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Demenzprävention

Vieles ist möglich!

Gerade die Demenz ist im Anstieg wie kaum eine andere Erkrankung, was allerdings demografische Gründe hat: Während die Prävalenz steigt, sinkt die Inzidenz. Immerhin sind 40% der Risikofaktoren für eine Demenz modifizierbar. Hier zeigt sich einmal mehr die Wichtigkeit einer guten Ausbildung – sie wirkt tatsächlich präventiv gegen Demenz.

Die Lebenserwartung steige und damit auch die Zahl der Demenzerkrankungen, weil das Lebensalter der stärkste Risikofaktor für Demenz sei, erklärte Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Elisabeth Stögmann, Ambulanz für Gedächtnisstörungen und Demenzerkrankungen, Medizinische Universität Wien. „Im Gegensatz zur Prävalenz sinkt allerdings die Inzidenz von Demenzerkrankungen. Das bedeutet, dass Demenzprävention nicht nur möglich, sondern auch schon im Gange ist“, so Stögmann. „Eine kognitive Einschränkung ist immer das Resultat von zumindest zwei pathologischen Pathways, wobei die wichtigsten der degenerative und der vaskuläre Pathway sind“, erläuterte Stögmann. „Natürlich kann, je nach Art der Erkrankung, einer dieser Pathways stärker ausgeprägt sein als der andere.“

Modifizierbare Risikofaktoren

„Etwa 40% aller Risikofaktoren für Demenz sind potenziell modifizierbar“, so die Neurologin weiter. Sie lassen sich nach Lebensphasen einteilen: Früh im Leben ist es der Bildungsgrad, in der Mitte des Lebens sind es Hörverlust, Hirnverletzungen, Hypertonie, Alkohol und Adipositas, spät im Leben Rauchen, Depression, körperliche Inaktivität, Diabetes, Luftverschmutzung und soziale Isolation. Dabei geht es einerseits um die Reduktion neuropathologischer Schäden, andererseits um die Steigerung bzw. Erhaltung der kognitiven Reserve.

Was die Ausbildung angeht, so sind aufgrund der sinkenden Hirnplastizität vor allem die ersten zwanzig Lebensjahre entscheidend. Kognitiv anspruchsvolle Tätigkeiten haben aber auch im späteren Leben einen günstigen Einfluss. Eine späte Pensionierung und kognitiv anspruchsvolle Berufe sind protektive Faktoren – ganz im Sinne von „use it or lose it“.

Interessanterweise ist auch Schwerhörigkeit mit kognitivem Abbau und Demenz assoziiert, wenngleich der kausale Zusammenhang nicht ganz gesichert ist. Das Risiko scheint durch den Gebrauch von Hörgeräten zu sinken. Schädel-Hirn-Traumen erhöhen das Risiko auch, wobei ein einmaliges schweres Schädel-Hirn-Trauma ein geringeres Risiko nach sich zieht als multiple Schädel-Hirn-Traumen.

„Bei der Depression im höheren Alter stellt sich die Frage, ob es sich hier um einen Risikofaktor oder um ein Prodromalsymptom handelt. Im Gegensatz dazu dürfte eine Depression in jüngeren Jahren kein erhöhtes Demenzrisiko nach sich ziehen“, berichtete die Expertin. Kardiovaskuläre Risikofaktoren und allgemeine Lebensstilfaktoren, wie vor allem Ernährung und Bewegung, spielen ebenfalls eine große Rolle.

Am Beispiel der Hundertjährigen

In den Niederlanden läuft eine Studie,1 an der Hundertjährige – zum Zeitpunkt der Publikation 332 – teilnehmen. 75% sind Frauen, 25% Männer. Im Vergleich zu ihrer Geburtskohorte haben die Hundertjährigen in der Studie einen höheren sozioökonomischen Status und einen höheren Bildungsgrad. Der Alkoholkonsum ist allerdings nicht verschieden von jenem der gesamten Geburtskohorte und die meisten männlichen Teilnehmer haben irgendwann während ihres Lebens geraucht. Der durchschnittliche MMSE-Wert liegt bei 25; die meisten Hundertjährigen leben selbstständig, haben ein intaktes Seh- und Hörvermögen und sind eigenständig mobil. Aber selbst in der Gruppe der Hundertjährigen ist die Mortalität abhängig von der kognitiven Funktion. Während jene mit einem MMSE-Wert ≥26 eine jährliche Sterberate von 17% aufweisen, beträgt sie für die Teilnehmer mit einem MMSE <26 42%.

Vortrag „Prävention Demenz“ von Priv.-Doz. Dr. Elisabeth Stögmann im Rahmen der Plenarsitzung „Brain Health III“ am 21. Jahreskongress der ÖGN, 14. März 2024, Wien

1 Holstege H et al.: The 100-plus Study of cognitively healthy centenarians: rationale, design and cohort description. Eur J Epidemiol 2018; 33(12): 1229-49

Restliche Literatur bei der Vortragenden

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