
Insomnie: Risikofaktor für psychiatrische Krankheiten
Psychiatrische Dienste Solothurn<br> Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und <br> Psychosomatik<br> Solothurn<br> E-Mail: <a href="mailto:thorsten.mikoteit@spital.so.ch">thorsten.mikoteit@spital.so.ch</a>
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Die Insomnie, also der subjektiv gestörte und nicht erholsame Schlaf mit Beeinträchtigung von Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit am Tage («insomnia disorder» nach DSM-5), ist die zweit-häufigste neuropsychiatrische Erkrankung. Nicht selten nimmt die Insomnie einen chronischen Verlauf und gilt als Risikofaktor für psychiatrische und kardiovaskuläre Erkrankungen.
Die 12-Monats-Prävalenz der Insomnie beträgt 7% und ist damit ähnlich häufig wie die der affektiven Störungen (Angststörungen: 14%, Depressionen: 6,9%). Aus psychiatrischer Sicht wird die Insomnie oft nicht separat diagnostiziert, da sie als unspezifisches Begleitsymptom bei fast allen psychiatrischen Krankheitsbildern vorkommt. Betrachtet man aber den Verlauf, so geht die Insomnie der Manifestation von psychiatrischen Krankheiten wie Depressionen oder Angststörungen oft Monate bis Jahre voraus. Die Insomnie gilt einerseits als stressassoziierte Störung, andererseits ist sie auch ein Vulnerabilitätsfaktor und schliesslich ein Schlüsselsymptom affektiver und anderer psychiatrischer Krankheiten. Aus dieser Perspektive ist es naheliegend, dass die Psychiatrie einen festen Platz in der interdisziplinären Schlafmedizin eingenommen hat.
Insomnie und Neuroplastizität
Die Erforschung des schlafenden Gehirns hat dazu beigetragen, den Schlaf als Kernfunktion und Voraussetzung mentaler Gesundheit zu verstehen. Als herausragende Erkenntnisse der letzten 20 Jahre sind zu nennen: die Bedeutung des Schlafes für die Neuroplastizität, die Wiederherstellung kognitiver Ressourcen durch den Schlaf, die Gedächtniskonsolidierung im Schlaf und die Pufferfunktion des Schlafes gegenüber Stress und negativem Affekt. Schliesslich ist der Schlaf auch aufgrund der glymphatischen Clearance eine wichtige neuroprotektive Ressource, z.B. im Sinne einer Prophylaxe vor Alzheimerdemenz.Mit diesen Erkenntnissen lässt sich besser verstehen, weshalb der chronisch gestörte Schlaf ein Risiko für psychiatrische Krankheiten ist. Die Störung von Emotions- und Gedächtnisprozessierung führt bei Stressbelastungen zu Akkumulation von negativem Affekt und begünstigt somit die Entwicklung von Depressionen und Angststörungen. Zudem schwächt die Störung der nächtlichen Regeneration neuroplastischer Ressourcen Konnektivität und kognitive Leistungsfähigkeit. Eine mangelhafte glymphatische Clearance der neuronalen Interstitialräume fördert die Neurodegeneration.
Der gestörte REM-Schlaf als Brücke zu affektiven Störungen
Während die Diagnose der Insomnie eine rein klinische ist, also nur auf der subjektiven Wahrnehmung des Patienten beruht, ist die Erforschung der zugrunde liegenden Pathophysiologie Gegenstand aktueller Forschung. Bahnbrechend war die Formulierung der Hyperarousal-Theorie von Riemann et al., die das anhaltende Hyperarousal als Grundlage der Insomnie sieht. Dies passt klinisch zur chronischen Fatigue, aber mangelnden Somnolenz, und dem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. In letzter Zeit wird die Insomnie als Störung des «Rapid eye movement»- (REM)-Schlafes aufgefasst. Typische Befunde sind ein unruhiger, instabiler REM-Schlaf, der auf eine mangelhafte Suppression des noradrenergen Locus coeruleus zurückzuführen ist. Damit wird die Amygdala im REM-Schlaf nicht ausreichend inhibiert und negative Emotionen werden im Schlaf nicht abgebaut, sondern weiter verfestigt. Dies könnte erklären, warum bei der Insomnie negative Affekte akkumulieren und der Schlaf als nicht erholsam wahrgenommen wird, selbst wenn die Schlafkontinuität objektiv nicht gravierend beeinträchtigt ist. Ein anderer Ansatz könnte eine mangelhafte REM-Schlaf-Homöostase sein, die von der Expression des Neurotrophins «brain-derived neurotrophic factor» (BDNF) abhängt. In der Tat ist die Insomnie durch einen Mangel an BDNF gekennzeichnet, wie es auch im Serum zu messen ist.
Kognitive Verhaltenstherapie als Goldstandard
Was die Therapie der Insomnie angeht, so besteht die höchste Evidenz für die kognitiv-behaviorale Therapie (engl.: CBT-I). Ein Kernelement dieser Therapie ist neben Psychoedukation und Förderung der Schlafhygiene die Restriktion der Bettzeit zur Erhöhung des Schlafdrucks und Verbesserung der Schlafeffizienz. Diese Methode gilt einer reinen Pharmakotherapie als überlegen. Herausforderung für die Versorgung ist dementsprechend aber der Aufbau eines Netzwerkes qualifizierter Therapeutinnen und Therapeuten, das der hohen Prävalenz der Insomnie gerecht werden kann. Andererseits sollte die Entwicklung digitaler Programme die Zugänglichkeit der Methode verbessern. Schliesslich stellt sich die Frage nach Therapiealternativen für Non-Responder. Abgeleitet von der Pathophysiologie der Insomnie und ihrer Subtypisierung ist auch die Entwicklung neuerer pharmakologischer und anderer Ansätze wie Stimulationsverfahren zu erwarten.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Forschung der letzten Jahre die zentrale Bedeutung der Insomnie für die Entwicklung von Psychopathologien bestätigt hat. Es ist zu hoffen, dass eine effiziente Behandlung der Insomnie auch der Vorbeugung bzw. der rascheren Remission psychiatrischer Krankheiten dient.
Literatur:
beim Verfasser