
Viel Lärm um nichts?
Überfüllte Ambulanzen, Gangbetten, Trubel auf den Stationen – Überfülle und Unruhe sind zumeist negativ konnotiert. Aber wie ist es mit dem Gegenteil – der Leere? Ist die immer positiv?
Intro: Zwei für ihre immanente Sparsamkeit bekannte Männer in karierten Röcken verlassen ein Kino. Es regnet. Meint der eine: Laufen wir dem Bus nach – dann sparen wir zwei Tickets. Schlägt der andere vor: Laufen wir einem Taxi nach – dann sparen wir das 10-Fache.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie die Träger unseres Gesundheitswesens es schaffen, auch uralte Denk- und Lebenssysteme in die modernsten Therapieangebote zu integrieren. Das bedarf wirklich jahrelanger Forschungs- und Planungsarbeit und der buddhistischen Gelassenheit, dass man den Fluss der Dinge erkennen, aber nicht stören sollte.
Wir wissen, dass Reizüberflutung, zu enge Strukturen, zu viele Kontakte und berufliche Belastungen zu allen möglichen Schäden führen können. Distress, unklare Aufgabenverteilungen und mangelnde Erfolgserlebnisse führen zu Burnout und psychosomatischen Erkrankungen. Dem kann mit der buddhistischen Haltung der inneren Leere und der Konzentration auf das Hier und Jetzt entgegenwirkt werden. Ein wichtiger Schritt dazu ist das Schaffen von Freiräumen.
Auch im österreichischen Gesundheitssystem wurden „Freiräume“ geschaffen. So wurden Teile der Umorganisation des Gesundheitswesens derart auf den Weg gebracht, dass man neue Einrichtungen erbaute, die aber mangels Personal nicht betrieben werden können. So geschehen an der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Klinik Floridsdorf. Es liegt – wie man von der Generaldirektion des Wiener Gesundheitsverbundes WIGEV hört – nicht an diesem, das man kein Personal findet.
Prof. Eduard Angeli: Der Klostergarten. 100x100 cm, Kohle und Pastell auf Leinwand. 2020
Es bedurfte sicher der gesammelten Planungskompetenz der Generaldirektion des WIGEV – immerhin ein Vielfaches an Köpfen verglichen mit der Gründung des Vorgängers KAV –, um sich genau auszurechnen, wie viel Platz man einer Ambulanz und Tagesklinik mit 24 leer stehenden Betten zur Verfügung stellen sollte. Allerdings spart man dadurch Personalkosten, Pensionen, Fortbildungsaktivitäten etc. Um wie viel mehr hätte man sparen können, wenn man die Einheit mit 50 nicht belegbaren Betten geplant hätte!
Ähnliches gilt für die Justizanstalt Asten: 100 zusätzliche Betten, davon nur 50 belegt und zu wenig Personal in allen Bereichen.
Durchaus vergleichbar ist das mit dem Belag des Anhaltezentrums Vordernberg. Da war die mit Stolz verkündete Auslastung 60%, das bedeutet also einen Leerstand von fast der Hälfte der Einrichtung. Daraus folgen geringere Kosten für Verpflegung, Reinigung etc.
Der letzte Streich war der Umgang mit Unfallopfern im Versorgungsbereich der AUVA samt zugehörigem Personal, die von Tag zu Tag rätseln durften, wo die nächsten medizinischen Leistungen erbracht werden – im Zweifelsfall im Krankentransportwagen.
Die Leere lässt Raum für Selbstbesinnung, Erholung, Orientierung. Reizabschirmung gibt die Gelegenheit, sich auf das eigene innere Erleben zu konzentrieren, dieses wahrzunehmen und zu prüfen, wohin man eigentlich will bzw. wie man dem eigenen Wollen entgehen kann. Insofern sind leere Krankenhäuser bzw. Abteilungen um vieles gesundheitsfördernder als voll belegte. Keine Spitalskeime, kein Burnout beim Personal, keine Schmerzen, keine Sterbenden – ein Paradies für Krankenhausbetreiber.
Aber wie wir zu wissen glauben: Das Paradies winkt uns erst nach dem Tod.
So könnte es nach weiterer Umsetzung der Pläne – Schaffung neuer Strukturen und Bauten ohne Sicherstellung des nötigen Personals – aussehen.
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