Wie macht man sich angenehm?

Die drei Religionen und die Ringparabel

Im Kurier vom 7. 12. 2023 wird berichtet, dass Bund, Länder und Sozialversicherung monatelang um die Gesundheitsreform gerungen haben. Das ist für Ärzte- und Patientenschaft interessant, hat es doch durchaus mit ihnen zu tun.

Die Ringparabel* in „Nathan der Weise“, ein Stück von Lessing aus der Zeit der Aufklärung, handelt von drei Brüdern. Der Vater der drei besaß einen wunderbaren Ring, der die geheime Kraft hatte, „vor Gott und Menschen angenehm zu machen, wer in dieser Zuversicht ihn trägt“. Der Vater wollte keinen seiner Söhne benachteiligen, ließ zwei perfekte Kopien des Ringes anfertigen, bevor er verstarb. Jeder der Söhne erbte einen der drei Ringe, die nicht voneinander zu unterscheiden waren. Sie verlangten daher von einem Richter eine Klärung, wer jetzt den echten Ring besäße. Der Richter aber erklärte ihnen, dass man das nur aus der Wirkung des Ringes erkennen könne.

Wenn also das Ringen der drei Teilnehmenden – Bund, Länder und Sozialversicherung – in die längere Geschichte der Gesundheitsreform eingebettet ist ... Wie hat sich jeder der drei bemüht, sich vor Gott und den Menschen angenehm zu machen? Welche fast religiösen Motive haben sie bewegt bzw. haben sie vor sich hergetragen?

Ein Rückblick auf die Geschichte der Ärzteschaft im Bereich der MA 17/später KAV/später Wigev zeigt, dass die Ärzteschaft vorerst ein relativ niedriges Gehalt hatte (z. B. im Vergleich zum Hanusch-Krankenhaus oder den Häusern der AUVA), aber damit gelockt wurde, dass sie eben nur wochentags bis 13 Uhr Dienst hatte und mit vier Nachtdiensten im Monat auf die verlangten 40 Stunden kam. Man hatte also vier Nachmittage in der Woche „frei“ und durfte in dieser Zeit seine Ordination betreiben – aber nur mit „kleinen“ Kassen; ein Vertrag mit der Gebietskrankenkasse war nicht erlaubt. Es war also von der Gemeinde gewünscht, eine ausreichende Bezahlung gegen Zeit, die man mit anderen Tätigkeiten gestalten konnte, abzuwiegen. Anders hätte man auch die gut ausgebildeten Ärzte nicht um billiges Geld (im Vergleich zum Ausland) bei uns halten können. Der Glaubenssatz hieß also: „Die werden/sollen froh sein, dass sie unter diesen Bedingungen bei uns arbeiten und Ordination machen dürfen.“

Jetzt aber wird der Spieß umgedreht und der Ärzteschaft genau das vorgeworfen, was von ihr erwartet worden war: dass sie den Spitalsbetrieb aufrechterhält und auch draußen für die Gesundheit sorgt; dass die Nacht- und Wochenendversorgung z. B. durch den von den Kammern selbst organisierten Ärztefunkdienst gestaltet wurde, wurde als „fringe benefit“ gerne mitgenommen, aber nie gesondert erwähnt.

Die „Drei Schatten“ von Auguste Rodin waren die Krönung seines Höllentors und stellen jene Schatten dar, die Dante auf dem Weg durch das Inferno begleiteten. Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass die drei Figuren ident sind.

Wer wird sich also vor den Menschen – Gott lasse ich in diesem Fall aus dem Spiel – am angenehmsten machen? Die Krankenkassen, die zusätzliche Arztpraxen gründen werden, die dann als Gesundheitsunternehmen gewinnorientiert hohe Leistungszahlen generieren werden? Der Bund, der sich entscheiden wird, ob er mehr oder weniger Studienplätze anbietet und wie er den Zugang zu diesen Plätzen formal regelt? Oder die Länder, die sich ausschnapsen werden, welches Kleinspital im Sinne der Ortskaiser, der sich über die Arbeitsplätze für Wähler:innen freut, vergrößert oder geschlossen werden (Glaubenssatz „Spitaler bringen Wähler“)?

Solange nicht statt der Ehrsucht und dem Machtstreben das respektvolle Miteinander der beteiligten Personen das Handeln bestimmt (Kant’scher Imperativ) – so lange wird es nicht gelingen, das Gesundheitssystem nachhaltig zu reformieren. Wenn man die Ärzteschaft nicht mit einbezieht, auch nicht.

Wie man weiß, ist der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen/Ideen gepflastert. Gerettet wird man – laut Hofmannsthals „Jedermann“ – nur durch die guten Werke.

* Eine literarische Parabel ist ein relativ kurzer Prosatext, der in eine andere Geschichte eingebunden ist und in einem Gleichnis eine Lehre vermittelt, die man aber erst selbst herausfinden darf/soll/muss.

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