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Infektiologie

Nebenwirkungen der Covid-19-Impfstoffe

Vermutlich wurde noch nie eine Impfkampagne so genau beobachtet wie die während der Covid-19-Pandemie. Neben klinischen Studien und Pharmakovigilanzmeldungen liefern zunehmend auch Analysen von Versicherungsdatenbanken oder Registern zusätzliche Sicherheitsinformationen. Die Behandlung von Impfnebenwirkungen wie Lokalreaktionen, Urtikaria, Myokarditis etc. unterscheidet sich nicht von der klassischen Therapie.

Zuerst die gute Nachricht: Die Covid-19-Impfung hält, was sie versprochen hat. Im ersten Jahr der Pandemie wurden in Europa schätzungsweise mehr als 500000 Todesfälle in der Altersgruppe der über 60-Jährigen und weltweit (185 Länder) etwa 14,4 Millionen Todesfälle verhindert.1,2 Allein in den USA konnte mit der Impfung im Zeitraum von Dezember 2020 bis Juni 2021 1,1 Millionen Spitalaufenthalten vorgebeugt werden. Auch Monate nach der Impfung sind die Personen noch sehr gut vor schweren Verläufen geschützt.

Eine gemeldete Impfnebenwirkung pro 1000 Impfdosen

Die Sicherheit von Impfstoffen wird in verschiedenen Entwicklungsphasen erfasst. Besonders wichtig sind die klinischen Phase-III-Studien mit 10000–50000 Studienteilnehmern. «Obwohl Risikopatienten wie z.B. Allergiker aus klinischen Studien ausgeschlossen sind, erhält man ein gutes Bild über die Wirkung und Sicherheit in der breiten Bevölkerung», sagte PD Dr. med. Christoph Berger vom Universitätsspital Basel. Wahrscheinlich liessen sich in den Phase-III-Studien Nebenwirkungen mit einer Häufigkeit von 1:10000–20000 bereits erkennen. Phase-IV- oder Postmarketingstudien untersuchen die Sicherheit und Effektivität nach der Marktzulassung. Eine wichtige Rolle spielen auch die Pharmakovigilanz-Meldungen über die Swissmedic. Die Daten der Arzneimittelbehörde zeigen, dass in der Zeit vom 1.1.2021 bis 22.11.2022 insgesamt 6116442 Personen mit 16734859 Impfstoffdosen gegen Covid-19 geimpft wurden. In diesem Zeitraum registrierte die Swissmedic 16212 Impfnebenwirkungen, 38% davon wurden als ernsthaft eingestuft. Am häufigsten traten Impfnebenwirkungen bei Frauen (62%) und Personen im mittleren Alter (67% waren 18 bis 67 Jahre alt) auf. Die Impfnebenwirkungen wurden zudem häufiger bei Personen beobachtet, die den Impfstoff mRNA-1273 (Spikevax®) von Moderna erhalten hatten. Ein Drittel der Meldungen erfolgte durch Ärztinnen und Ärzte. Für die übrigen Meldungen war mehrheitlich kein Gesundheitspersonal verantwortlich.4

Häufiger Hautausschläge nach Booster-Impfung

Klassische Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung sind ein schmerzhafter Arm, Allgemeinsymptome wie Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen sowie Müdigkeit. Ebenfalls häufig und für die Betroffenen unangenehmer ist ein sogenannter Covid-Impfarm oder das Auftreten einer Urtikaria. Der Covid-Impfarm wird ca. 8–12 Tage nach der 1. Impfung mit einer mRNA-Vakzine, insbesondere mit mRNA-1273 (83%), seltener nach der Impfung mit BNT162b2 (Comirnaty®) von Pfizer beobachtet (17%).5 Die Lokalreaktion ist eine Folge der adaptiven Immunantwort. Zur Behandlung wird der Arm gekühlt, zusätzlich kann eine Cortisonsalbe aufgetragen und ggf. ein Antihistaminikum verabreicht werden. Bei Schwellung und Schmerzen kann die Gabe eines Schmerzmittels indiziert sein.

Eine Urtikaria tritt in der Regel kurze Zeit nach der Impfung auf und kann von einem Angioödem begleitet werden. Die Symptome klingen innerhalb von 24 Stunden ab, können aber an einer anderen Körperstelle erneut auftreten.6,7 Eine allergologische Abklärung ist empfohlen, wenn die Symptome innerhalb von ca. 15 Minuten bis zu max. 6 Stunden nach der Impfung auftreten. Spätere Reaktionen waren in den meisten Fällen keine allergische Reaktion, sondern eine Folge des stimulierten Immunsystems. «Diese Reaktionen liessen sich vor der nächsten Impfung durch die Verabreichung eines Antihistaminikums gut behandeln», sagte Berger.

Mit dem Start der Boosterkampagne gegen Ende 2022 haben sich die gemeldeten Nebenwirkungen verändert (Tab. 1).4 Das zeigte sich auch auf der dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Basel, wo seit Januar dieses Jahres vermehrt jüngere Patienten mit ausgeprägten Urtikariaschüben aufgenommen wurden. Die Symptome treten typischerweise 8–14 Tage nach der Impfung (mRNA-1273 >BNT162b2) auf und persistieren für mindestens zwei Wochen. In einigen Fällen können sie – ähnlich einer chronischen Urtikaria – über mehrere Monate anhalten. Auffallend ist zudem die starke Facticia-Komponente, deren Spuren häufig über lange Zeit sichtbar sind. Wie bei jeder Urtikaria werden auch hier Antihistaminika zur Behandlung eingesetzt. Dabei kann das bis zu Vierfache der normalen Dosis (off-label: 2–0–2) verordnet werden. Ein bis zwei Monate nach dem Beginn sollte das Tapering begonnen werden. Bei schweren Fällen mit hohem Leidensdruck ist eine Behandlung mit Prednison (3 Tage à 50mg) möglich. Wird mit dieser Behandlung nach 6 Wochen keine ausreichende Symptomkontrolle erzielt, sollte ein Allergologe hinzugezogen und eine Behandlung mit dem Anti-IgE-Antikörper (Omalizumab) erwogen werden.

Tab. 1: Top-15-Nebenwirkungen nach Covid-19-Impfung mit mRNA-1273 (unter BNT162b2 ähnlich)4

Zu den seltenen schweren Nebenwirkungen der mRNA-Impfung gehören Allergien, anaphylaktische Reaktionen und Myokarditis resp. Perikarditis. Eine seltene schwere Komplikation der Vektorimpfung gegen Covid-19 ist die Sinusvenenthrombose.

Eine Analyse von Versicherungsdaten von 12 Millionen US-Amerikanern, die die Häufigkeit von Komplikationen wie z.B. Schlaganfall, Myokarditis, Appendizitis, Guillain-Barré-Syndrom, Immunthrombozytopenie etc. innerhalb von 21 Tagen nach der 1. oder 2. mRNA-Vakzindosis mit dem Zeitraum 21–42 Tage nach der Impfung verglich, konnte keine signifikante Zunahme zeigen.8 Die Studie bestätigte das Auftreten von Anaphylaxie als seltene schwere Nebenwirkung (5 Fälle pro 1 Million Dosen) und von Myokarditis. Letztere wurde vor allem nach der 2. mRNA-Impfung mit mRNA-1273 beobachtet (1:10000 bis 1:30000 bei <50-Jährigen). Der Verlauf war in der Regel mild, Todesfälle waren selten.8,9

Eine Zunahme der Inzidenz von Myokarditiden nach mRNA-Boosterimpfung ist nicht bekannt. Das Risiko für eine Myokarditis ist bei einer Covid-19-Erkrankung um das 7-Fache höher als nach der Impfung. Um das Risiko für eine Myo- und Perikarditis zu reduzieren, wird in der Schweiz bei Personen unter 30 Jahren bevorzugt die Impfung mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 eingesetzt. Wie bei den anderen Impfnebenwirkungen existiert auch bei Myokarditis keine spezifische Behandlung: «Die Behandlung der Myokarditis erfolgt wie sonst auch bei einer Myokarditis», so der Spezialist. Das Gleiche gelte für Personen mit einer Perikarditis nach mRNA-Impfung.

Meldung von Impfnebenwirkungen bleibt wichtig

Schwieriger zu beurteilen ist das Auftreten von seltenen unklaren, oft entzündlichen Beschwerden, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung auftreten, wie z.B. Gelenkschmerzen, Polyserositis, Polymyalgie, Autoimmunhepatitis oder das Post-Vac-Syndrom, das ähnliche Symptome wie ein Long-Covid-Syndrom hervorruft. «Diese Fälle sind schwierig einzuordnen, da es bislang keine rapportierten Signale für eine chronische Fatigue oder inflammatorische Erkrankungen nach Covid-19 Impfung gibt», sagte Berger.

Ein wichtiges Instrument, um Koinzidenz und Kausalität voneinander zu unterscheiden, sei die Pharmakovigilanz-Meldung. Die Voraussetzung für eine Meldung über das ElViS («Electronic Vigilance System») ist eine HIN(Health Info Net AG)-Adresse. Gemeldet werden sollten alle Beschwerden, die innerhalb von Stunden bis maximal 28 Tage nach der Impfung auftreten.

Bei der Auswertung der Impfnebenwirkungen erweisen sich die zum Teil fehlenden Zahlen zur Hintergrundinzidenz der beobachteten Erkrankungen als problematisch. Diese Lücke soll gemäss Berger in den nächsten Monaten geschlossen werden.

FOMF WebUp Infektiologie: Impfungen – aktuelle Themen, 26. Januar 2023

1 Margaux MM et al.: Estimated number of deaths directly averted in people 60 years and older as a result of COVID-19 vaccination in the WHO European Region, December 2020 to November 2021. Euro Surveill 2021; 26: 2101021 2 Watson OJ et al.: Global impact of the first year of COVID-19 vaccination: a mathematical modelling study. Lancet Inf Dis 2022; 22: 1293-1302 3 Mizrahi B et al.: Correlation of SARS-CoV-2-breakthrough infections to time-from-vaccine. Nature Communications 2021; 12: 6379 4 Verdachtsmeldungen unerwünschter Wirkungen der Covid-19 Impfungen in der Schweiz im Zeitraum vom 1.1.2021–22.11.2022. Abrufbar unter: www.swissmedic.ch 5 Blumenthal KG et al.: Delayed large local reactions to mRNA-1273 vaccine against SARS-CoV-2. New Engl J Med 2021; 384: 1273: 77 6 Pescosolido E et al. Clinical and immunological data from chronic urticaria onset after mRNA SARS-CoV-2 vaccines. Clin Exp Allergy 2022; 52: 1343-46 7 Bianchi L et al.: Delayed urticaria after the third dose of mRNA COVID19 vaccine: A case series. Dermatol Ther 2022; 35: e 15680 8 Klein NP et al.: Surveillance for adverse events after COVID-19 mRNA vaccination. JAMA 2021; 326: 1390-99 9 Haaf P et al.: The very low risk of myocarditis and pericarditis after mRNA COVID-19 vaccination should not discourage vaccination. Swiss Med Wkly 2021; 151: w30087

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