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16. Österreichische Schmerzwochen

Jedem Schmerzpatienten die richtige Therapie

<p class="article-intro">Im Rahmen der 16. Österreichischen Schmerzwochen fassten die Experten der Österreichischen Schmerzgesellschaft neue Erkenntnisse zu Opioiden, Cannabinoiden und der Behandlung neuropathischer Schmerzen zusammen und stellten das neue Positionspapier der EFIC vor.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Europ&auml;ische Schmerzf&ouml;deration: neues Positionspapier</h2> <p>Noch immer bekommen in Europa viele Patienten mit chronischen Schmerzen keine ausreichende Therapie. Vorurteile, Fehlinformationen und mangelndes Wissen behindern vielerorts auch die Anwendung der potentesten Analgetika, der Opioide. Ein neues Positionspapier der Europ&auml;ischen Schmerzf&ouml;deration EFIC<sup>1</sup>, an dem auch &ouml;sterreichische Experten mitwirkten, soll hier klare Antworten auf offene Fragen geben und Abhilfe bei bestehenden M&auml;ngeln schaffen.<br /> Es formuliert unter anderem folgende Grunds&auml;tze: &bdquo;Eine Therapie mit Opioiden sollte im Rahmen eines multimodalen Therapieplans und von daf&uuml;r ausgebildeten und kompetenten &Auml;rzten eingeleitet werden, wenn einfachere Mittel versagt haben. Alle Patienten unter Opioid-Therapie ben&ouml;tigen eine engmaschige, schmerzmedizinische Kontrolle.&ldquo; Bei Versagen oder bei Auftreten von Nebenwirkungen muss ad&auml;quat gehandelt werden. Nebenwirkungen geh&ouml;ren therapiert, bei einem nicht ausreichenden Effekt m&uuml;ssen die Behandlungskonzepte leitliniengerecht angepasst bzw. ver&auml;ndert werden.<br /> Das EFIC-Papier setzt sich mit allen diesen Aspekten, inklusive der Charakteristika einzelner Opioid-Analgetika und deren Gebrauchs, auseinander. Das Ziel: eine optimale Versorgung der bisher noch nicht ausreichend betreuten Patienten mit schweren chronischen Schmerzen in ganz Europa.</p> <h2>Das k&ouml;nnen THC und Cannabidiol</h2> <p>Wird in der analgetischen Therapie den aktuellen Empfehlungen gefolgt, greift man bei erheblicher Schmerzsymptomatik auf Opioide zur&uuml;ck. Hinzu kommen zus&auml;tzliche Mittel wie nicht steroidale Antirheumatika, Antikonvulsiva und Antidepressiva. &bdquo;Etwa zehn bis 20 Prozent der Patienten klagen trotz aller Bem&uuml;hungen weiterhin &uuml;ber eine deutliche Schmerzsymptomatik. F&uuml;r sie ben&ouml;tigt man neben den invasiven Verfahren auch zus&auml;tzliche medikament&ouml;se Erg&auml;nzungen&ldquo;, betont Prof. DDr. Hans-Georg Kress, Leiter der Abteilung f&uuml;r Spezielle An&auml;sthesie und Schmerztherapie, AKH/MedUni Wien.<br /> Dies k&ouml;nnten industriell hergestellte Medikamente und/oder magistraliter in Apotheken produzierte Mittel mit Cannabinoiden sein. Erst k&uuml;rzlich ist im &bdquo;Journal of the American Association of Nurse Practitioners&ldquo; eine &Uuml;bersichtsarbeit<sup>2</sup> publiziert worden, welche die wenigen klinischen Studien zur Verwendung von Cannabinoiden bei Krebspatienten zusammengefasst hat. &bdquo;Cannabinoide sind keine Wundersubstanzen und in ihrer analgetischen Wirksamkeit den starken Opioiden unterlegen. Allerdings k&ouml;nnen sie bei Krebsschmerzen als zus&auml;tzliche Medikation eine Verbesserung der Symptomkontrolle bewirken&ldquo;, so Prof. Kress.<br /> Mit den verschiedenen Cannabis-Inhaltsstoffen besch&auml;ftigt sich die Wissenschaft schon seit Langem &ndash; Cannabidiol (CBD) wurde beispielsweise bereits 1940 identifiziert. &bdquo;Bei CBD handelt es sich um eine nicht psychotrope Substanz. Sie unterliegt keiner Suchtgiftregelung. Im K&ouml;rper wird sie auch nicht zu THC umgewandelt&ldquo;, so Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, Generalsekret&auml;r der &Ouml;sterreichischen Schmerzgesellschaft (&Ouml;SG) und Leiter der Abteilung f&uuml;r An&auml;sthesie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt. Beschrieben wurden unter anderem krampfl&ouml;sende, angsthemmende und &Uuml;belkeit sowie Entz&uuml;ndungen d&auml;mpfende Effekte. Mittlerweile ist der Wirkstoff als hoch gereinigte Substanz aus Industriehanf verf&uuml;gbar. Auch ein Produkt mit einer Mischung aus THC und CBD gibt es.<br /> Neue Untersuchungen k&ouml;nnten auch f&uuml;r die Einsetzbarkeit von Cannabidiol bei entz&uuml;ndlichen Gelenkserkrankungen (Arthritis) sprechen. In einer Studie<sup>3</sup>, die im &bdquo;European Journal of Pain&ldquo; erschienen ist, wurde das in einem Tierexperiment bei Ratten belegt. Die Autoren betonten in ihrer Zusammenfassung das Potenzial von CBD in der Therapie von schmerzhafter Arthritis bei offenbarer Absenz von Nebenwirkungen.</p> <h2>Es m&uuml;ssen nicht immer Medikamente sein</h2> <p>Patienten, die an Polyneuropathien leiden, erfahren oft einen massiven Verlust an Lebensqualit&auml;t bis zum Lebens&uuml;berdruss. Nicht medikament&ouml;se Verfahren k&ouml;nnen hier Linderung herbeif&uuml;hren. &bdquo;Neben bew&auml;hrten Medikamenten k&ouml;nnen auch spezielle physiotherapeutische Ma&szlig;nahmen oder die Hochtontherapie solche Schmerzen lindern&ldquo;, so Prim. Dr. Daniela Gattringer, Leiterin des Instituts f&uuml;r Physikalische Medizin und Rehabilitation des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern Linz.<br /> Wie etwa eine Studie<sup>4</sup> an Dialysepatienten mit medikamentenresistenter Neuropathie zeigte, l&auml;sst sich mit einer dreimal die Woche angewendeten Hochtontherapie bereits nach drei Wochen eine signifikante Wirkung erzielen. Zu &auml;hnlichen Ergebnissen kamen eine weitere in Deutschland und Rum&auml;nien realisierte Studie<sup>5</sup> sowie die bisher gr&ouml;&szlig;te Studie &ndash; bereits 2009 durchgef&uuml;hrt &ndash; mit nahezu 100 Patienten, die infolge eines Typ-2-Diabetes an Polyneuropathien<sup>6</sup> litten. &bdquo;F&uuml;r Patienten, die an oft unertr&auml;glichen Neuropathien leiden, kann die Hochtontherapie eine zweckm&auml;&szlig;ige Erg&auml;nzung des Behandlungsspektrums darstellen, weitere Studien w&auml;ren w&uuml;nschenswert&ldquo;, fasst Prim. Dr. Gattringer zusammen.</p> <h2>Opioid-Einnahme erh&ouml;ht nicht das Herz-Kreislauf-Risiko</h2> <p>In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Berichte &uuml;ber ein h&auml;ufigeres Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und akuten Herzinfarkten bei Patienten unter Opioid-Therapie wegen schwerer Schmerzen gegeben. Eine beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim vorgestellte Untersuchung<sup>7</sup> r&auml;umt jetzt diese Bedenken aus.<br /> Von J&auml;nner bis Juni 2016 wurden Patienten im Alter von mehr als 40 Jahren mit einer behandlungsbed&uuml;rftigen Angina pectoris und einer per Koronarangiografie gesicherten koronaren Herzkrankheit standardisiert befragt. &bdquo;Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass eine Opioid-Einnahme kein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r das Auftreten einer behandlungsbed&uuml;rftigen Angina pectoris darstellt&ldquo;, schlossen die deutschen Experten aus ihren Ergebnissen. M&ouml;glicherweise k&ouml;nnte der Unterschied zu Beobachtungen in anderen Staaten an niedrigeren Opioid-Dosierungen und eher zur&uuml;ckhaltender Verschreibungsweise der &Auml;rzte liegen.</p> <h2>Opioid bei neuropathischen Schmerzen nach G&uuml;rtelrose</h2> <p>Wiener Wissenschafter k&ouml;nnten eine M&ouml;glichkeit zur Nutzung eines bisher kaum bekannten Effekts einer Anwendung von Opioiden bei chronischen neuropathischen Schmerzen er&ouml;ffnet haben: Das kurz wirksame synthetische Opioid Remifentanil k&ouml;nnte bei chronischen Schmerzen vorliegende, langfristig wirksame Ver&auml;nderungen der Schmerzleitung via Nervenzellen r&uuml;ckg&auml;ngig machen.<sup>8</sup> Was zun&auml;chst in Tierversuchen erkannt wurde, haben die Experten in einer Studie bei Patienten mit Neuralgien nach Herpes zoster ebenfalls zeigen k&ouml;nnen.<br /> &bdquo;Opioide sind der Goldstandard in der Behandlung von mittleren bis schweren Schmerzen. Jetzt wurde aber im Tierversuch ein bisher nicht bekannter Effekt von Opioiden entdeckt. Sie k&ouml;nnen die bei der Chronifizierung von Schmerzen erfolgte und langfristig aufrechterhaltene &Uuml;bererregbarkeit von Nervenfasern (C-Fasern) und Synapsen zur Weiterleitung der Schmerzsignale wieder r&uuml;ckg&auml;ngig machen&ldquo;, berichtet Univ.-Prof. Dr. J&uuml;rgen Sandk&uuml;hler, Leiter des Zentrums f&uuml;r Hirnforschung der MedUni Wien. (red)</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Pressemitteilungen anlässlich der 16. Österreichischen Schmerzwochen der Österreichischen Schmerzgesellschaft </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> European Pain Federation position paper on appropriate opioid use in chronic pain management: Eur J Pain 2017; 21(1): 3-19 <strong>2</strong> Tateo S: J Am Assoc Nurse Pract 2016, DOI: 10.1002/2327-6924.12422 <strong>3</strong> Hammell DC et al: Eur J Pain 2016; 20(6): 936-48 <strong>4</strong> Strempska B et al: Clin Nephrol 2013; 79(Suppl 1): S24-7 <strong>5</strong> Klassen A et al: Clin Nephrol 2013; 79(Suppl 1): S28-33 <strong>6</strong> Humpert PM et al: Pain Med 2009; 10(2): 413-9 <strong>7</strong> Kaisler M et al: Abstract Deutscher Schmerzkongress, Oktober 2016 <strong>8</strong> Prosenz J et al: The effect of high-dose remifentanil on the reversal of neuropathic pain in post-herpetic patients. PW0295, IASP, 16th World Congress on Pain</p> </div> </p>
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