Die Behandlung von Schwannomen an der oberen Extremität
Autoren:
Dr. Philipp Buben
OA PD Dr. Karl Schwaiger
Prim. Assoc. Prof. Dr. Gottfried Wechselberger, MSc
Abteilung für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder
Salzburg
Korrespondierender Autor:
Dr. Philipp Buben
E-Mail: philipp.buben@bergmannstrost.de
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Per definitionem sind Schwannome gutartige Tumoren des peripheren Nervensystems, bestehend aus Schwann’schen Zellen. Als Schwann’sche Zelle wird die Gliazelle des peripheren Nervensystems bezeichnet. Sie umhüllt mit Myelin das Axon einer peripheren Nervenzelle und gewährleistet so eine erhöhte Leitgeschwindigkeit der Nervenfasern. Die Entfernung von Schwannomen stellt den plastischen Chirurgen vor eine Herausforderung. Eine faszikelschonende Exzision des Tumors zur Linderung der Symptomatik sowie der Funktionserhalt des Nervs gelten als Ziel des mikrochirurgischen Eingriffs.
Keypoints
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Die mikrochirurgische Exzision führt zu einer Reduktion der präoperativ vorhandenen Symptomatik.
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Eine diagnostische Bildgebung dient der operativen Planung und exakten Lokalisation der peripheren Nerventumoren.
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Die histologische Sicherung der Benignität ist von hoher Wichtigkeit, wenngleich maligne Entartungen selten sind.
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Bei korrekter mikrochirurgischer Technik sind postoperative neurologische Beschwerden selten.
Schwannome sind in der Regel gutartige Tumoren des peripheren Nervensystems und können peripher, viszeral, intraspinal oder intrakraniell auftreten. Intrakranielle Schwannome entspringen meist dem vestibulären Anteil des VIII. Hirnnervs. Bilateral auftretende Tumoren sind mit der Neurofibromatose vom Typ 2 assoziiert.1 Die meisten peripheren Schwannome befinden sich an den Beugeseiten der Gliedmaßen mit einer jährlichen Inzidenz von 0,6 pro 100000 Personen. Diese Tumoren treten typischerweise im vierten bis zum sechsten Lebensjahrzehnt auf.2 Charakteristisch für Schwannome sind ein abgekapseltes und solitäres Erscheinungsbild und langsames Wachstum. Im Rahmen der Schwannomatose können diese auch gehäuft auftreten.3 Die Schwannomatose und die Neurofibromatose vom Typ 2 überschneiden sich diagnostisch. Beide sind jedoch zwei verschiedene Krankheitsbilder, wobei die Schwannomatose eine halb so hohe Inzidenz aufweist.4 Histologisch lassen sich verschiedene Subtypen (z.B. plexiform, melanotisch, zellulär) unterscheiden.5 Diese histopathologischen Unterschiede haben jedoch keinen signifikanten Einfluss auf das postoperative Ergebnis der Patienten.2 Periphere Schwannome weisen ein gemeinsames Biomarker-Muster der Dysregulation des Tumorsuppressors Merlin auf.6 Die häufigsten Symptome bei Schwannomen sind Schmerzen, Hypästhesien und ein störender Palpationsbefund. Eher selten wird über auftretende Paresen berichtet.7 Bezüglich Bildgebung ist der Goldstandard das MRT. Die Diffusions-Tensor-Traktografie ist eine fortschrittliche MRT-Methode zur Erfassung der genauen Struktur des Tumors im Verhältnis zum peripheren Nerv.8 Diese Methode kann auch zur Differenzierung zwischen Schwannomen und Neurofibromen verwendet werden.9 Eine maligne Transformation ist selten und präsentiert sich durch eine Größenzunahme von mehr als 5cm, nächtliche Schmerzen und schnelles Wachstum.10,11 Histologisch weisen bösartige periphere Nervenscheidentumoren spindelförmige oder epithelartige Zellen auf. Eine chirurgische Exzision und adjuvante Therapie sind in diesen Fällen unter Umständen nicht kurativ. In diesen Fällen ist die Amputation das Therapiemittel der Wahl.10,12 Röhrich et al. beschreiben einen immunhistochemischen Verlust von H3K27me3 bei malignen peripheren Nervenscheidentumoren.13
Chirurgische Behandlung
Gutartige Schwannome werden durch die mikrochirurgische Exzision behandelt. Die Tumorkapsel ermöglicht eine intraneurale Dissektion unter Erhaltung des Nervs.14 Durch die exakte Enukleation des Tumors werden die Nervenfaszikel geschont und funktionelle Defizite minimiert.15 In einigen Fällen ist der gesunde Nerv mit dem Tumor ohne klare Grenzschicht verflochten. In diesen Fällen wird eine En-bloc-Resektion mit Nervenrekonstruktion durchgeführt.16
Schwannomexzision und Nervenrekonstruktion im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg
In diese retrospektive Analyse wurden alle Patienten, die vom Mai 2009 bis Oktober 2021 aufgrund eines Schwannoms der oberen Extremität im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg behandelt wurden, eingeschlossen. Alle Patienten erhielten präoperativ mindestens ein bildgebendes Diagnoseverfahren (d.h. Sonografie oder Sonografie und MRT). Die Operation erfolgte mikrochirurgisch wie oben beschrieben. Intraoperative Fotos, Operationsberichte und die Histologie der Tumoren mussten als Einschlusskriterien der Patienten für diese Analyse vorliegen. Prä- und postoperative Neurografien durch den niedergelassenen Facharzt für Neurologie erfolgten ebenso. Konnte eine Tumorkapsel identifiziert werden, wurde, unter Beibehalten der physiologischen Form des Nervs, der Tumor vom Nerv getrennt. War keine klare Grenzschicht zwischen Tumor und Nerv sichtbar, wurde eine En-bloc-Resektion durchgeführt, um das tumoröse Gewebe vollständig zu entfernen. Anschließend wurde eine mikrochirurgische Nervenrekonstruktion mit autologen Nerventransplantaten durchgeführt.
Ergebnisse
Tab. 1: Postoperative Symptome
Abb. 1: Intraoperative Darstellung eines Schwannoms des Truncus inferior des Plexus brachialis17
Es wurden 22 Patienten mit einem durchschnittlichen Nachbeobachtungszeitraum von 15,45 (Bereich: 0–98) Monaten eingeschlossen. Präoperativ waren alle Patienten symptomatisch. Das häufigste Symptom war Schmerz (11 Patienten, 50%), gefolgt von Hypästhesie und störendem Palpationsbefund (jeweils 5 Patienten, 22,73%). Eine präoperative Parese trat bei einem Patienten (4,55%) auf. Die postoperativen Symptome sind in der Tabelle 1 aufgelistet. Ein Schwannom erwies sich nach der histologischen Untersuchung als maligne. In Abbildung 1 ist die intraoperative Ansicht eines Schwannoms des Plexus brachialis aus unserem Patientenkollektiv dargestellt. Präoperativ litt der Patient unter eingeschränkter Schulterbewegung und Schmerzen. Postoperativ erlangte der Patient die volle Funktion seines Schultergelenks wieder und war schmerzfrei.
Diskussion und Schlussfolgerung
Schwannome präsentieren sich meist als gut abgekapselte Tumoren, wodurch eine intraneurale Dissektion unter Schonung der gesunden Nervenfaszikel möglich ist.11,14–16 Man unterscheidet im Rahmen der mikrochirurgischen Präparation zwischen echter Kapsel und Pseudokapsel. Als Pseudokapsel wird eine feine Tunica bezeichnet, die feine Gefäße und zum Teil Faszikel enthält. Die echte Kapsel liegt unter der Pseudokapsel. Die Identifizierung der echten Kapsel des Tumors dient als Hilfe für die Enukleation der Tumormasse. Die Schonung der Pseudokapsel ist wichtig, um die Funktion des Nerven nicht zu kompromittieren. In Schwannome eindringende Faszikelstränge werden als nichtfunktionell angesehen.
Bei Nichtvorhandensein einer Tumorkapsel ist eine Resektion der Tumormasse mit Nervenrekonstruktion erforderlich.16 Dies erhöht den Grad der Komplexität des Eingriffes wesentlich.
Eine bösartige Transformation von Schwannomen ist selten und bei tumorfreiem Resektionsrand (R0) ist die chirurgische Behandlung gleich wie bei gutartigen Schwannomen.18 Strike et al. stellten fest, dass bösartige periphere Nervenscheidentumoren eine breite Exzision erfordern und in einigen Fällen eine Amputation notwendig sein kann.14 In unserer Studie konnten wir ein bösartiges Schwannom identifizieren. Nach der Resektion des Tumors zeigte die histologische Untersuchung tumorfreie Ränder. In diesem Fall war keine weitere chirurgische Behandlung erforderlich.
Literatur:
1 Stark AM et al.: Tumoren peripherer Nerven. Dtsch Arztebl 2001; 99(14): A928-33 2 Majumder A et al.: A clinicopathological study of peripheral schwannomas. Pharm Rep 2021; 94(2): 191-6 3 Antinheimo J et al.: Population-based analysis of sporadic and type 2 neurofibromatosis-associated meningiomas and schwannomas. Neurology 2000; 54(1): 71-6 4 Evans DG et al.: Schwannomatosis: a genetic and epidemiological study. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2018; 89(11): 1215-9 5 Rodriguez FJ et al.: Pathology of peripheral nerve sheath tumors: diagnostic overview and update on selected diagnostic problems. Acta Neuropathol 2012; 123(3): 295-319 6 Young ED et al.: Clinicopathological variables of sporadic schwannomas of peripheral nerve in 291 patients and expression of biologically relevant markers. J Neurosurg 2018; 129(3): 805-14 [Erratum published in: J Neurosurg 2018; 129(3): 838] 7 Siqueira MG et al.: Surgical treatment of typical peripheral schwannomas: the risk of new postoperative deficits. Acta Neurochir (Wien) 2013; 155(9): 1745-9 8 Schmidt M et al.: Diffusion tensor tractography for the surgical management of peripheral nerve sheath tumors. Neurosurg Focus 2015; 39(3): E17 9 Gersing AS et al.: Diffusion tensor imaging and tractography for preoperative assessment of benign peripheral nerve sheath tumors. Eur J Radiol 2020; 129: 109110 10 Ferner RE, Gutmann DH: International consensus statement on malignant peripheral nerve sheath tumors in neurofibromatosis Cancer Res 2002; 62(5): 1573-7 11 Hsu CS et al.: Tumours of the hand. Lancet Oncol 2007; 8(2): 157-66 12 Berner EA et al.: Malignant peripheral nerve sheath tumors arising from schwannomas: case series and literature review. APMIS 2021; 129(8): 524-32 13 Röhrich M et al.: Methylation-based classification of benign and malignant peripheral nerve sheath tumors. Acta Neuropathol 2016; 131(6): 877-87 14 Strike SA, Puhaindran ME: Nerve tumors of the upper extremity. Clin Plast Surg 2019; 46(3): 347-50 15 Lai CS et al.: Management of extremity neurilemmomas: clinical series and literature review. Ann Plast Surg 2013; 71(Suppl 1): S37-42 16 Holzbauer M et al.: Morphological relation of peripheral nerve sheath tumors and nerve fascicles: prospective study and classification. J Clin Med 2022; 11(3): 552 17 Wechselberger G et al.: [Brachial plexus schwannoma as a reason for severest chronic shoulder pain, surgical management and follow up]. Handchir Mikrochir Plast Chir 2019; 51(4): 334-5 18 Pertrea M et al.: Schwannoma of the upper limb: retrospective study of a rare tumor with uncommon locations. Diagnostics (Basel) 2022; 12(6): 1319
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