch üblich weiter lateral, ist hierbei möglich, wobei über das Risiko eines Transplantatverlustes aufgeklärt werden muss.
Bei ausgeprägten nach lateral reichenden Gigantomastien ist eine Brustreduktion unter Verwendung eines T-Schnittverfahrens eine weitere Option. Hierbei entstehen jedoch weitere Narben.
Die verschiedenen Techniken mit ihren Limitationen, Risiken und Ergebnisaussichten sind bereits im Rahmen der Erstberatung ein Thema. Am Ende des Gespräches wird das Kostenansuchen erstellt. Nach Erhalt der Krankenkassenzusage erfolgen ein zweites, ausführliches Aufklärungsgespräch, die Ausfertigung des Aufklärungsbogens und die Vergabe eines OP-Termins. Unser Vorgehen soll so sicherstellen, dass unsere Patienten zum OP-Verlauf und zur Nachbehandlung ausreichend informiert sind. Jedoch scheint es hierzu Diskrepanzen zu geben, wie unsere Nachuntersuchungen zeigen.
Eckpunkte der Fragebogenstudie
Zur Sicherung unserer Versorgungsqualität wurden Nachuntersuchungen durchgeführt, die im Rahmen dreier Masterarbeiten ausgewertet wurden.
Im Fokus der insgesamt 53 quantitativen Fragen samt acht Ergänzungsfragen („Falls ja bzw. nein …“) standen dabei vor allem die Selbsteinschätzung des Gesundheitszustands, die wahrgenommene präoperative Aufklärung und Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitssektor. 23 Fragen wurden drei bestehenden validierten Fragebögen entnommen, der Utrechter Skala zur Geschlechtsdysphorie, dem Ante-TS-10-Test sowie dem SF-36-Fragebogen zum Gesundheitszustand. Die übrigen 30 Fragen wurden mit Unterstützung einer auf LGBTQIA+ spezialisierten klinischen Psychologin selbst entwickelt.
Ergebnisse und Vergleich – Studie vs. Gesamtbevölkerung
Verglichen mit der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2019 des Gesundheitsministeriums zeigt sich unter den an der Klinik Landstraße befragten trans Männern eine deutlich verminderte wahrgenommene Lebensqualität gegenüber der Gesamtbevölkerung. Die trans Männer erreichten 68 Prozent des erreichbaren Zufriedenheits-Scores, was identisch ist mit der österreichweiten Selbsteinschätzung chronisch Kranker. Die Gruppe der Gesunden in der Gesamtbevölkerung erreichte hingegen 83 Prozent.
Dennoch scheinen sich die teilnehmenden trans Männer kurz vor der Durchführung der Mastektomie in einer grundsätzlich positiveren Lebensphase zu befinden, als das auf die Grundgesamtheit transidenter Menschen in Österreich zutrifft. Laut LGBTIQ+ Gesundheitsbericht 2022 des Gesundheitsministeriums haben 59 Prozent aller trans Personen bereits einmal den Punkt erreicht, an dem sie ernsthaft überlegt haben, sich das Leben zu nehmen. 25 Prozent haben bereits einen Suizidversuch unternommen. Demgegenüber stimmten nur drei Prozent der in unserer Studie der Klinik Landstraße befragten trans Männer der Aussage völlig zu, dass das Leben nicht lebenswert sei, und sieben weitere Prozent ein wenig. 61 Prozent wiesen sie als gar nicht zutreffend zurück, 18 Prozent betrachteten sie als wenig zutreffend und elf Prozent konnten sich nicht festlegen. Übereinstimmend gaben auch 62 Prozent an, dass sie mit dem Leben sehr oder zumindest meistens zufrieden sind, während sieben Prozent das nur selten oder überhaupt nicht sind. Ob die Befragten das Leben als lebenswerter betrachten, weil sie kurz vor Beginn der geschlechtsangleichenden Operationen stehen, oder ob sie den doch langwierigen Weg dorthin eher beschreiten konnten, weil sie dem Leben gegenüber grundsätzlich positiver gestimmt sind, sollte in Zukunft noch abgeklärt werden.
Mutmaßlichen Einfluss auf die Lebensqualität nehmen Diskriminierungserfahrungen, insbesondere durch Gesundheitspersonal. Besonders besorgniserregend ist ausbleibende oder falsche Behandlung von trans Personen aufgrund von Vorurteilen. Fast drei Viertel der im LGBTIQ+ Gesundheitsbericht befragten trans Personen berichten von selbst erlebter Diskriminierung im Gesundheitssektor, mehr als die Hälfte davon wurden bereits abgewiesen, als sie Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nehmen wollten. Knapp sechs von zehn trans Personen in Österreich erhielten bereits Diagnosen, die Symptome von Migräne, Allergien oder selbst grippalen Infekten mit ihrer Geschlechtsidentität oder der eingeleiteten Transition in Zusammenhang brachten, ohne andere Ursachen in Betracht zu ziehen. 42 Prozent schließlich wurden durch medizinisches Personal erniedrigt oder beleidigt, fast ein Drittel der Befragten wurde von diesem nicht oder nur selten mit dem zu ihrer Transidentität passenden Vornamen angesprochen.
Diskriminierung durch Gesundheitspersonal gehört ebenso zur Erfahrung der Teilnehmer unserer Studie, wenn auch in einem niedrigeren Ausmaß. Gaben österreichweit 72 Prozent der trans Personen solche Erlebnisse an, waren es in dieser Studie immer noch 43 Prozent der Befragten, die zumindest einmal in ihrem Leben im Gesundheitssektor diskriminiert worden waren, die Hälfte davon sogar öfter als nur selten. Eine stärkere Sensibilisierung von Angehörigen aller Gesundheitsberufe, insbesondere von jenen, die im Zusammenhang mit geschlechtsangleichenden Maßnahmen stehen, ist daher dringend anzuraten.
Ein eher überraschendes Ergebnis war, dass nach der präoperativen Aufklärung beinahe ein Viertel unserer Befragten nur ein (sehr) geringes Bewusstsein der Tragweite und der konkreten Konsequenzen der bevorstehenden Operation aufwies. Zugleich fühlten sich rund zehn Prozent als wenig bis nahezu gar nicht und mehr als 40 Prozent als nur teilweise aufgeklärt. Besonders oft genannt wurden fehlende Aufklärung über die Nachversorgung der Wunden und über die zu erwartende Dauer von Schmerzen. Es lässt sich anhand der Daten jedoch nicht nachvollziehen, ob die sich als mangelhaft aufgeklärt betrachtenden Personen objektiv tatsächlich zu wenig aufgeklärt wurden – was wir eher für unwahrscheinlich halten. Es ist denkbar, dass eine erfolgreiche Aufklärung an zu wenig Verstehen der Inhalte durch die Patienten scheiterte oder dass sich die Patienten subjektiv unaufgeklärt fühlten, obwohl eine umfassende und nachvollziehbare Aufklärung durchgeführt worden war. Im Rahmen einer Folgeuntersuchung wäre daher zu klären, ob Verbesserungspotenzial bei der Gestaltung und Verständlichkeit der Aufklärung notwendig ist, ob psychologische Aspekte eine Rolle spielen, die zukünftig bei der Aufklärung stärker berücksichtigt werden sollten, oder ob es tatsächlich Lücken in der konsequenten Durchführung der Aufklärung gibt.
Literatur:
bei den Verfasser:innen
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