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Entresto: weshalb? Für wen? Wie?
Jatros
Autor:
Dr. Jakob Dörler
Universitätsklinik für Innere Medizin III, Kardiologie & Angiologie<br> Medizinische Universität Innsbruck<br> E-Mail: jakob.doerler@tirol-kliniken.at
30
Min. Lesezeit
07.09.2017
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<p class="article-intro">Im November 2015 hat die europäische Arzneimittelbehörde Entresto (Sacubitril/Valsartan) zur Therapie der systolischen Herzinsuffizienz zugelassen. Entresto ist der bisher einzige Vertreter der neuen Substanzklasse der Angiotensinrezeptor/Neprilysininhibitoren (ARNI) und in seiner Zulassungsstudie konnte eine Verringerung von Morbidität und Mortalität bei Patienten mit Herzinsuffizienz verzeichnet werden. War bislang eine reine Blockade der bei Herzinsuffizienz auftretenden neurohumoralen Aktivierung Grundprinzip unserer medikamentösen Therapie mit β-Blockern und RAAS-Hemmung, so wird dieses Prinzip durch Sacubitril/Valsartan um die Unterstützung des natriuretischen Peptidsystems erweitert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>In der Paradigm-HF-Studie konnten mit Entresto eine Reduktion des absoluten Risikos von 4,7 % und damit eine NNT von 21 für den kombinierten Endpunkt und eine NNT von 35 für die Gesamtmortalität im Beobachtungszeitraum erreicht werden.</li> <li>Die ESC empfiehlt Sacubitril/ Valsartan als Second-Line-Therapie bei Herzinsuffizienz mit eingeschränkter systolischer Pumpfunktion (EF ≤35 % ) und anhaltender symptomatischer Herzinsuffizienz trotz optimierter medikamentöser Therapie mit ACE-I/ ARB, β-Blocker und MRA (Klasse I, LOE B).</li> <li>Amerikanische Fachgesellschaften sehen den ARNI sogar als First Line.</li> <li>Bei der Umstellung von Patienten, die sich grundsätzlich für eine Therapie mit Sacubitril/Valsartan qualifizieren, ist ein schrittweises Überleiten vom ACE-Hemmer oder dem ARB auf den ARNI empfohlen.</li> </ul> </div> <h2>Neues Therapieprinzip</h2> <p>Das adaptive System der natriuretischen Peptide ist natürlicher Konterpart der verstärkten neurohumoralen Aktivierung und dient der Kardioprotektion durch Reduktion von Sympathikotonus, Vasokonstriktion, Hypertrophie sowie Fibrose und Steigerung der Natriurese. Die neurohumorale Modulation mit Hemmung der maladaptiven und Unterstützung der adaptiven und damit kardioprotektiven Regulationsmechanismen kann somit als neues Therapieprinzip angesehen werden.</p> <h2>PA RADIGM-HF-Studie</h2> <p>PARADIGM-HF untersuchte die Wirksamkeit von Sacubitril/Valsartan gegenüber Enalapril bei 8442 Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz NYHA II–IV und hochgradig reduzierter systolischer Linksventrikelfunktion. Dabei wurde Sacubitril/Valsartan in der Dosierung 97mg/103mg zweimal täglich mit Enalapril 10mg zweimal täglich über einen mittleren Behandlungszeitraum von 27 Monaten verglichen, bis die Studie aufgrund der Überlegenheit der Studienmedikation vorzeitig abgebrochen werden musste. PARADIGM-HF zeigte nicht nur eine hoch signifikante Reduktion des primären, kombinierten Endpunktes aus kardiovaskulärem Tod und Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz um 20 % (p<0,0001), sondern jeweils auch eine signifikante Reduktion der sekundären, nicht kombinierten Endpunkte Gesamtmortalität, kardiovaskulärer Tod und Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz zwischen 16 und 21 Prozent. Auffällig ist darüber hinaus eine bereits wenige Tage nach Randomisierung auftretende Reduktion des Auftretens von plötzlichem Herztod. Im Besonderen besticht die Studie durch ihr hohes Signifikanzniveau und damit, dass die Ergebnisse für alle relevanten Subgruppen, wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, Diabetes, Nierenfunktion oder Krankheitsdauer, gelten. Mit Sacubitril/ Valsartan konnte eine Reduktion des absoluten Risikos von 4,7 % und damit eine NNT von 21 für den kombinierten Endpunkt und eine NNT von 35 für die Gesamtmortalität im Beobachtungszeitraum erreicht werden.<br /> Neben der hervorragenden Wirksamkeit zeichnet sich Sacubitril/Valsartan auch durch ein günstiges Nebenwirkungsprofil aus. Es kam seltener zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion oder einer Hyperkaliämie und auch das unter der Vorläufersubstanz Omapatrilat noch häufig aufgetretene Angioödem war insgesamt selten (<0,5 % ) und traf beide Gruppen gleichermaßen. Unter Sacubitril/ Valsartan kam es lediglich häufiger zu symptomatischer Hypotonie (14,0 % vs. 9,2 % , p<0,001). Wenngleich es theoretische Bedenken hinsichtlich eines vermehrten Auftretens von Demenz durch Amyloidablagerungen im Gehirn gab (Neprilysin ist in den Abbau von Amyloidpeptiden involviert), so kam es zumindest im Beobachtungszeitraum nicht zu einem gehäuften Auftreten von mit Demenz assoziierten unerwünschten Ereignissen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Langzeitdaten diesbezüglich noch ausständig sind.</p> <p><strong>Entresto reduziert Morbidität sowie Mortalität und scheint sicher</strong><br /> Basierend auf den Daten der PARADIGMHF- Studie empfiehlt die ESC Sacubitril/ Valsartan als Second-Line-Therapie bei Herzinsuffizienz mit eingeschränkter systolischer Pumpfunktion (EF ≤35 % ) und anhaltender symptomatischer Herzinsuffizienz trotz optimierter medikamentöser Therapie mit ACE-I/ARB, β-Blockern und MRA (Klasse I, LOE B), während die amerikanischen Fachgesellschaften den ARNI sogar als First Line anstelle von ACE-I/ARB sehen.</p> <h2>Entresto für wen?</h2> <p>In die PARADIGM-HF-Studie wurden Patienten mit hochgradig reduzierter systolischer Linksventrikelfunktion (EF ≤35 % ), klinisch manifester Herzinsuffizienz sowie erhöhten natriuretischen Peptiden trotz optimierter medikamentöser Therapie eingeschlossen. Die Patienten befanden sich großteils im NYHA-Stadium II und III und hatten zu 60 % eine ischämische Kardiomyopathie. Mit einem mittleren Alter von 63,8 Jahren waren die Patienten verglichen mit der täglichen Praxis wohl relativ jung, jedoch war die Altersverteilung denen in anderen Herzinsuffizienzstudien durchaus ähnlich. Auffallend war ein Anteil von gut 15 % , der trotz dieser Konstellation nicht mit einem ICD versorgt war. Auch war der mittlere Blutdruck mit 121 beziehungsweise 122mmHg in den Therapiegruppen relativ hoch. Eine Niereninsuffizienz im Stadium IV (GFR <30ml/min/1,73m²) war Ausschlussgrund und es wurden auch kaum Patienten mit mäßiger Nierenfunktionseinschränkung eingeschlossen (Kreatinin im Mittel 1,1 ± 0,3mg/dl).<br /> Ungeachtet dessen konnte der erhebliche Vorteil der Therapie mit Sacubitril/ Valsartan gegenüber Enalapril für alle klassischen Subgruppen beobachtet werden. Auffallend war lediglich eine numerisch signifikante Interaktion des NYHAStadiums mit dem kombinierten Endpunkt zugunsten der niedrigen NYHA-Stadien. Hinsichtlich der kardiovaskulären Mortalität war diese Interaktion nicht zu beobachten und der Vorteil bestand unabhängig von den NYHA-Stadien.<br /> Basierend auf den Studienergebnissen sollte bei allen Patienten mit hochgradig reduzierter systolischer LV-Funktion und anhaltender Symptomatik trotz optimierter Therapie an einen ARNI gedacht werden. Im Besonderen profitieren Patienten in den NYHA-Stadien II und III mit ausreichender „Blutdruckreserve“. Aufgrund des rasch nach Therapiebeginn zu beobachtenden positiven Effektes hinsichtlich des plötzlichen Herztodes könnten Patienten mit iCMP gerade auch dann profitieren, wenn sie eine primärprophylaktische ICDImplantation aus persönlichen Gründen ablehnen. Demgegenüber ist bei Patienten mit Hypotonieneigung, relevanter Nierenfunktionseinschränkung sowie bei gebrechlichen und insbesondere bei instabilen Patienten Vorsicht geboten.</p> <h2>Entresto wie?</h2> <p>Ein wichtiges Merkmal der PARADIGM- HF-Studie war die Run-in-Phase, in welcher die Verträglichkeit von schrittweise gesteigerten Dosierungen beider Studienmedikamente getestet wurde. Während dieser Beobachtungsphase kam es aufgrund von Nebenwirkungen zu einem Drop-out von 20 % der primär für die Studie untersuchten Patienten. Wenngleich sich die Drop-outs mit jeweils ca. 10 % gleichermaßen auf beide Therapiegruppen verteilten, so muss man sich dieser Selektion in der täglichen Praxis gerade beim Start mit Sacubitril/Valsartan sehr wohl bewusst sein. Die häufigsten klinischen Ursachen für ein Ausscheiden vor der Randomisierung oder während der Studienphasen waren Hypotonie, eine relevante Verschlechterung der Nierenfunktion sowie Hyperkaliämie.<br /> Bei Patienten, die grundsätzlich für eine Therapie mit Sacubitril/Valsartan infrage kommen, wird daher ein schrittweises Überleiten von einem ACE-Hemmer oder ARB auf den ARNI empfohlen. Besonders hervorzuheben ist aufgrund des erhöhten Risikos für das Auftreten eines Angioödems die Notwendigkeit einer Wash-out- Periode von 36h beim Wechsel von einem ACE-Hemmer auf Sacubitril/Valsartan. Diese Wash-out-Periode ist bei vorbestehender Therapie mit einem ARB nicht erforderlich. Bei niedrig dosierter Vortherapie mit ACEI/ ARB ist die Anfangsdosis für Entresto 24/26mg zweimal täglich. Während der Auftitrierung auf die Zieldosis von zweimal täglich 97/103mg sollte zur besseren Verträglichkeit die Dosis nicht schneller als in zwei- bis vierwöchigen Abständen verdoppelt werden. Begleitend sind ein Selbstmonitoring des Blutdrucks durch den Patienten sowie Laborkontrollen notwendig. Besondere Vorsicht ist aufgrund der stärkeren Blutdrucksenkung verglichen mit Enalapril oder Valsartan bei grenzwertiger Hypotonie (RR <110mmHg systolisch), aber auch bei vorbestehender Niereninsuffizienz ab einem Stadium IIIB (GFR <45ml/min/1,73m²) geboten. Für Patienten mit chronischer Nierenfunktionsstörung ab dem Stadium IV bestehen nur sehr begrenzte klinische Daten. Ein Therapiestart, ohne dass eine Therapie mit ACE-I/ARB vorangegangen wäre, kann ab diesem Stadium nicht empfohlen werden.</p> <p><strong>NT-proBNP, nicht BNP als Marker</strong><br /> Eine weitere Besonderheit der Therapie mit dem ARNI ist das gegenläufige Verhalten der Serumspiegel von BNP und NTproBNP. Während die BNP-Werte unter dem ARNI aufgrund des verminderten Abbaus durch die Neprilysinhemmung ansteigen, so kommt es durch die Stabilisierung der Herzinsuffizienz gleichzeitig zu rückläufigen NT-proBNP-Werten. Unter Sacubitril/ Valsartan eignet sich somit nur der NTproBNP- Serumspiegel als Marker.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1703_Weblinks_kardio_1703_s10_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="875" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1703_Weblinks_kardio_1703_s10_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="761" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Sacubitril/Valsartan reduziert bei stabilen Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz und hochgradig reduzierter systolischer Linksventrikelfunktion die Zahl der Krankenhausaufnahmen und verringert die kardiovaskuläre Mortalität (–21 % bzw. –20 % ). Entresto ist verglichen mit ACE-Hemmern und Rezeptorblockern ebenso sicher und kann als weiterer Eckpfeiler der medikamentösen Herzinsuffizienztherapie gesehen werden. Die ESC empfiehlt Sacubitril/Valsartan daher anstelle eines ACE-I oder ARB bei Patienten mit hochgradig reduzierter systolischer Pumpfunktion und symptomatischer Herzinsuffizienz trotz optimierter Therapie mit β-Blockern, ACE-I/ARB und MRA (Klasse I, LOE B).</p> </div></p>
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