
MGMT-Promotor-methyliertes Glioblastom: möglicher Vorteil einer „Tumor-Treating Field“-Therapie mit Chemotherapie
Autor:innen:
Ass. Dr. Kujtim Bytyqi1
Univ.-FÄ Dr. Tadeja Urbanic-Purkart2
1 Universitätsklinik für Neurologie
Medizinische Universität Graz
2 CBmed und Klinische Abteilung für Neuroradiologie, vaskuläre und interventionelle Radiologie, Universitätsklinik für Radiologie Medizinische Universität Graz
Korrespondierender Autor: Ass. Dr. Kujtim Bytyqi
E-Mail: k.bytyqi@medunigraz.at
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Das MGMT-Promotor-methylierte Glioblastom ist eine Untergruppe des Glioblastoms, welches besonders gut auf eine Kombination aus alkylierenden Chemotherapien anspricht, die daher seit der Veröffentlichung der ersten richtungsweisenden Daten von Herrlinger1 und Glas² 2006 bzw. 2009 als CeTeG-Protokoll in der Klinik Verwendung findet. Unabhängig davon haben in den letzten Jahren die „Tumor-Treating Fields“ (TTF) als zusätzliche Therapieoption einen Stellenwert in der neuroonkologischen Praxis erlangt. Doch was ist, wenn man TTF mit dem CeTeGe-Protokoll kombiniert?
Keypoints
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In der EF-14-Studie wurden das Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben in der Gruppe mit „Tumor-Treating Fields“ und Temozolomid im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie verlängert.
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Das mediane Gesamtüberleben bei der Untergruppe der Glioblastome mit methyliertem MGMT-Promotor konnte in der CeTeG/NOA-09-Studie durch die Zugabe von Lomustin zu Temozolomid verlängert werden.
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In einer multizentrischen Studie von Lazaridis et al. konnten erste Hinweise auf die Wirksamkeit von TTF kombiniert mit einer Chemotherapie nach dem CeTeG-Protokoll gegeben werden.
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In unserer retrospektiven Analyse waren zum Ende der Datenerfassung mehr als die Hälfte der Patient:innen mit einer Kombination aus TTF und CeTeG-Chemotherapie noch am Leben.
Seit dem EF-14-Trial3 werden die Tumortherapiefelder („Tumor-Treating Fields“ [TTF]) als die vierte Säule in der Therapie des Grad-4-Glioms angesehen. In dieser multizentrischen Studie wurde die Kombination aus einer Therapie mit TTF und Temozolomid, dem Standard-Chemotherapeutikum in der adjuvanten Therapie des Glioblastoms, mit alleiniger Chemotherapie verglichen. Eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens (20,9 Monate mit TTF vs. 16,0 Monate ohne TTF) und des progressionsfreien Überlebens (6,7 Monate mit TTF vs. 4,0 Monate ohne TTF) in der Gruppe mit Temozolomid und TTF konnte gezeigt werden.
Was sind „Tumor-Treating Fields“?
Bei den „Tumor-Treating Fields“ handelt es sich um elektrische Wechselfelder von geringer Feldstärke (100–300V/m) und Frequenz (100–300kHz), welche über vorgefertigte Arrays auf der rasierten Kopfhaut lokal abgegeben werden. TTF werden mithilfe einer tragbaren Batterie generiert, welche in einer Tasche oder einem Rucksack getragen werden kann. Um eine ausreichende Wirkung zu gewährleisten, soll die TTF-Therapie mindestens 75% des Tages (d.h. mindestens 18 Stunden täglich) angewendet werden.
Die TTF mit ihren elektrischen Wechselfeldern sollen dazu dienen, Zellen mit besonders hoher mitotischer Aktivität (in diesem Fall die Zellen des Glioblastoms) an der Zellteilung zu stören. Dies kann auf mehrere Arten und während verschiedener Phasen der Zellteilung geschehen, z.B. indem die Ausbildung des Spindelapparates während der Metaphase gestört wird. Des Weiteren kann es durch Fehllokalisierung der Zellbestandteile während der Mitose zu deren asymmetrischer Anordnung kommen. Damit kann die Mitose nicht nur verzögert, sondern in vielen Fällen sogar abgebrochen werden, sodass es zum Zelltod kommt. Dabei ist die Wirksamkeit der TTF je nach Gewebe unterschiedlich und hängt von Frequenz und Feldstärke ab.4,5
Chemotherapie ohne und mit TTF
Durch diese Mechanismen hat sich die Therapie mittels TTF im Bereich der Glioblastomtherapie etablieren können. Eine Metaanalyse von Ballo et al. analysierte 7 Studien mit neu diagnostiziertem Glioblastom, bei denen zwischen einer „Standard of care“-Chemotherapie ohne TTF und einer Therapiekombination aus TTF und „Standard of care“-Chemotherapie verglichen wurde. Dabei zeigte sich eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens in den TTF-Kohorten. Auch in den „post-approval studies“ lag das gepoolte mediane Gesamtüberleben bei den Patient:innen, die mit TTF behandelt wurden, höher als bei den Gruppen ohne TTF-Behandlung (22,6 Monate vs 17,4 Monate).6 Doch auch bei der Therapie anderer Tumoren (Pleuramesotheliom, NSCLC etc.) sind TTF Gegenstand aktueller Studien.
Im EF-14-Trial wurden also TTF erfolgreich in Kombination mit Temozolomid angewendet. Neben der Standard-Chemotherapie mit Temozolomid wird auch die Kombination aus Temozolomid und Lomustin (CCNU) bei der Untergruppe des Glioblastoms mit methyliertem MGMT-Promotor eingesetzt, welche in der CeTeG/NOA-09-Studie (Herrlinger et al., 2019)7 eine bessere Wirksamkeit im Vergleich mit der Monotherapie mit Temozolomid in dieser Untergruppe zeigte (medianes Gesamtüberleben 31,4 Monate mit Temozolomid vs 48,1 Monate mit Temozolomid und CCNU).
Beim MGMT-Promotor handelt es sich um ein Gen, welches für das DNA-Reparatur-Protein O6-Methylguanin-DNA-Methyltransferase (kurz: MGMT) codiert. Dieses Protein dient dazu, Alkylierungen der DNA zu reparieren. Bei methyliertem MGMT-Promotor kann die Reparatur der DNA-Alkylierung nicht richtig ablaufen, sodass diese Zellen anfälliger für eine Therapie mit Alkylanzien sind. Dies wurde bereits im Jahr 2000 von einer japanischen Forschungsgruppe beschrieben, welche eine erhöhte Empfindlichkeit auf Alkylanzien bei Mäusen mit defektem MGMT-Gen entdeckte.8
Hegi et al. konnten basierend auf diesem Mechanismus einen Vorteil für das Gesamtüberleben von Patient:innen mit MGMT-Promotor-Methylierung ableiten. Diese Patient:innen zeigten bei kombinierter Radiochemotherapie mit Temozolomid ein Gesamtüberleben von 21,7 Monaten vs. 15,3 Monate bei Patient:innen, die nur eine Radiotherapie erhielten. Im Vergleich dazu war in der Kohorte ohne MGMT-Promotor-Methylierung der Unterschied im Gesamtüberleben kleiner und statistisch nicht signifikant.9
Obgleich sowohl die Therapie mit TTF als auch die Therapie nach dem CeTeG-Protokoll beim methylierten Glioblastom für sich gesehen eine bessere Wirksamkeit aufweisen als die Monotherapie mit Temozolomid, gibt es bisher nur wenige Daten zur Kombination der Therapie nach dem CeTeG-Protokoll mit TTF. Lazaridis et al. beschäftigten sich mit diesem Thema und publizierten eine retrospektive Analyse von 16 Patient:innen. Das progressionsfreie Überleben in dieser Kohorte lag bei 20 Monaten, die mediane Nutzungsdauer lag bei 83%. Die Forschungsgruppe um Lazaridis konnte damit erste Schritte zur Etablierung dieser Therapieoption in der Neuroonkologie setzen.10
In weiterer Folge konnten Lazaridis et al. in einer multizentrischen Studie retrospektiv die Wirksamkeit von TTF in Kombination mit einer Chemotherapie nach dem CeTeG-Protokoll anhand von klinischen Daten weiter belegen. Eine Tragedauer der TTF über 8 Wochen wirkte sich zusätzlich positiv auf das Überleben aus (progressionsfreies Überleben 21,5 Monate bei TTF-Tragedauer über 8 Wochen vs. 11,2 Monate bei TTF-Tragedauer weniger als 8 Wochen).11
Retrospektive Analyse
Auch wir unternahmen eine retrospektive Analyse mit insgesamt 20 eingeschlossenen Patient:innen mit methyliertem Glioblastom unter kombinierter Therapie mit TTF und Chemotherapie nach dem CeTeG-Protokoll. Unsere Ergebnisse zeigten, dass die Kombination von TTF mit der Therapie nach dem CeTeG-Protokoll (Temozolomid + CCNU) insgesamt gut vertragen wird – während des gesamten Analysezeitraums kam es zu 2 Fällen von hämatologischer Toxizität (CTCAE Grad 3, vermittelt durch die Chemotherapie).
Auch die Therapieadhärenz bezüglich der TTF war mit 81% medianer täglicher Nutzungsdauer zufriedenstellend. Mehr als die Hälfte der Patient:innen sind zum Ende der Datenerfassung mit der Kombination aus Therapie nach CeTeG-Protokoll und TTF noch am Leben, davon blieben einige Patient:innen mehr als 5 Jahre ohne Progress. Dies ist für eine Studie zur Therapie des Glioblastoms eine erhebliche Zeitspanne.
Fazit
Insgesamt zeigte sich in unserer Analyse, dass eine Kombination der Therapie nach dem CeTeG-Protokoll, welche für sich allein gesehen eine erhöhte Wirksamkeit bei methyliertem Glioblastom aufweist, mit der bereits bewährten Therapie mit TTF eine grundsätzlich sichere und tragbare Form der Glioblastomtherapie darstellt. Um jedoch diese Kombination in der Therapie des Glioblastoms weiter zu erforschen und eventuell als Standard zu etablieren, sind weitere Studien in Zukunft notwendig.
Literatur:
1 Herrlinger U et al.: Phase II trial of lomustine plus temozolomide chemotherapy in addition to radiotherapy in newly diagnosed glioblastoma: UKT-03. J Clin Oncol. 2006; 24(27): 4412-7 2 Glas M et al.: Long-term survival of patients with glioblastoma treated with radiotherapy and lomustine plus temozolomide. J Clin Oncol 2009; 27(8): 1257-61 3 Stupp R et al.: Effect of Tumor-Treating Fields Plus Maintenance Temozolomide vs Maintenance Temozolomide Alone on Survival in Patients With Glioblastoma: A Randomized Clinical Trial. JAMA 2017; 318(23): 2306-16 4 Hottinger AF et al.: Tumor treating fields: a novel treatment modality and its use in brain tumors. Neuro Oncol 2016; 18(10): 1338-49 5 Elijah J et al.: Tumor-Treating Fields: A Fourth Modality in Cancer Treatment. Clin Cancer Res 2018; 24(2): 266-75 6 Ballo MT et al.: Association of Tumor Treating Fields (TTFields) therapy with survival in newly diagnosed glioblastoma: a systematic review and meta-analysis. J Neurooncol 2023; 164(1): 1-9 7 Herrlinger U et al.: Lomustine-temozolomide combination therapy versus standard temozolomide therapy in patients with newly diagnosed glioblastoma with methylated MGMT promoter (CeTeG/NOA-09): a randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet 2019; 393(10172): 678-88 8 Shiraishi A et al.: Increased susceptibility to chemotherapeutic alkylating agents of mice deficient in DNA repair methyltransferase , Carcinogenesis 2000; 21(10): 1879-83 9 Hegi ME et al.: MGMT gene silencing and benefit from temozolomide in glioblastoma. N Engl J Med 2005; 352(10): 997-1003 10 Lazaridis L et al.: Tumour Treating Fields (TTFields) in combination with lomustine and temozolomide in patients with newly diagnosed glioblastoma. J Cancer Res Clin Oncol 2020; 146(3): 787-92 11 Lazaridis L et al.: First multicentric real-life experience with the combination of CCNU and temozolomide in newly diagnosed MGMT promoter methylated IDH wildtype glioblastoma. Neurooncol Adv 2022; 4(1): vdac137
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