<p class="article-intro">Brandverletzungen sind häufig und treten in allen Altersgruppen auf. Um sie adäquat zu behandeln, sind die genaue Kenntnis von Verbrennungsgraden sowie die Bestimmung von Tiefe und Ausdehnung maßgeblich. Die Entscheidung bezüglich des weiteren Prozederes sollte nur durch einen mit Brandverletzungen erfahrenen Arzt getroffen werden.</p>
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<p class="article-content"><h2>Epidemiologie</h2> <p>Rund 4 % aller Unfälle passieren im deutschsprachigen Raum durch Verbrennungen und Verbrühungen. Bei einer Bevölkerung von rund 7–8 Millionen und rund 750.000 Unfallmeldungen pro Jahr ergibt das eine jährliche Inzidenz von rund 30.000 Verbrennungen.<br /> Der Großteil dieser Verletzungen sind aber Bagatellverletzungen, sodass nur ca. 5–10 % der Brandverletzten hospitalisiert werden müssen.<br /><br /><strong> Demografische Gruppen</strong><br /> In den verschiedenen Altersgruppen treten unterschiedliche Verletzungsmuster auf. Kleinkinder reißen oft heiße Getränke vom Tisch oder heißes Wasser und andere Flüssigkeiten von der Herdplatte, sodass es zu schweren Verbrühungen kommt. Im Jugend- und Erwachsenenalter treten neben Verbrühungen gehäuft Verbrennungen (z.B. Grillunfälle) auf. Mit zunehmendem Alter spielen, neben Verbrennungen, wieder vermehrt Verbrühungen eine Rolle.<br /><br /> Hochrisikogruppe ist das Säuglingsund Kleinkindalter; so sind rund 60 % der verletzten Kinder jünger als 3 Jahre. Die Verletzungsrate liegt in dieser Altersgruppe um ein Vielfaches höher als in der Altersgruppe der Schulkinder.</p> <h2>Definition</h2> <p>Verbrennungen und Verbrühungen sind thermische Schädigungen der Haut, der Hautanhangsgebilde und eventuell auch tiefer liegender Gewebe und Strukturen; eine Verbrennung ist eine Schädigung durch Feuer oder Kontakt mit heißen Gegenständen, eine Verbrühung eine Schädigung durch heiße Flüssigkeiten oder Dampf. Vergleichbare Schäden entstehen auch durch Säuren und Laugen. Je nach Intensität und Art des einwirkenden thermischen Mediums kommt es zur Ausbildung der Verbrennungswunde in unterschiedlichen Schweregraden.<br /> Das Ausmaß der Schädigung ist abhängig von:</p> <ul> <li>Temperatur</li> <li>Einwirkungsdauer</li> <li>Art der Wärmequelle</li> </ul> <p>Entscheidend für die Schwere der Verbrennung/ Verbrühung sind vor allem zwei Faktoren:</p> <ul> <li>Verbrennungsgrad</li> <li>Verbrannte Fläche</li> </ul> <p>Histologisch lassen sich bei Verbrennungen drei Zonen unterscheiden. Im Zentrum des Geschehens steht die Nekrosezone. Daran angrenzend folgt die Zone der Stase, die in eine Zone der Hyperämie übergeht. Ab etwa 20 % verbrannter Körperoberfläche bei Erwachsenen ist mit dem Auftreten der „Verbrennungskrankheit“ zu rechnen.<br /><br /> Hauptsymptom der Verbrennungskrankheit ist das Auftreten eines auf etwa 24 Stunden nach dem Trauma beschränkten, generalisierten „capillary leak syndrome“. Konsekutiv kommt es zum Auftreten eines generalisierten Ödems, das durch das Ausströmen von intravasalem Volumen in das Gewebe verursacht wird. Direkte Folge ist das Auftreten eines Missverhältnisses von intravasalem Flüssigkeitsvolumen und intravasalem Flüssigkeitsbedarf = Schock. Dieser Schockzustand führt zu einer peripheren Vasokonstriktion mit einer weiteren Verschlechterung der Hautdurchblutung. Als Folge der Verschlechterung der peripheren Durchblutung kommt es zum sogenannten „Nachbrennen“, einer Verschiebung der Nekrosezone in Richtung Stasezone.<br /><br /> Begünstigend wirkt sich hierbei eine schlechte Wärmeableitung aus dem Gewebe aus. Deshalb wurde ursprünglich postuliert, dass durch rechtzeitige Kühlung sowohl eine Verringerung des Ödems erreicht als auch ein Fortschreiten der Nekrosezone vermindert werden kann. Vor allem bei kleineren Verbrennungen ist eine Kühlung durch lauwarmes Wasser sinnvoll. Die Anwendung von kaltem Wasser ist zu vermeiden. Bei großflächigen Brandverletzungen sollte eine Kühlung aufgrund der Gefahr einer Unterkühlung des Patienten generell unterbleiben. Spätestens wenn der – ansprechbare – Patient fröstelt, ist die Kühlung abzubrechen. Nicht ansprechbare Patienten sollten nicht gekühlt werden.<br /> Da brandverletzte Patienten aufgrund der fehlenden Autoregulation der Haut besonders vom Abkühlen bedroht sind, ist auf einen adäquaten Schutz vor Unterkühlung zu achten. Dies ist von besonderer Bedeutung, da Unterkühlung für die weitere Versorgung des Patienten ein erhebliches Risiko darstellt. Ein Absinken der Körpertemperatur führt zu einer weiteren Zentralisation mit einer Reduktion der Hautdurchblutung. Eine weitere Nebenwirkung selbst einer passageren ausgeprägten Hypothermie ist eine Verschlechterung der Immunsituation mit einer Erhöhung der Infektionsrate. Außerdem kommt es infolge der Verbrennungskrankheit zu komplexen Regulations- und Funktionsstörungen, die alle Organe und Organsysteme betreffen können.<br /><br /> Bei weit mehr als der Hälfte aller Todesfälle infolge von Verbrennungen sind Infektionen die Ursache. Mikroorganismen finden auf der Brandwunde ideale Bedingungen vor. Die natürliche Barriere ist zerstört, die allgemeine Abwehrlage deutlich herabgesetzt und die Durchblutung minimiert. Diese Mangeldurchblutung verhindert auch, dass im Blut vorhandene Abwehrmechanismen herantransportiert werden können.<br /><br /> <strong>Berechnung der verbrannten Körperoberfläche</strong><br /> Die Ausdehnung einer Verbrennung wird beim Erwachsenen mit der sogenannten Neuner-Regel bestimmt, nach der den einzelnen Körperregionen entsprechende prozentuelle Anteile zugeordnet werden. Bei Kindern verliert die Neuner- Regel ihre Gültigkeit, da sich das Verhältnis von Kopf und Extremitäten zum Körperrumpf im Vergleich zum Erwachsenen völlig anders verhält (Abb. 1). In Anbetracht dieser Situation empfiehlt es sich generell bei Kindern oder bei Erwachsenen mit fleckförmigen Verletzungen das Ausmaß der Schädigung nach der folgenden Faustregel festzulegen: Die Handfläche des Patienten entspricht 1 % seiner Körperoberfläche!</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1701_Weblinks_s56_abb1.jpg" alt="" width="685" height="474" /><br /><br /><strong> Verbrennungskrankheit</strong><br /> Das „thermische Trauma“ führt in Abhängigkeit von seiner Tiefe und Ausdehnung nicht nur zu einer örtlichen Gewebeschädigung, sondern löst eine Vielzahl von Vorgängen aus, die in einen Verbrennungsschock einmünden, dessen Spätkomplikation die Verbrennungskrankheit ist.<br /> Bei einer Verbrennungstiefe ab dem II. Grad und einer Verbrennungsfläche von mehr als 20 % beim Erwachsenen, 10 % bei Kindern oder 5 % bei Säuglingen muss mit der Entstehung eines Verbrennungsschocks und somit mit einer lebensbedrohlichen Störung gerechnet werden.<br /> Die örtliche Schädigung der Haut führt, insbesondere bei ausgedehnten Verbrennungen, zu komplexen Regulations- und Funktionsstörungen, die alle Organe und Organsysteme betreffen können. Diese Krankheit kann noch Tage bis Wochen nach dem Unfallereignis lebensbedrohliche Krisen auslösen.<br /> Eine nicht zu vernachlässigende Gefahr ist die Infektion, die sich vor allem in der Phase der Verbrennungskrankheit negativ auf den Heilungsprozess auswirken kann. Die Schwere einer Verbrennungskrankheit wird in den ersten Stunden und Tagen mitentscheidend vom Zeitpunkt und der Qualität der Erstversorgung bestimmt.</p> <h2>Therapie von Brandverletzungen</h2> <p><strong>Grundlagen</strong><br /> Eine wichtige Entscheidung bei der Behandlung von Verbrennungen sind die exakte Tiefenbestimmung und die exakte Bestimmung der Ausdehnung. Traditionsgemäß beruht dies auf der klinischen Untersuchung.<br /><br /> <strong>Verbrennung I. Grades (entspricht einem starken Sonnenbrand)</strong><br /> Die Behandlung beschränkt sich auf das Auftragen heilungsfördernder Salben. Die Heilung erfolgt ohne Narbenbildung. Es sind keine Folgeschäden zu erwarten.<br /><br /><strong> Verbrennung Grad IIa (Wunde mit Blasenbildung)</strong><br /> Die Ziele sind:</p> <ul> <li>Schutz der Wunde vor Infektion, bei oberflächlichen Verbrennungen (Grad IIa) Selbstheilung des Körpers (Reepithelisierung) ausnutzen. Diese dauert je nach Ausmaß der Verbrennungsfläche 7–15 Tage. „Desinfizierende“ Spezialverbände sind notwendig (z.B. Mepilex Ag, Acticoat). Die Verbände sollten regelmäßig gewechselt werden, um eine lokale Keimreduktion zu erreichen. Durch die Wahl des passenden Verbandsmaterials kann auch die Häufigkeit der oft schmerzhaften Verbandswechsel reduziert werden. Tägliche Verbandswechsel sollten bei den modernen Wundauflagen nicht mehr zwingend notwendig sein, wobei natürlich die Lokalsituation die Anzahl der notwendigen Verbandswechsel entscheidend bestimmt.</li> <li>Schaffung idealer Heilungsbedingungen, Ruhigstellung, Schmerztherapie</li> </ul> <p><strong>Verbrennung Grad IIb und III</strong><br /> Die Standardtherapie bei tiefen Verbrennungen II. und III. Grades ist die frühzeitige Operation, wobei das verbrannte Areal entfernt (Nekrosektomie) und je nach Tiefe mit gezüchteten Keratinozyten, Amnion oder synthetischen Hautersatzmaterialien (z.B. Suprathel) und/oder autologer Spalthaut (bestehend aus Epidermis und Anteilen von Dermis) gedeckt wird. Bei freiliegenden Sehnen oder Knochen bedarf es einer Deckung mit Lappenplastiken (gestielte und freie Lappenplastiken). In funktionell wichtigen Regionen (z.B. Hände) kommt auch häufig die kombinierte Transplantation (bestehend aus einem Dermisersatzmaterial in Kombination mit Spalthaut) zum Einsatz (Abb. 2).<br /> Neben intensivmedizinischen Maßnahmen sind Operationen, bei größerem Ausmaß auch häufig in mehreren Etappen, notwendig, um primär abgestorbene Hautpartien zu entfernen. Die plastisch-chirurgische Deckung dient dann dem temporären bzw. permanenten Wundverschluss. Bei Verbrennungen III. Grades wird die dazu notwendige Haut direkt vom Patienten entnommen und dann transplantiert. Die Spenderareale heilen ähnlich einer Schürfwunde in 10–14 Tagen von selbst ab. Bei großflächigen Verbrennungen kann eine Expansion der Haut notwendig sein (MESH-Graft oder MEEK-Graft).<br /> Ist die Möglichkeit der ausreichenden Eigenhauttransplantation nicht gegeben (zu wenig Entnahmemöglichkeiten bei ausgedehnten Verbrennungen, der Zustand des Patienten lässt eine Operation vorläufig nicht zu, die nekrosektomierte Wunde ist für Eigenhauttransplantate noch nicht bereit), werden zur Überbrückung verschiedene Formen des temporären Hautersatzes angewendet.</p> <ul> <li>Allogene Spalthauttransplantation: (Spenderhaut) ? vorübergehender Wundverschluss</li> <li>Xenologe Transplantate (z.B. Schweinehaut) ? vorübergehender Wundverschluss</li> <li>Künstlicher Hautersatz: vorübergehende Wundabdeckung</li> </ul> <p>Bei kleineren Verbrennungen kann unter idealen Bedingungen nach einer Hauttransplantation ein Wundverschluss innerhalb von 14 Tagen erreicht werden. Bei ausgeprägten Verbrennungen dagegen dauert die Behandlung oft Wochen bis Monate. Entscheidend für das Outcome des Patienten sind somit ein rascher und tiefenspezifischer Wundverschluss und eine frühzeitig beginnende Nachbehandlung und Rehabilitation.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1701_Weblinks_s56_abb2_neu.jpg" alt="" width="2150" height="837" /></p> <h2>Nachbehandlung von Verbrennungen</h2> <p><strong>Verbrennung Grad IIa</strong></p> <p>Hier ist meist eine spontane Heilung zu erwarten, d.h., es ist kein chirurgischer Eingriff nötig. Die Nachbehandlung erfolgt mit rückfettenden Salben. Bei zeitgerechter Wundheilung entstehen im Allgemeinen keine hypertrophen Narben. Je nach Hauttyp können Pigmentierungsunterschiede verbleiben.<br /> Empfehlung: keine intensive Sonneneinstrahlung für 12 Monate. Dies lässt sich z.B. durch die Verwendung von Sonnenschutzcreme mit hohem Lichtschutzfaktor einhalten oder die betroffenen Körperteile werden durch UV-Schutz-Kleidung geschützt.<br /><br /> <strong>Verbrennung Grad IIb und III</strong><br /> Das Tragen von Kompressionsbekleidung ist erforderlich. Dies hilft die Narbenbildung zu vermindern. Transplantierte Haut muss besonders gepflegt werden. Tägliches Einfetten der Haut ist notwendig, da bei der Hauttransplantation nur die Hautzellen, jedoch nicht die zugehörigen Schweiß- oder Talgdrüsen mittransplantiert werden. Die operierten Areale sollten keiner intensiven Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden. Eine tägliche Massage des Narbengewebes beugt einer starken Narbenbildung vor.<br /> Um ein gutes funktionelles und ästhetisches Ergebnis zu erzielen, sollten zur Vermeidung bzw. Verbesserung von hypertrophen Narben alle konservativen und chirurgischen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft werden, wobei chirurgische Maßnahmen vorrangig erst nach Narbenreifung erfolgen sollten (Ausnahme: starke und funktionell einschränkende Narben) (Abb. 3). Narben, die Gelenke in ihrer Funktion beeinträchtigen oder kosmetisch störend sind, sollten im Verlauf frühzeitig von einem plastischen Chirurgen beurteilt und entsprechend behandelt werden. Zu den möglichen Verfahren zur Verbesserung der Narbenqualität zählen:</p> <ul> <li>Kompressionsbekleidung inkl. Druckpelotten, Anfertigung von Spezialschienen und/oder anderen Hilfsmitteln</li> <li>Applikation von Silikonfolien</li> <li>Injektionstherapie (z.B. intraläsionale Kortisoninjektion)</li> <li>Korrekturoperationen (z.B. Auflösung von Narbensträngen)</li> <li>Laserbehandlung</li> <li>kosmetische/ästhetische Korrekturen (zum Beispiel im Gesicht)</li> </ul> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1701_Weblinks_s56_abb3.jpg" alt="" width="1420" height="1620" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1701_Weblinks_s56_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1116" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1701_Weblinks_s56_tab2.jpg" alt="" width="1417" height="1098" /></p></p>
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