
Wie gut und wie lange wirken Impfungen gegen SARS-CoV-2?
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Eine am 17. Mai 2021 in „Nature Medicine“ erschienene Studie demonstriert mit mathematischen Modellen die wahrscheinliche Wirksamkeit von Impfungen gegen Covid-19 und kommt zu durchaus erfreulichen Ergebnissen. Lesen Sie im Folgenden die wichtigsten Punkte daraus.
Keypoints
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Neutralisierende Antikörper (nAK) stellen das wesentliche Schutzkorrelat nach Impfung gegen SARS-CoV-2 dar.
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Für eine Schutzwirkung von 50% genügen ca. 20% jener nAK-Spiegel, die bei Rekonvaleszenten erreicht werden.
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Für einen 50-prozentigen Schutz gegen schwere Verläufe genügen aber 3% dieser nAK-Spiegel.
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Die Impfeffektivität nach 250 Tagen hängt nichtlinear von der ursprünglichen Effektivität ab; ähnlich ist es mit der Wirkung gegen Mutanten.
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Die Daten lassen darauf schließen, dass bei einem signifikanten Anteil der gegen SARS-CoV-2 Geimpften selbst ohne Auffrischung ein langfristiger Schutz gegen schwere Verläufe bestehen könnte.
Die durch SARS-CoV-2 ausgelöste Pandemie hat global eine nichtimmune Bevölkerung getroffen, wie es in einer Studie heißt, die vor Kurzem erst im renommierten „Nature Medicine“ erschienen ist.1 Die Immunantwort auf die Infektion mit diesem Virus oder auf eine Impfung dagegen und das Ausmaß der Schutzwirkung, die daraus resultiert, sind Gegenstand der rezenten Arbeit.
Bisherige Daten zeigten, dass von Covid-19 genesene Personen zu 89% vor Reinfektion geschützt sind („incidence rate ratio“ = 0,11).2 Die Effektivitätsraten der Impfungen gegen Covid-19 liegen, je nach Vakzine und untersuchter Population, zwischen 50 und 95%.3 Allerdings war bisher unklar, wie lange die Immunität anhält, insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass zunehmend neue, mutierte Varianten von SARS-CoV-2 zirkulieren, gegen die möglicherweise die aktuell verfügbaren Impfungen nicht gleich gut schützen wie gegen den Wildtyp des Virus.4
Was ist das Schutzkorrelat?
Die Herausforderung besteht nun zunächst darin, das korrekte Schutzkorrelat zu definieren, d.h. herauszufinden, welcher Parameter in welcher Höhe vorhanden sein muss, um welche Schutzwirkung zu gewährleisten. Am Beispiel der Influenza: Hier hat sich über viele Jahre erwiesen, dass ein Titer von 1:40 im Hämagglutinations-Inhibitions-Test (HAI) einen Schutz von 50% vor einer Influenzainfektion bedeutet.1
Die bisherige Evidenz deutet darauf hin, dass – auch wenn T- und B-Memoryzellen zweifellos eine gewisse Rolle spielen – das wesentlichere Schutzkorrelat das Vorhandensein von neutralisierenden Antikörpern (nAK) gegen SARS-CoV-2 darstellt. So kann im Tierversuch der passive Transfer solcher Antikörper eine schwere Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern.1
Allerdings stößt die Analyse hier auf mehrere Schwierigkeiten: Einerseits wurden verschiedene Assays verwendet, um die Titer der nAK zu messen, andererseits waren auch die Definitionen von Infektion, Abheilung bzw. Remission uneinheitlich. In der vorliegenden Arbeit wurden deshalb mit entsprechenden mathematischen Methoden die nAK-Titer aus acht Impfstoffstudien und einer Rekonvaleszenzstudie so gut es ging vergleichbar gemacht. Neben den vier zugelassenen Impfstoffen (Biontech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca und Janssen) betrafen die anderen Impfstoffstudien die Vakzinen von Novavax, Sputnik, Sinovac und Bharat Biotech.1
Effektivitätsprognose möglich
Dann wurden im Wesentlichen die nAK-Titer mit den in Phase-III-Studien publizierten Schutzwirkungen der jeweiligen Impfstoffe in Relation gesetzt. Trotz der vorhandenen Inkonsistenzen fand sich eine bemerkenswert starke, nichtlineare Beziehung zwischen mittleren Spiegeln von nAK und der Effektivität der jeweiligen Vakzine (Abb. 1). Mithilfe weiterer mathematischer Modelle wurde (auch unter Einbeziehung des genannten Influenzabeispiels) zunächst errechnet, welches Niveau an nAK einer 50-prozentigen Schutzwirkung entspricht. Dies waren ca. 20% des bei Patienten nach durchgemachter Covid-19-Erkrankung im Mittel vorhandenen nAK-Spiegels. Mit einer etwas anderen Berechnungsmethode kam man auf einen Wert von 28%.1
Es zeigte sich, dass diese mathematischen Modelle imstande sind, aus den vorhandenen nAK-Spiegeln auf die Effektivität eines Impfstoffs zu schließen.1
Abb. 1: Verhältnis zwischen Neutralisationslevel und Infektionsschutz (modifiziert nach Khoury et al. 2021)1
Wie lange hält die Immunität an?
Die nächste Frage ist, wie lange die Immunität gegen SARS-CoV-2 anhält. Bisherige Daten haben gezeigt, dass die nAK-Spiegel nach durchgemachter Infektion in den folgenden acht Monaten deutlich abnehmen. Von größter Bedeutung ist aber, ob sich dies nach der Impfung ebenso verhält wie nach natürlicher Infektion. Dazu wurden nun Daten im Zeitverlauf aus Rekonvaleszenz- und Impfstoffstudien miteinander verglichen. Nach bisherigen Analysen scheinen die Halbwertszeiten (HWZ) der nAK bei natürlichem Verlauf und nach der Impfung mit mRNA-Impfstoffen vergleichbar zu sein; die HWZ lag nach der Impfung bei 65, nach der Infektion bei 58 Tagen.1
Wenn nun die Beziehung zwischen nAK-Spiegel und Schutzwirkung der Impfung definiert und die Rate der nAK-Abnahme bekannt ist, sollte es möglich sein, die Dauer der Schutzwirkung einer Impfung zu berechnen. Allerdings weisen die Autoren darauf hin, dass es dabei einige Caveats zu beachten gibt: Zum einen wird hier nur die Schutzwirkung der nAK, nicht aber jene der zellulären Immunität betrachtet; es ist aber nicht klar, ob Letztere nicht länger besteht, und auch nicht, ob sie sich nach der Impfung und nach natürlicher Infektion gleich verhält. Außerdem werden hier zum Teil Daten der natürlichen Rekonvaleszenz auf das Verhalten nach der Impfung übertragen. Schließlich ist auch nicht sicher, ob der Verlauf des nAK-Abfalls bei jedem Ausgangstiter gleich ist.1
Nichtlineare Effekte
Aus all diesen Daten errechneten die Autoren, dass es eine nichtlineare Beziehung zwischen Ausgangsschutz und der 250 Tage nach der Impfung noch vorhandenen Schutzrate geben müsste. Diese würde bei einer Ausgangseffektivität von 95% am Tag 250 noch 77% betragen, bei einer Ausgangseffektivität von 70% jedoch nur 33%.1
Ganz ähnlich verhält sich diese nichtlineare Beziehung auch, was das Verhältnis der Effektivität beim Wildtyp und bei mutierten Virusvarianten, wie z.B. B.1.351 („südafrikanische Variante“), betrifft. Auch hier würde eine 95-prozentige Wirksamkeit gegen den Wildtyp einer 77-prozentigen Wirksamkeit gegen B.1.351 entsprechen, eine 70-prozentige Wirksamkeit gegen den Wildtyp würde jedoch nur zu einer 32-prozentigen Wirksamkeit gegen die südafrikanische Variante führen.1
Mehr Schutz gegen schwere Verläufe
Die Analysen zeigen ein weiteres, sehr wichtiges Ergebnis: Der notwendige nAK-Spiegel, um schwere Verläufe von Covid-19 mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% zu verhindern, liegt nicht bei 20%, sondern nur bei 3%, ist also wesentlich niedriger als jener für einen allgemeinen Infektionsschutz. Auch hier gilt nochmals das Caveat, dass vielleicht die zelluläre Immunität eine wichtige Rolle spielt.1
Rückschlüsse von Impfdaten von anderen Erregern lassen außerdem den Schluss zu, dass sich die initial stärkere Abnahme der schützenden Immunität nach einer gewissen Zeit stabilisiert, sodass man eine langfristige Schutzwirkung zumindest gegen schwere Verläufe von Covid-19 für einen signifikanten Prozentsatz der Geimpften annehmen darf.1
Literatur:
1 Khoury DS et al.: Nat Med 2021; doi: 10.1038/s41591-021-01377-8 2 Lumley SF et al.: N Engl J Med 2021; 384(6): 533-40 3 Kim JH et al.: Nat Med 2021; 27(2): 205-11 4 Wang P et al.: Nature 2021; 593(7857): 130-5
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