
Faster on the track: das Suchen und Finden von von Aids bedrohten Menschen
Autor:
Dr. Hartmut Stocker
Klinik für Infektiologie
St.-Joseph-Krankenhaus, Berlin
E-Mail: hartmut.stocker@sjk.de
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Viele Großstädte haben es sich zum Ziel gesetzt, von Aids bedrohte Menschen zu suchen, zu finden und zu behandeln. Verschiedene Teststrategien wurden dazu in den letzten Jahren mit mehr oder weniger Erfolg entwickelt. Am Beispiel Berlin werden die unterschiedlichen Teststrategien präsentiert und diskutiert sowie das Konzept der Bereitstellung universeller Testangebote erörtert.
Keypoints
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Das globale Bündnis „Fast-Track Cities Initiative“ hat es sich zum Ziel gesetzt, eine aidsfreie Welt zu erreichen.
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Die größte Hürde dabei ist, undiagnostizierte HIV-infizierte Menschen zu identifizieren.
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Meist stehen emotionale Gründe einer „patient-initiated“ HIV-Testung im Weg.
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Das indikatorgetriggerte Testen in Gesundheitseinrichtungen scheitert oft an der Unkenntnis von gängigen HIV-Indikatoren.
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Universelle HIV-Testangebote werden von Patienten akzeptiert und könnten bei entsprechender Finanzierung zum Erfolg führen.
Im Jahr 2019 war die Vision, Aids auf unserem Globus zu eliminieren, in greifbare Nähe gerückt. Die Pandemie mit SARS-CoV-2 trübt die Aussichten, aus dieser Vision eine Realität zu machen, und trotzdem sollten wir uns weiter dafür einsetzen.
In Berlin leben knapp 2600 Menschen mit HIV, die nichts von ihrer Infektion wissen, keine Therapie einnehmen oder keine funktionierende Therapie einnehmen. Die Förderung des durch Patienten initiierten Testens hat sich in den letzten Jahrzehnten als die erfolgreiche Strategie im Kampf gegen Aids erwiesen. Diese Strategie hat jedoch ihre Grenzen. Health-Care-Provider-initiierte Testangebote sind eine Erfolgversprechende Ergänzung der etablierten Testlandschaft, mit deren Hilfe die Anzahl der undiagnostizierten HIV-infizierten Menschen in Mitteleuropa weiter gesenkt werden könnte.
Dieser Text versteht sich als Überblick über Teststrategien. Er soll das Für und Wider der einzelnen Ansätze diskutieren und die Evidenz kursorisch darstellen. Er soll auch ein Plädoyer sein, die vorhandene und sehr erfolgreiche Testlandschaft um universelle Testangebote zu ergänzen.
Hintergrund
In Berlin lebten Ende 2019 ca. 16800 Menschen mit HIV-Infektion. Rund 85% dieser Menschen waren durch eine antiretrovirale Therapie (ART) zuverlässig vor Aids geschützt. 15% der mit HIV infizierten Menschen nahmen keine oder keine suffiziente ART ein. Das sind etwa 1700 Menschen mit undiagnostizierter HIV-Infektion, 400 Menschen mit diagnostizierter HIV-Infektion ohne ART und 500 mit ART ohne suffiziente Virussuppression. Alle drei Gruppen haben eine inakzeptabel hohe Morbidität und Mortalität, verursacht sowohl durch HIV-assoziierte als auch durch nichtHIV-assoziierte Erkrankungen.1–6
In Europa werden rund 50% der Patienten mit undiagnostizierter HIV-Infektion spät im Infektionsverlauf (d.h. mit CD4+-T-Zell-Zahlen von <350/µl und/oder Manifestation von aidsdefinierenden Erkrankungen) getestet.7–11 Diese Menschen werden als Late Presenter bezeichnet.12 Leider hat sich dieser Begriff etabliert, obwohl er semantisch die Verantwortung für die späte Diagnosestellung den Patienten aufbürdet. Dies trifft allerdings in der Realität nicht zu, weil viele dieser Patienten im Vorfeld der Diagnosestellung wiederholt Einrichtungen des Gesundheitswesens mit Anzeichen einer HIV-Infektion aufsuchen, bei diesen Gelegenheiten aber zu selten ein Testangebot erhalten.13,14 Vielleicht wäre es deshalb angemessener, von Menschen mit spät gestellter Diagnose zu sprechen.
HIV-infizierte heterosexuelle Frauen und Männer, Spritzdrogengebraucher, Migranten und Menschen, die älter als 50 Jahre sind, haben ein überdurchschnittlich hohes Risiko für eine Late Presentation.5,7,9,10,14
Per definitionem werden Menschen mit HIV-Diagnose ohne ART bzw. Menschen mit Diagnose und ART, aber ohne suffiziente Virussupression nicht als Menschen mit Late Presentation klassifiziert. Die Tatsache, dass ihre HIV-Infektion lange bekannt ist, schließt sie aus dieser Kategorie aus, obwohl sie —und das ist das Fatale — ebenso Gefahr laufen, aidsdefinierende Erkrankungen zu entwickeln. Es versteht sich von selbst, dass wir uns auch um diese Menschen aktiv bemühen müssen.
Wer sind diese Menschen? Es sind Patienten mit diagnostizierter HIV-Infektion, die keinen Zugang zu einer antiretroviralen Therapie finden oder eine insuffiziente Therapie einnehmen. Sie befinden sich mitunter nicht in der Obhut von Infektiologen und laufen dadurch Gefahr, trotz der bekannten HIV-Diagnose schwer zu erkranken oder gar zu versterben. Viele von ihnen haben keinen Zugang zur Versorgungsstruktur oder lassen sich aus unterschiedlichen Gründen nicht dauerhaft einbinden. Auch diese Menschen suchen Einrichtungen des Gesundheitswesens (mit und ohne Anzeichen einer HIV-Infektion) auf und erhalten dort — häufig wiederholt — kein Angebot zur Anbindung an die Versorgungsstruktur.
Die 95-95-95-0-Ziele
Das Joint United Nations Programme on HIV/AIDS (UNAIDS) hat 2014 die Vision formuliert, die Aidsepidemie global zu beenden. Der Weg dorthin ist durch die Zahlenfolge 95-95-95-0 vorgegeben. Diese benennt die vier Wegmarken, die zu bewältigen sind, um in einer aidsfreien Welt anzukommen (Abb. 1).
Fast-Track Cities Initiative
Die Fast-Track Cities Initiative wurde 2014 ins Leben gerufen, um weltweit Metropolen bei ihren Bemühungen zu unterstützen, das ausgerufene Ziel einer aidsfreien Welt zu erreichen. Sie ist ein globales Bündnis von Städten und den vier Kernpartnern: International Association of Providers of AIDS Care (IAPAC), Joint United Nations Programme on HIV/AIDS (UNAIDS), United Nations Human Settlements Programme (UN-Habitat) und der Stadt Paris. Berlin ist mit der 2016 geleisteten Unterschrift des regierenden Bürgermeisters Michael Müller der Initiative beigetreten. In der Folge des Beitritts wurden verschiedene Projekte im Rahmen der Fast-Track Cities Initiative angeschoben. Allerdings hapert es noch mit Initiativen, die sich jenseits der klassischen Testangebote um eine alternative Suche nach Menschen mit undiagnostizierter HIV-Infektion bemühen. Es hapert an den ersten 95%, der ersten Säule der Behandlungskaskade (die Säule, die den Anteil der HIV-infizierten Menschen mit undiagnostizierter HIV-Infektion beziffert). Global gesehen ist dies die größte Hürde auf dem Weg zu einer aidsfreien Welt,15 und auch Berlin ist keine Ausnahme. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam einen Blick auf die aktuelle Testlandschaft werfen:
Teststrategien
„Patient-initiated“
Einen HIV-Test eigeninitiativ durchführen zu lassen, setzt die Bereitschaft voraus, eine Reihe von Barrieren zu überwinden. Viel Arbeit ist in den letzten Jahren von Selbsthilfeorganisationen, Beratungsstellen, Gesundheitsbehörden und medizinischen Einrichtungen geleistet worden, um diese Barrieren abzusenken. Die Dean Street Clinic in London als Prototyp und die von dieser Institution inspirierten Checkpoints in vielen Großstädten sind erfolgreiche Beispiele für ein maximal niederschwelliges Testangebot. Eine Barriere bleibt jedoch von diesen Angeboten unberührt: Die Initiative zum Test muss von den Patienten selbst ausgehen („patient-initiated testing“).
Welche Gründe halten Menschen vom Test ab? Jeder, der sich selbst schon einmal vorgenommen hat, einen HIV-Test machen zu lassen, kennt das mulmige Gefühl, das sich bei dem Gedanken einstellt, und so mancher lässt sich von diesem Gefühl davon abschrecken, den Schritt zu tun, oder findet Gründe, noch ein bisschen zu warten. Andere wiederum sehen gar keine Veranlassung zu einem Test, weil sie nicht im Traum daran denken, ein Risiko für eine HIV-Infektion haben zu können.
„Provider-initiated“, indikatorgetriggert
Wie können wir Menschen erreichen, die sich nicht trauen oder die sich nicht „at risk“ sehen? Um diese Frage zu beantworten, will ich von einer Patientin berichten, die sich so oder in abgewandelter Form seit vielen Jahren in infektiologischen Kliniken vorstellt. Ärztinnen und Ärzte, die sich auf die Versorgung von Menschen mit Aids spezialisiert haben, kennen diesen prototypischen Fall einer jungen Frau aus Ghana (einem Land mit einer HIV-Prävalenz von >1%), die mit einem depressiven Stupor in eine Klinik für Psychiatrie eingewiesen wird. Im vorangegangenen Jahr war sie wegen eines Zervixkarzinoms in einer anderen Klinik behandelt worden. Erst nach vielen Tagen wird wegen einer Anisokorie eine Bildgebung des Gehirns veranlasst, die multiple, ringförmig kontrastmittelanreichernde Herde mit raumforderndem Umgebungsödem zeigt (Abb. 2). Sie hatte eine Toxoplasmenenzephalitis (auch zerebrale Toxoplasmose, eine aidsdefinierende Erkrankung).
Mal kommen die Patienten nach Hirnbiopsie zu uns, mal sind sie der Biopsie entronnen, gemeinsam ist ihnen, dass die Möglichkeit einer HIV-Infektion viel zu spät in Betracht gezogen wurde und damit zahlreiche Gelegenheiten zum Test ungenutzt verstrichen. Diese Krankengeschichten waren vor mehr als zehn Jahren Anlass dazu, das Konzept der HIV-Indikatoren zu entwickeln. HIV-Indikatoren sind Erkrankungen, Symptome, Zeichen und Laborwertveränderungen, die auf eine HIV-Infektion hinweisen könnten, bevor eine aidsdefinierende Erkrankung aufgetreten ist. Einige Klassiker sind der Herpes Zoster, die seborrhoische Dermatitis oder die Soorstomatitis bzw. Soorösophagitis (Abb. 3).
Der Titel „Indicator disease-guided testing for HIV — the next step for Europe?“ der ersten großen Zusammenstellungen von möglichen HIV-Indikatoren war als rhetorische Frage gemeint.17 Die Autoren postulieren, dass die HIV-Prävalenz bei Menschen mit den aufgelisteten Indikatoren über 0,1% liege, einem Wert, der die Schwelle zur Kosteneffizienz darstellt.17–20
Zwei große Studien, HIDES I und HIDES II, haben das Konzept in der Folge validiert und Indikatoren mit einer HIV-Prävalenz, die über dieser Schwelle liegt, identifiziert. Eine weitere Studie aus Dänemark ergänzte die Datenlage.21–23
Das indikatorgetriggerte Testen scheint also zu funktionieren. Man muss nur die Kunde verbreiten und die Testrate wird ansteigen, das jedenfalls ist die Idee, deren Realitätstauglichkeit mal nachgewiesen, aber auch mal nicht nachgewiesen werden konnte.24,25
Wir als Anwälte von Menschen mit HIV-Infektion müssen uns in diesem Zusammenhang klar machen, dass HIV und Aids in Mitteleuropa im Verhältnis zum Rest der Medizin ein marginales (oder marginalisiertes) Phänomen ist und dass der Fokus der ärztlichen Aufmerksamkeit — selbst ohne Pandemie — seit einigen Jahren nicht mehr auf unsere Bühne gerichtet ist. Die Kunde verbreiten ist eine Sache, aber wie viele Ärzte von der Kunde Notiz nehmen werden, ist eine andere. Eine Studie aus der Schweiz zeigt, dass mehr als 80% der Ärzte in Notaufnahmen keine Kenntnis von HIV-Indikatoren haben.26 Diese Ärzte zu schulen, ist somit unsere Aufgabe.
Wie ist aber das Verhältnis von Schulenden und zu Schulenden? In Berlin gibt es ca. 27 Einrichtungen des ambulanten und stationären Gesundheitswesens, die sich der Versorgung von Menschen mit HIV-Infektion verschrieben haben. In Berlin gibt es ca. 23000 bei der Kammer registrierte Ärzte, die es zu sensibilisieren gilt. Das ist ein dickes Brett, das wir als HIV-Community seit 2008 noch nicht durchgebohrt haben.
Und selbst nach intensiver Schulung werden in mehr als der Hälfte der Fälle von den Eingeweihten die Chancen zum Testen verpasst.27 Das Thema HIV ist einfach unangenehm, und wir Ärzte sind auch nicht anders als die übrige Bevölkerung und tun uns schwer, über Sexualität und eine mit mannigfaltigen Stigmata belegte Erkrankung zu reden. HIDES I und HIDES II zeigen zwar, dass die Rate an HIV-Neudiagnosen hoch ist, wenn auf einen erkannten Indikator ein Test folgt. Auf wieviele vorhandene Indikatoren kein Test folgte, steht allerdingsnicht in den Publikationen. Und es gibt noch einen weiteren Pferdefuß beim indikatorgetriggerten Testen: Auch wenn viele Patienten sich vor ihrer Late Presentation mit einem Indikator vorstellen, so stellt sich doch die Mehrheit der Patienten zuvor nicht mit typischen Indikatoren vor und hat damit auch keine Chance auf ein indikatorgetriggertes Testen. Oder wie es in einem Artikel zu einer Studie aus Lausanne formuliert ist: „Their LP (Late Presentation) may be their only presentation.“13
Aus all diesen Gründen beschleichen mich Zweifel, ob wir wirklich nur dieses Pferd ins Rennen schicken sollten oder ob wir nicht über eine Ergänzung innerhalb der Provider-initiierten Testsegmente nachdenken müssen: universelle Testangebote. Testangebote, die alle Menschen bekommen, die sich in einer Einrichtung des Gesundheitswesens vorstellen, unabhängig vom Grund der Vorstellung.
„Provider-initiated“, universell
Universelles Testen, Screening. Düsterbesetzte Worte. Sie klingen in den Ohren derjenigen, die in den Anfangsjahren der HIV-Pandemie zum Wohle der Patienten nach den richtigen Wegen aus der Krise gesucht haben, nach Massenuntersuchung. Und zu Recht haben deshalb insbesondere die Selbsthilfeorganisationen in Bezug auf universelle Testangebote gemischte Gefühle. Das ist nachvollziehbar, wenn man sich in Erinnerung ruft, welche Konsequenzen die Durchführung eines Tests in den Jahren vor der Zulassung von einigermaßen vernünftigen Medikamenten hatte: Stigmatisierung und ansonsten leere Hände. Die Idee, massenweise zu testen, hatte also einen reinen Public-Health-Aspekt.
Heute ist die Situation ganz anders und ich will jetzt nicht die modernen Therapieoptionen bemühen. Stattdessen will ich noch einmal auf die Zahlen am Beispiel von Berlin schauen. Wir bemühen uns um ca. 1700 Menschen, die von ihrer HIV-Infektion nichts wissen. Das sind 0,05% der Einwohner der Stadt. Der Nutzen für die öffentliche Gesundheit fällt angesichts dieser Zahl — so zynisch das auch klingen mag — kaum ins Gewicht. Vielmehr ist es die Absicht, dem Individuum die Chance zu geben, ihre oder seine Aidserkrankung abzuwenden.
Wo könnten universelle Testangebote sinnvoll sein?
Beim DÖAK habe ich auf provokative Weise auf die Prätestwahrscheinlichkeit hingewiesen, die eine universelle Teststrategie leiten könnte. Es ist nicht sinnvoll, im Kloster zu testen, einem Ort, wo die Prävalenz deutlich unter 0,1% liegen sollte. Dort wird man Tausende Nonnen und Mönche testen müssen und wird nur wenige positive Testergebnisse erhalten, von denen mehr als zwei Drittel falsch positiv sein werden. Dieses Beispiel steht für Regionen mit einer unterdurchschnittlichen HIV-Prävalenz.
Im Darkroom (dem —zugegeben unzulässigen— Stereotyp für Orte mit hoher HIV-Prävalenz) allerdings sieht die Situation anders aus, weil die Vortestwahrscheinlichkeit hier höher ist. Wir sollten uns deshalb auf die Darkrooms konzentrieren, die Ballungszentren mit hoher undiagnostizierter HIV-Prävalenz.
Wir haben an einer Kohorte von Patienten mit Late Presentation in Berlin gezeigt, dass viele der eingeschlossenen Menschen vor ihrer Aidserkrankung die Einrichtungen des Gesundheitswesens aufsuchen (zum Teil auch ohne Indikator). Dieses Ergebnis suggeriert, dass zumindest in den Notaufnahmen der Ballungszentren ein Filter vorgeschaltet sein könnte, der die Wahrscheinlichkeit auf ein positives Testergebnis anhebt.14
Ein universelles Testangebot hat den Vorteil, dass es sich im Vergleich zum indikatorgetriggerten Testen leichter in den Routineablauf von Notaufnahmen integrieren lässt. Es enthebt die Anbietenden und Patienten der Testbarriere der Stigmatisierung (alle bekommen einen Test und nicht nur die, die irgendwelchen Klischees entsprechen) und es eröffnet die Chance, Testbarrieren für die von den bestehenden Angeboten nicht angesprochenen Bevölkerungsgruppen zu überspringen. Bei kluger Wahl des Orts kann der Ansatz kosteneffizient sein und sowohl die Fallfindung als auch die Anbindung von HIV-infizierten Menschen an das Versorgungssystem verbessern.28,29
Ein universelles Testangebot in Notaufnahmen oder bei stationärer Aufnahme wird von 33—100% der Patienten, die ein Testangebot erhalten, akzeptiert.30,31 Besonders erfolgreich sind universelle Testangebote dann, wenn die Pflege und nicht Ärzte den Workflow des Testens bestimmen und den Patienten die Testangebote unterbreiten.31
Die Frage nach der Finanzierung einer solchen Strategie ist zentral. Wegen des oben genannten fehlenden Public-Health- Aspekts ist wenig Bereitschaft zu erkennen, sich politisch hinter eine solche Finanzierung zu klemmen. Wir haben auch von den Kostenträgern Absagen erhalten. Mit der finanziellen und logistischen Unterstützung der Firmen Gilead Sciences, MSD, Janssen-Cilag und ViiV Healthcare sowie des Labors Synlab, der „Berliner Sozialprojekte gGmbH“ und des Sankt-Joseph-Krankenhauses wurden die Rahmenbedingung für ca. 20000 Testangebote auf HBV, HCV und HIV geschaffen, die wir in der Notaufnahme des Sankt-Joseph-Krankenhauses in Berlin Tempelhof nun machen werden können. Die Zeit wird zeigen, wie erfolgreich die Initiative sein wird. Wir hoffen auf das Beste.
Literatur:
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