
Lebensqualität nach spontaner Subarachnoidalblutung
Autorinnen:
Dr. Anna Berek, PhD
Dr. Verena Rass, PhD
Universitätsklinik für Neurologie
Medizinische Universität Innsbruck
E-Mail: verena.rass@i-med.ac.at
Die spontane Subarachnoidalblutung (SAB) gilt als eine der schwersten Formen des Schlaganfalls. Trotz medizinischer Fortschritte berichten viele Überlebende Jahre nach dem Ereignis über eine deutlich eingeschränkte Lebensqualität. Insbesondere psychische Probleme und Fatigue beeinträchtigen das Wohlbefinden nachhaltig. Dies soll im Folgenden, bezugnehmend auf unsere kürzlich publizierte Studie, diskutiert werden.1
Keypoints
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Ein Jahr nach der Blutung ist die Lebensqualität bei einem Drittel der SAB-Überlebenden im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung signifikant reduziert – insbesondere ist die mentale Dimension der Lebensqualität vermindert.
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Die wichtigsten Kofaktoren für eine reduzierte Lebensqualität sind Fatigue und psychische Symptome wie Angst und Depression.
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Frauen leiden nach einer SAB häufiger unter einer verminderten Lebensqualität als Männer.
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Im Rahmen einer multidisziplinären Langzeitnachsorge nach einer SAB sollten neben funktionellen auch psychische und psychosoziale Aspekte berücksichtigt werden.
Hintergrund
Die spontane Subarachnoidalblutung (SAB) macht etwa 2–5% aller Schlaganfälle aus und die weltweite Inzidenz liegt bei 6,1 pro 100000 Personenjahre (Abb. 1). Die Inzidenz der SAB variiert weltweit, nimmt mit dem Alter zu und Frauen sind 1,3-mal häufiger betroffen als Männer.2 Meist liegt ein rupturiertes Aneurysma zugrunde, bei etwa 15% der Patient:innen bleibt die Blutungsquelle allerdings unklar. Trotz verbesserter intensivmedizinischer Versorgung ist die SAB nach wie vor mit einer hohen Morbidität und Mortalität assoziiert. Die 90-Tage-Sterblichkeit liegt bei ca. 30%.3,4 Neben funktionellen Defiziten leiden Überlebende häufig an kognitiven und psychischen Langzeitfolgen, wozu Fatigue, Depression und Angststörung zählen.5–7 Das beeinträchtigt die Lebensqualität und erschwert die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Bei einem Durchschnittsalter von nur 55 Jahren betrifft die Erkrankung Menschen während ihres Arbeitslebens und hat somit auch eine wirtschaftliche Bedeutung.
Abb. 1: Spontane Subarachnoidalblutung: Kofaktoren und Auswirkungen auf die Lebensqualität; Implikationen und Nachsorge
Wie kann die Lebensqualität nach SAB gemessen werden?
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität ist ein zentrales Maß für das subjektive Wohlbefinden nach einer SAB und wird zunehmend als wichtiger Endpunkt in klinischen Studien und in der Nachsorge angesehen.8 Zur Erfassung der Lebensqualität werden verschiedene standardisierte Fragebögen eingesetzt. Häufig werden generische Instrumente wie der SF-36 oder der EQ-5D sowie krankheitsspezifische Instrumente, die auf die besonderen Bedürfnisse und Probleme von SAB-Patient:innen zugeschnitten sind, verwendet.9 Neben der Erfassung von Lebensqualität ist in der SAB-Nachsorge die Erhebung von multimodalen Outcomeparametern einschließlich funktioneller Beeinträchtigungen (z.B. gemessen mit der modifizierten Rankin-Skala [mRS]), kognitiver Defizite (z.B. mittels Montreal Cognitive Assessment [MoCA]) sowie Screening von Fatigue, Angst, und Depression mittels Fragebögen (z.B. Fatigue Severity Scale [FSS]; Hospital Anxiety and Depression Scale [HADS]) sinnvoll und empfohlen.4,8
Welche Faktoren tragen zu einer reduzierten Lebensqualität nach SAB bei?
Um Faktoren zu identifizieren, die eine reduzierte Lebensqualität nach SAB fördern können, führten wir eine Datenauswertung von SAB-Patient:innen durch, die an unserer Abteilung betreut wurden.1 Dazu wurden 183 Patient:innen prospektiv eingeschlossen und ein Jahr nach dem Blutungsereignis wurden multimodale Outcomeparameter, einschließlich der mit dem SF-36-Fragebogen gemessenen Lebensqualität, erfasst. Der SF-36-Fragebogen deckt acht Gesundheitsdimensionen ab. Durch die Unterteilung in einen physischen (PCS) und einen mentalen Summenscore (MCS) wird sowohl die körperliche als auch die mentale Lebensqualität erfasst. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (normiert auf 50 ± SD 10) gelten Werte <40 als reduzierte Lebensqualität.
Das mediane Alter der Patient:innen lag bei 53 Jahren (IQR 46–61) und 56% waren weiblich. Die Krankheitsschwere bei Aufnahme auf die Intensivstation war relativ gering (Hunt & Hess Score: 2, IQR 2–3), wobei 96% der überlebenden Patient:innen ein gutes funktionelles Ergebnis nach einem Jahr erreichten. Trotzdem war die subjektive Lebensqualität ein Jahr nach SAB bei 36% der Patient:innen reduziert. Dabei berichteten 19% über Einschränkungen im physischen Bereich (PCS <40) und 26% über Einschränkungen im mentalen Bereich (MCS <40). 9% der Patient:innen hatten Einschränkungen in beiden Bereichen. Die Mittelwerte für beide Komponenten waren signifikant niedriger als in der Allgemeinbevölkerung (PCS: 48,4 ± 9,0; MCS: 47,0 ± 12,3). In multivariaten Modellen, die für die Schwere der Erkrankung und das Alter korrigiert wurden, waren das weibliche Geschlecht, Depression, Fatigue und ein verminderter Antrieb wichtige Kofaktoren für eine reduzierte Lebensqualität. Zusammen erklärten diese Faktoren fast 70% der Varianz der Lebensqualität. Depression, Angst, Fatigue und verminderter Antrieb waren mit mentalen Einschränkungen (MCS <40) assoziiert. Körperliche Einschränkungen (PCS <40) wurden dagegen vor allem durch ein schlechtes funktionelles Outcome (höherer mRS) und Fatigue erklärt.
Somit konnten die Häufigkeit von reduzierter Lebensqualität nach SAB und die Bedeutung psychischer Faktoren wie Depression, Angstsymptome und Fatigue für die Lebensqualität als wichtige Erkenntnisse der Studie hervorgehoben werden. Fatigue ist ein dominantes Symptom nach SAB und auch Teil des „Post intensive care“-Syndroms (PICS) bei anderen intensivmedizinischen Erkrankungen.10 Sowohl die mentale als auch die physische Komponente der Fatigue können zur Beeinträchtigung der Lebensqualität beitragen.11,12 Obwohl Fatigue ein Symptom einer Depression sein kann, ist eine separate Erfassung nach einer SAB sinnvoll, da Fatigue und Depression nach einem Schlaganfall distinkte Symptome darstellen. Depressionen und Angststörungen können nahezu die Hälfte der SAB-Überlebenden betreffen.5,13 Screening ist von besonderer Bedeutung, da medikamentöse Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen.5,14
Auch kognitive Defizite sind eine häufige Folge einer SAB.6,15 Betroffen sein können sowohl globale kognitive Funktionen als auch spezifische Domänen wie Aufmerksamkeit, Exekutivfunktionen, Gedächtnis, Sprache und visuell-räumliche Fähigkeiten.6,15 Studien haben gezeigt, dass sich kognitive Einschränkungen negativ auf die Lebensqualität auswirken können. In unserer Auswertung waren sie allerdings nur im univariaten Modell signifikant.6,14
Funktionelle Defizite, die direkt aus der strukturellen Schädigung des Gehirns durch die Blutung oder Komplikationen resultieren, können sich in Form von motorischer Schwäche oder Schwierigkeiten bei alltäglichen Aktivitäten manifestieren. Sie wurden und werden traditionell als Outcomeparameter klinischer SAB-Studien verwendet. Funktionelle Defizite wirken sich vor allem auf die physische Dimension der Lebensqualität aus.5,16 Interessanterweise zeigen einige Studien sowie unsere eigene Studie eine Diskrepanz zwischen dem Grad der objektivierbaren Behinderung und dem subjektiv empfundenen Wohlbefinden, insbesondere dem mentalen. Dieses Phänomen wird als „Disability-Paradoxon“ bezeichnet.17
Zu den nicht beeinflussbaren Faktoren, die zu einer reduzierten Lebensqualität nach einer SAB beitragen können, zählen soziodemografische Faktoren, vorbestehende Begleiterkrankungen, die Resilienz der Patient:innen sowie das soziale Unterstützungsnetzwerk.7,9,14 Unsere Studie unterstreicht, dass Frauen häufiger von einer Reduktion der Lebensqualität nach SAB betroffen sind, was möglicherweise auf eine höhere Vulnerabilität in Bezug auf psychische Belastungen zurückzuführen ist.
Wie kann die Lebensqualität nach einer SAB verbessert werden?
An erster Stelle stehen das Bewusstsein und das Wissen um die reduzierte Lebensqualität nach einer SAB. Dies kann nur durch ein Langzeit-Follow-up in spezialisierten multiprofessionellen Nachsorgeambulanzen und durch ein systematisches Screening erkannt werden. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass das Screening auch bei Patient:innen mit gutem funktionellen Outcome ohne körperliche Einschränkungen wichtig ist, da eine reduzierte Lebensqualität auch bei diesen Patient:innen das Alltagsleben, das Sozialleben und die Rückkehr an den Arbeitsplatz beeinträchtigen kann. Die bestmögliche Lebensqualität kann vermutlich am besten durch einen multidisziplinären Teamansatz erreicht werden.
Die akute und langfristige Rehabilitation nach einer SAB ist somit ein neuer Themenschwerpunkt der aktuellen amerikanischen SAB-Leitlinie.4 Es wird darauf hingewiesen, dass die Behandlungsansätze eine Kombination aus Medikamenten, Psychotherapie und Rehabilitation umfassen. Neben einer multidisziplinären Rehabilitation im Anschluss an den Intensivaufenthalt können gezielte Interventionen die Lebensqualität verbessern. Dazu zählen Hilfestellungen bei der Wiedereingliederung in das Berufsleben, das Erlernen von Copingmechanismen, kognitive Rehabilitation, psychologische Unterstützung und Fatiguemanagement.18 Kofaktoren wie Angst und Depression sollten erkannt und psychotherapeutisch oder medikamentös behandelt werden. Antidepressiva, wie die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), haben eine positive Wirkung auf die „Poststroke-Depression“.4
Es ist darüber hinaus wichtig, dass die Lebensqualität als Endpunkt in klinischen SAB-Studien verwendet wird und nicht nur funktionelle Defizite berücksichtigt werden.
Praxistipp
Es sollte eine systematische Nachsorge von SAB-Überlebenden in spezialisierten Ambulanzen mit einem gezielten Screening auf Lebensqualität, Fatigue, Depression, Angstsymptome und Alltagsbelastungen erfolgen. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung dieser Faktoren kann die Lebensqualität nachhaltig verbessern.
Literatur:
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