
Impfung reduziert Long-Covid-Syndrom
Autorinnen:
Dr. Ena Hasimbegovic
Dr. Emilie Han
Prof. Dr. Mariann Gyöngyösi
Klinische Abteilung für Kardiologie
Universitätsklinik Innere Medizin II
Medizinische Universität Wien
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Die Impfung gegen das Coronavirus reduziert die Häufigkeit der neuen oder wiederholten Infektion, die schweren Verläufe und die Mortalität von Covid-19. Außerdem zeigen neueste Studien einen vorteilhaften Einfluss der Schutzimpfung auf das Auftreten und den Schweregrad des Long-Covid-Syndroms.
Bisher wurden weltweit bereits über 630 Millionen Menschen mit dem SARS-CoV-2-Virus, welches die Coronavirus-Erkrankung (Covid-19) verursacht, infiziert. Während der Großteil der Bevölkerung sich von der Covid-19-Erkrankung vollständig erholt, leiden ungefähr 3–10% der Patient*innen an der sogenannten Long- oder Post-Covid-Erkrankung, welche durch eine lange oder inkomplette Rekonvaleszenz von der Infektion gekennzeichnet ist.
Aktuelle Daten
Im Jänner 2022 erschien ein kurzer Bericht im Fachjournal „Nature“, dass eine Impfung die Long-Covid-Symptome reduzieren kann.1 Dieser Bericht zitiert zwei große Studien, welche in Großbritannien und Israel durchgeführt wurden. Die prospektive Fall-Kontroll-Studie in Großbritannien fasste aus Selbstauskünften gesammelte Daten von 1,2 Millionen Patient*innen zusammen.2 Ziel der Studie war, die Hospitalisierungsrate und das Auftreten verschiedener Symptome bei Patient*innen, welche vorher zumindest eine Impfung erhalten hatten, mit denjenigen bei nicht geimpften Patient*innen einen Monat nach der Infektion zu vergleichen. Die Patient*innen, die vor der Coronavirus-Infektion mindestens eine Impfung erhalten hatten, mussten signifikant weniger hospitalisiert werden und wiesen weniger Symptome auf im Vergleich mit Patient*innen, die keine Impfung erhalten hatten. Signifikant mehr geimpfte Patient*innen meldeten eine vollständige Symptomfreiheit, was besonders bei älteren Patient*innen (>60 Jahre) beobachtet werden konnte. Die Covid-Infektion zeigte bei den geimpften Patient*innen ebenfalls einen deutlich milderen Krankheitsverlauf. Eine der wichtigsten Beobachtungen dieser Studie war, dass die 2-fache Impfung das Risiko, nach einer Infektion an einem Long-Covid-Syndrom zu erkranken, um etwa 50% reduziert.2
Eine weitere Studie, welche mit über 3000 Patient*innen in Israel durchgeführt wurde, kam zur ähnlichen Schlussfolgerung, dass eine 2-fache Impfung zu einer 60–70%igen Verringerung des Risikos, an einem Long-Covid-Syndrom zu erkranken, führt (Abb. 1).3 In einer weiteren Studie aus Großbritannien mit über 6000 Patient*innen wurde berichtet, dass eine Doppelimpfung mindestens 2 Wochen vor der Covid-Infektion mit einer 41%igen Risikoreduktion von alltagslimitierenden Symptomen und Long-Covid-Syndrom assoziiert ist.4

Abb. 1: Häufigkeiten der meistberichteten Long-Covid-Symptome: 2 Impfdosen vs. keine Impfung (modifiziert nach Kuodi P et al. 2022)3
In einer neulich publizierten Metaanalyse, die 18 Studien mit insgesamt über 1Million Patient*innen beinhaltete, wurde festgestellt, dass Covid-19-Impfstoffe das Risiko für Long Covid verringern.5 Die Schutzwirkung wurde bei Personen festgestellt, die zwei Dosen der Impfung erhalten hatten, aber nicht bei denjenigen, die bis dahin nur mit einer Dosis geimpft wurden.
Unabhängig davon, ob vor oder nach einer Covid-Infektion geimpft wurde, war die Impfung gegen Long Covid wirksam.5 Ob Covid-19-Impfungen wirklich einen therapeutischen Effekt haben, sollte jedoch noch in kontrollierten klinischen Studien untersucht werden. Unklar ist auch noch, wie lange der mögliche positive Effekt anhalten würde. Sicher ist aber, dass die Impfungen die Betroffenen vor einer Reinfektion mit dem Virus schützen können.
Wissenschaftliche Hypothesen
Forscher vermuten, dass Long-Covid-Symptome durch immer noch im Körper vorhandene Coronaviren oder deren Fragmente oder durch eine aus dem Lot geratene Immunreaktion oder Autoimmunreaktion nach der Infektion verursacht werden. Die Impfung könnte ein sogenanntes „Reset“ bei dieser Immunreaktion auslösen und die normale Funktion wieder herstellen.6
Folgende Hypothesen existieren zum potenziellen Wirkmechanismus der Covid-Impfstoffe auf Long Covid und sind aktueller Forschungsgegenstand:
-
Die Impfung beseitigt restliche, noch im Körper befindliche Virenpartikel;
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die Impfung repariert das entgleiste Immunsystem;
-
die Impfung kann einen sogenannten Neustart in diesen falsch funktionierenden Immunprozessen machen.
Das Fachjournal „Science“ veröffentlichte einen Bericht über impfinduzierte Long-Covid-ähnliche Symptome, die bei einer Fallserie von ca. 30 Patient*innen in den USA auftraten.7 Sie wurden in diesem Zusammenhang 2021 vom National Institute of Health (NIH) einberufen und verschiedenen Untersuchungen unterzogen, wobei bisher keine eindeutige Korrelation zwischen Covid-Impfungen und dem Auftreten Long-Covid-ähnlicher Symptome nachgewiesen werden konnte. Außerdem berichteten diese Patient*innen auch von einer Verminderung ihrer Symptome und Beschwerden im Laufe der Zeit.
Fazit
Zusammenfassend zeigten uns die neuen Studien, dass die vollständige Corona-Schutzimpfung, unabhängig von ihrem Verabreichungszeitpunkt, im überdurchschnittlichen Maß positive Effekte für Long Covid besitzt. Seit dem Beginn der Covid-Pandemie kam es in kürzester Zeit zu vielen medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnen; man möge nur an die Entwicklung der neuen Impfstoffe und Therapien denken. Mit den schnell mehr werdenden Infektionszahlen, insbesondere auch durch die Omikronvariante des Virus, stieg auch die Anzahl an Long-Covid-Fällen. Gleichzeitig sind in dieser Zeit auch adaptierte und neue Impfstoffe weitgehender verfügbar geworden und man hatte bereits einiges an Erfahrungsgewinn zur akuten Covid-Infektion gewinnen können. Weiterer Erkenntnisgewinn ist bezüglich Long Covid gefordert. Denn wie genau der Pathomechanismus von Long Covid geregelt ist und wie man die Krankheit am besten therapieren kann, dafür sind noch weitere Studien notwendig.
Literatur:
Kreier F: Long-COVID symptoms less likely in vaccinated people, Israeli data say. Nature 2022; doi:10.1038/d41586-022-00177-5
Antonelli M et al.: Risk factors and disease profile of post-vaccination SARS-CoV-2 infection in UK users of the COVID Symptom Study app: a prospective, community-based, nested, case-control study. Lancet Infect Dis 2022; 22: 43-55
Kuodi P et al.: Association between BNT162b2 vaccination and reported incidence of post-COVID-19 symptoms: cross-sectional study 2020-21, Israel. Npj Vaccines 2022; 7(1): 101
Ayoubkhani D et al.: Risk of long COVID in people infected with severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 after 2 doses of a coronavirus disease 2019 vaccine: community-based, matched cohort study. Open Forum Infect Dis 2022; 9: 1-5
Gao P et al.: Effect of COVID-19 vaccines on reducing the risk of long COVID in the real world: a systematic review and meta-analysis. Int J Environ Res Public Health 2022; 19(19): 12422
Jarrott B et al.: “LONG COVID”—a hypothesis for understanding the biological basis and pharmacological treatment strategy. Pharmacol Res Perspect 2022; 10(1): e00911
Couzin-Frankel J, Vogel G: Vaccines may cause rare, long Covid-like symptoms. Science 2022; 375: 364-6