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Diagnostik der MCI

Leichte kognitive Beeinträchtigungin der neurologischen Praxis

Die Diagnostik der leichten kognitiven Beeinträchtigung (MCI) stellt eine Herausforderung in der Praxis dar. Eine korrekte Diagnose bietet aber die Chance, den Krankheitsverlauf durch Lebensstilmodifikation oder in naher Zukunft vorhandene krankheitsmodifzierende Medikamente positiv zu beeinflussen. Damit ist sie entscheidend für die Therapieplanung und die Beratung von Patient:innen und ihren Angehörigen. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Aspekte für die neurologische und allgemeinmedizinische Praxis zusammen.

Keypoints

  • MCI ist ein heterogenes Syndrom, dessen Diagnose eine sorgfältige Abgrenzung zwischen physiologischem Altern und Demenz erfordert. Umfassende Anamnese, neuropsychologische Testung und Bildgebung sind essenziell.

  • Bestimmte Subtypen weisen ein höheres Risiko für eine Progression zur Alzheimerdemenz auf und können Kandidaten für krankheitsmodifizierende Therapien sein. Eine frühzeitige Diagnose ist daher entscheidend, um den Therapiebeginn zu optimieren.

  • Die Mitteilung der Diagnose MCI erfordert eine sensible und transparente Kommunikation, die die Unsicherheiten der Prognose, die Variabilität des Verlaufs und die potenziellen Auswirkungen einer Diagnoseverzögerung auf Patient:innen und Angehörige berücksichtigt.

  • Das Management der MCI sollte einem multidisziplinären Ansatz folgen, der insbesondere die Modifikation von Risikofaktoren und nichtmedikamentöse Interventionen umfasst.

Mit der baldigen Verfügbarkeit krankheitsmodifizierender Therapien für die Alzheimererkrankung in Österreich rückt die Früherkennung kognitiver Störungen in den Mittelpunkt der neurologischen und allgemeinmedizinischen Versorgung. Die leichte kognitive Beeinträchtigung (MCI) bildet dabei eine entscheidende diagnostische Schnittstelle. Eine präzise Diagnose dieses Syndroms stellt einerseits eine Chance für Patient:innen dar, von neuen medikamentösen Therapien bestmöglich zu profitieren und frühzeitig den Krankheitsverlauf zu beeinflussen, andererseits ist sie die Grundlage frühzeitiger Risikokommunikation, um Patient:innen und Angehörige bei der Lebensplanung und Entscheidungsfindung zu unterstützen, und die Basis einer gelungenen ärztlichen Beratung.

Begriff und Epidemiologie

MCI beschreibt einen klinischen Zustand, der durch objektivierbare kognitive Defizite gekennzeichnet ist, die jedoch nicht schwerwiegend genug sind, um die Kriterien einer Demenz zu erfüllen. Die Alltagskompetenz bleibt weitgehend erhalten. Die kognitiven Defizite betreffen entweder einzelne oder multiple Domänen, die Betonung ist entweder amnestisch oder nonamnestisch.1 Epidemiologisch betrachtet sind etwa 15% der über 65-Jährigen von MCI betroffen, wobei die Prävalenz mit niedrigerem Bildungsniveau und zunehmendem Alter ansteigt.2 Der klinische Verlauf von MCI ist heterogen. Während bei einem Teil der Patient:innen eine Verschlechterung (9,6%) oder eine Progression zur Demenz (12,9%) beobachtet wird, bleiben andere stabil (29,6%) oder zeigen sogar eine Verbesserung der kognitiven Leistungen (47,9%). Dies wurde kürzlich in einer populationsbasierenden Studie über einen Beobachtungszeitraum von 2,4 Jahren gezeigt. Multidomänen-MCI, das Vorhandensein von APOE-ε4, depressive Symptome und die Einnahme von Antidepressiva waren signifikante Prädiktoren einer Progression zur Demenz.3

Ätiologische Vielfalt des MCI

MCI ist ein Syndrom, aber keine eigene Erkrankung. Verschiedene zugrunde liegende Pathologien können zu MCI führen. Ein amnestisches MCI (aMCI), bei dem vor allem Gedächtnisfunktionen betroffen sind, ist häufig durch die Alzheimererkrankung verursacht („MCI due to AD“).4 Dem gegenüber stehen nichtamnestische Formen (naMCI). Bei diesen sind beispielsweise Sprachfähigkeiten, exekutive Funktionen oder visuell-räumliche Leistungen beeinträchtigt, was eher mit vaskulären oder frontotemporalen Erkrankungen assoziiert ist.1 Auch bei Lewy-Body-Erkrankungen und im Rahmen der Parkinsonkrankheit kann MCI ein frühes klinisches Signal darstellen.5

Der diagnostische Ablauf: von der Anamnese bis zu Biomarkertests

Die Diagnostik von MCI beginnt mit der Erhebung der Anamnese, um kognitive Defizite zu erfassen, die entweder von den Betroffenen selbst oder von anderen Personen wahrgenommen werden. Die Anamneseerhebung fokussiert sich auf die detaillierte Beschreibung der Symptome durch den Patienten oder die Patientin sowie auf die Fremdanamnese, also die Beobachtungen von Angehörigen oder anderen Bezugspersonen. Dabei ist der Nachweis einer Veränderung gegenüber dem früheren kognitiven Leistungsniveau entscheidend. Der bzw. die Kliniker:in achtet zudem auf potenziell auffällige Befunde. Zielgerichtete Fragen, z.B. nach Problemen mit dem Gedächtnis (,,Haben Sie Schwierigkeiten, sich an kürzliche Ereignisse zu erinnern?“), der Orientierung (,,Verlaufen Sie sich manchmal in bekannter Umgebung?“) oder Veränderungen im Verhalten laut Angehörigen (,,Ist er/sie gereizter/apathischer als früher?“), können in kurzer Zeit wesentliche Informationen liefern. Zusätzlich sollte ein zielgerichteter neurologischer Status erhoben werden, um mögliche neurologische Zeichen neurodegenerativer Prozesse wie Blickparese, Gangstörung etc. zu evaluieren. Diese initiale Beurteilung ist entscheidend, um den Bedarf an weiterführenden Screeningverfahren korrekt einschätzen zu können.6

Welches weiterführende Screeningverfahren ist am besten geeignet, um die Verdachtsdiagnose MCI weiter zu objektivieren? Während der bekannte und häufig genutzte Mini-Mental-Status-Test (MMSE) eine gute Sensitivität für das Erkennen einer Demenz aufweist, ist zur Diagnose früher kognitiver Beeinträchtigungen der „Montreal Cognitive Assessment“-Test (MoCA) das bessere Instrument. Die Sensitivität des MoCA für das Erkennen von MCI liegt bei einem Wert von <26/30 bei 90%, die Spezifität bei 87%. Bei einem Zeitaufwand von 10–15 Minuten erfasst er 8 kognitive Domänen. Defizite in bestimmten Domänen können wichtige differenzialdiagnostische Hinweise zur besseren Einschätzung der zugrunde liegenden Neuropathologie liefern.7 Personen mit MCI weisen auch eine höhere Prävalenz für neuropsychiatrische Symptome auf als die Normalbevölkerung. Die häufigsten sind Depression, Apathie und Irritabilität.

Neuropsychiatrische Differenzialdiagnostik

Bei Verdacht auf MCI kann beispielsweise der Neuropsychiatric Inventory Questionnaire (NPI-Q) wertvolle Hinweise auf das Vorliegen neuropsychiatrischer Symptome liefern. Neuropsychiatrische Symptome wie Wahnvorstellungen oder Enthemmung können auch erste Hinweise darauf sein, dass ein anderer neurodegenerativer Prozess als die Alzheimererkrankung dem MCI zugrunde liegt.8

Ist das kognitive Screening mit der Anamnese und der klinischen Einschätzung in Richtung MCI kongruent, sind weitere Abklärungsschritte nötig. Zur konkreteren Charakterisierung der kognitiven Auffälligkeiten sollte eine neuropsychologische Testung erfolgen. Zur Basisdiagnostik, aber auch um reversible Ursachen auszuschließen, sollten parallel ausführliche Laboruntersuchungen durchgeführt werden, inklusive Blutbild, Differenzial-blutbild, Nieren- und Leberwerte, Lipidstatus, HbA1c, Elektrolyte, TSH, Vitamin-B12-Spiegel und CRP.9

Bildgebung

Die strukturelle Bildgebung des Gehirns, vorzugsweise mittels Magnetresonanztomografie (MRT) ohne Kontrastmittel, ist bei der Abklärung von MCI in nahezu allen Fällen indiziert. Sie dient primär dem Ausschluss von nichtdegenerativen Ursachen für die kognitiven Symptome, wie beispielsweise Tumoren, Schlaganfällen in der Vergangenheit oder entzündlichen Prozessen. Darüber hinaus kann die MRT Hinweise auf Atrophiemuster liefern, die mit neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimerkrankheit vereinbar sind, wobei das Fehlen solcher Veränderungen diese jedoch nicht ausschließt. Standardsequenzen umfassen T1- und T2-gewichtete Aufnahmen, „Fluid-attenuated inversion recovery“(FLAIR)- und Gradientenechosequenzen bzw. „susceptibility-weighted imaging“ (SWI).10 Die Beurteilung der Bildgebung sollte stets im Kontext des Patient:innenalters und der klinischen Symptomatik erfolgen. Schließlich können auch altersbedingte Veränderungen (wie Atrophie und vaskuläre Veränderungen) auftreten, deren Ausmaß und Muster aber bei kognitiven Symptomen sorgfältig interpretiert und klinisch korreliert werden müssen.7,9 Hier hilft der interdisziplinäre Dialog, beispielsweise über ein Demenzboard zur schnellen und unkomplizierten Diskussion entsprechender Befunde und zur Planung des weiteren Vorgehens.

Die 18F-Fluordesoxyglucose-Positronenemissionstomografie (FDG-PET) kann regionale Stoffwechselveränderungen im Gehirn darstellen und so zur Differenzierung von MCI-Subtypen beitragen.11 Im spezialisierten Setting können so auch bessere Aussagen hinsichtlich des Progressionsrisikos getroffen werden.12 Da das amnestische MCI (aMCI) häufig eine Vorform der Alzheimererkrankung darstellt, ist die Bestimmung des Amyloid-Status durch Amyloid-PET oder Liquordiagnostik in diesen Fällen besonders relevant. Das Amyloid-PET ermöglicht die In-vivo-Darstellung von Amyloid-Plaques im Gehirn, dem neuropathologischen Hauptmerkmal der Alzheimererkrankung. Die Konzentrationen von Amyloid-β42, Tau-Protein und phosphoryliertem Tau im Liquor können ebenfalls eine zugrunde liegende Alzheimerpathologie nachweisen. Der Nachweis von Amyloid erlaubt nicht nur eine verbesserte Abschätzung des Risikos für die Progression zur Alzheimerdemenz, sondern ist auch essenziell für die Beurteilung der Eignung für eine Therapie mit Anti-Amyloid-Antikörpern.13 Um für eine Anti-Amyloid-Antikörpertherapie geeignet zu sein, ist der positive Amyloid-Nachweis (PET oder Liquor) obligatorisch.13

Kommunikation der Diagnose: ethische Verantwortung

Die Mitteilung der Diagnose MCI, insbesondere bei Vorliegen einer positiven Biomarkersignatur, erfordert eine hohe Sensibilität. Ärzt:innen tragen die ethische Verantwortung, Patient:innen transparent über die diagnostische Bedeutung der Befunde, die bestehenden Unsicherheiten und die verfügbaren präventiven sowie therapeutischen Optionen aufzuklären. Dabei ist es essenziell, zu betonen, dass MCI nicht mit Demenz gleichzusetzen ist, da der Verlauf von MCI sehr variabel sein kann und nicht zwangsläufig in eine Demenz münden muss. Die Mitteilung sollte durch eine:n in der Demenzdiagnostik erfahrene:n Spezialistin/Spezialisten erfolgen, wobei die individuellen Motive und Wünsche des Patienten oder der Patientin bezüglich des Wissens um seinen bzw. ihren Zustand berücksichtigt werden müssen. Eine klare und verständliche Kommunikation, die auf Fachbegriffe verzichtet und den MCI-Status nicht undifferenziert als „Vorstufe“ der Demenz bezeichnet, ist daher entscheidend.14 Wenn hingegen der Fall eintritt, dass die Diagnose MCI nicht bestätigt werden kann, sollten subjektive kognitive Beeinträchtigungen ebenfalls ernst genommen und weiterführend abgeklärt werden. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind in diesen Fällen ratsam, um die Entwicklung zu überwachen.

Managementstrategien bei MCI

Das Management von MCI ist ein multidisziplinärer Ansatz, der insbesondere nichtpharmakologische Interventionen umfasst. Während die medikamentösen Therapieoptionen begrenzt sind, spielen nichtmedikamentöse und präventive Strategien eine wichtige Rolle. Die Verlangsamung des Fortschreitens kognitiver Defizite kann durch die Modifikation von Risikofaktoren (z.B. kardiovaskuläre Risikofaktoren, Lebensstilfaktoren) und psychosoziale Maßnahmen versucht werden.15 Kognitives Training (gezielte Übungen zur Verbesserung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit, exekutiven Funktionen), körperliche Aktivität (regelmäßiges Ausdauertraining, wie Walking und Schwimmen, sowie Krafttraining) sowie soziale Interaktion (an Gruppenaktivitäten teilnehmen, Hobbys pflegen, soziale Kontakte aufrechterhalten) sollten empfohlen werden.16 Sofern eine Depression festgestellt wird, sollte sie behandelt werden. Bei Patient:innen mit amnestischem MCI und einer positiven Amyloid-Biomarkersignatur sollte darüber hinaus eine Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum oder die Vorstellung in einem Demenz-Board erfolgen, um die Eignung für krankheitsmodifizierende Therapien zu prüfen und den hierfür erweiterten Abklärungsprozess einzuleiten. Bei Hinweisen auf eine rasche Progression oder atypische Symptome sollte ebenfalls eine umgehende Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum erfolgen.

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