
Klinische Erfahrungen mit Biologika bei der therapierefraktären CRSwNP
Autoren:
Priv.-Doz. DDr. Sven Schneidera
Dr. Slagjana Stoshikjb
a Univ.-Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten
Klinische Abteilung für allgemeine HNO
bUniv.-Klinik für Innere Medizin II
Klinische Abteilung für Pulmologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: sven.schneider@meduniwien.ac.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Der chronischen Rhinosinusitis mit nasalen Polypen (CRSwNP) liegt meist eine spezifische Typ-2-Entzündungsreaktion zugrunde, die durch „thymic stromal lymphopoietin“ (TSLP), Interleukin (IL) 33, IL-4, IL-5, IL-13, IgE und eosinophile Granulozyten bestimmt wird. Mit den bisherigen therapeutischen Möglichkeiten wie topischen und systemischen Steroidtherapien sowie Operationen der Nasennebenhöhlen konnte oft keine anhaltende Symptomkontrolle erzielt werden. In den letzten Jahren wurden bereits zwei Biologika, die auch für die Behandlung von Asthma eingesetzt werden, für die Behandlung der CRSwNP zugelassen.
Keypoints
-
Die CRSwNP ist eine Typ-2-Entzündung die erhebliche Auswirkung auf die Lebensqualität haben kann.
-
Patienten, die zusätzlich an anderen Typ-2-Erkrankungen, wie Asthma oder N-ERD leiden, zeigen oft ein ausgeprägteres Krankheitsbild sowie ein erhöhtes Risiko für pulmonale Exazerbationen und Rezidive.
-
Für die Behandlung der CRSwNP mit ausgeprägter Symptomatik sind verschiedene effektive Biologikatherapien verfügbar. Ko-Morbiditäten wie z.B. Typ-2-Asthma können potentiell mit einem gemeinsamen therapeutischem Plan behandelt werden.
Chronische Rhinosinusitis mit nasaler Polyposis (CRSwNP)
Die CRSwNP ist eine bereits seit etwa 4000 Jahren bekannte Erkrankung. Trotz bedeutender Meilensteine in der chirurgischen Behandlung durch endoskopische Operationstechniken sowie den Einsatz vontopischen und systemischen Steroiden konnte bei vielen Patienten bisher keine anhaltende Symptomkontrolle erreicht werden. Im bisherigen Therapiealgorithmus wurden zunächst topische intranasale Steroide und saline Spülungen eingesetzt. Falls die Symptome nicht ausreichend gelindert werden konnten, wurde die topische Therapie intensiviert. Trotzdem waren bei vielen Patienten wiederholte systemische Cortisontherapien nötig, durch die jedoch nur kurzzeitige Besserung erreicht werden konnte. Eine chirurgische Sanierung kann eine langanhaltende Verbesserung bei CRSwNP erreichen, allerdings kommt es bei vielen Patienten zu rezidivierenden Beschwerden. Seit wenigen Jahren sind neue therapeutische Möglichkeiten durch den Einsatz von Biologika in der Behandlung der CRSwNP verfügbar, die den oftmals bestehenden Kreislauf aus systemischen Cortisontherapien und Operationen durchbrechen können. Durch diese Möglichkeiten hat ein neues Zeitalter in der Therapie der CRSwNP begonnen.
Im Gegensatz zur chronischen Rhinosinusitis ohne nasale Polypen, die meist durch ein Typ-1-Inflammationsmuster bedingt ist, steht bei der CRSwNP zumeist eine moderate bis schwere Typ-2-Entzündungsreaktion im Vordergrund. Diese kann durch verschiedene Reize wie Bakterien, Viren, Pilze oder Umweltreize ausgelöst werden, wobei die Ursachen vermutlich multifaktoriell sind. Dadurch erfolgt eine Reaktion am Epithel, die spezifische Entzündungsmediatoren wie TSLP, IL-25 und IL-33 freisetzt. Im Weiteren werden die Zytokine IL-4, IL-5, IL-13 sowie IgE ausgeschüttet und eosinophile Granulozyten aktiviert, was dieses spezifische Typ-2-Entzündungsprofil definiert. Hierdurch kommt es unter anderem zu einer Hyperplasie der Becherzellen mit gesteigerter Sekretproduktion, zu weiteren Störungen der Barrierefunktion des Epithels und Umbau des Gewebes mit der Ausbildung von nasalen Polypen.
Typ-2-Erkrankungen treten häufig gemeinsam auf, so besteht bei etwa 48–56% der Patienten mit CRSwNP die Diagnose Asthma.1 Das Vorliegen von Komorbiditäten verschlechtert auch das krankheitsfreie Intervall erheblich. Falls Patienten mit CRSwNP zusätzlich unter Asthma leiden, erhöht sich das Risiko für eine rezidivierende Polyposis von 40% auf 60% nach vorangegangener chirurgischer Sanierung. Bei etwa 10–20% der Patienten mit CRSwNP wird die Diagnose „non-steroidal anti-inflammatory drug-exacerbated respiratory disease“ (N-ERD) gestellt.2 Bei dieser Erkrankung bestehen eine CRSwNP und Asthma mit ausgeprägtem Typ-2-Entzündungsprofil sowie eine Verschlechterung der Symptome durch die Einnahme von nichtsteriodalen Antirheumatika (NSAID). Das Krankheitsbild wird durch eine Störung im Arachidonsäurezyklus mitbedingt, durch welche die Balance zwischen Prostaglandin- und Leukotrienproduktion beeinflusst wird. Patienten mit N-ERD haben sowohl aus HNO-ärztlicher als auch aus pulmologischer Sicht ein sehr ausgeprägtes Krankheitsbild. Es besteht ein 5-Jahres-Rezidivrisiko von etwa 90% nach vorangegangener Operation.3
Die häufigsten Symptome der CRSwNP sind die nasale Obstruktion, Riechminderung bis zur Anosmie, Sekretion und Druckgefühl bzw. Schmerzen im Bereich der Nasennebenhöhlen. Auch Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen und emotionale Störungen können auftreten. Patienten mit komorbidem Asthma oder N-ERD leiden zusätzlich unter ausgeprägten pulmonalen Symptomen mit häufigen, teils schwerwiegenden Exazerbationen. Die Symptome haben einen erheblichen Einfluss auf die krankheitsspezifische sowie generelle Lebensqualität. Darüber hinaus verursachen diese Erkrankungen hohe direkte und indirekte sozioökonomische Kosten.
Biologika
Neue Therapiemöglichkeiten mit Biologika bieten eine effektive Behandlung und können die Lebensqualität deutlich verbessern. In der Therapie der CRSwNP sind bereits zwei Biologika, Dupilumab und Omalizumab, zugelassen. Zwei weitere, Mepolizumab und Benralizumab, wurden bereits in randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studien untersucht und Ergebnisse zum Teil publiziert. In der Asthmatherapie sind diese vier Biologika bereits zugelassen und etabliert.
Dupilumab (Dupixent®)
Dupilumab ist ein humaner IL-4α-Rezeptor-Antikörper, der die Signalweiterleitung von IL-4 und IL-13 hemmt. Zur Behandlung der CRSwNP wurde er als erster Antikörper 2019 zugelassen. Die Wirksamkeit bei Patienten mit CRSwNP wurde in den Studien LIBERTY NP SINUS 24 und LIBERTY NP SINUS 52 untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Ausdehnung der nasalen Polypen signifikant und klinisch relevant um über 2 Punkte im NPS (Nasal Polyp Score) reduziert werden konnte (Abb.1 und 2). Analog dazu verbesserten sich die mit dem NCS (Nasal Congestion Score; 0 = keine Obstruktion, bis 3 = maximale Obstruktion) gemessene subjektive Verstopfung der Nase (Abb.2) sowie die krankheitsspezifische Lebensqualität und das Riechvermögen signifikant und klinisch relevant. Bei Patienten mit komorbidem Asthma konnten analog zur Verbesserung der nasalen Symptome der FEV1 sowie die Asthmasymptomatik gemessen mit dem ACQ-6 („Asthma Control Questionnaire“) signifikant verbessert werden. Vergleichbare Ergebnisse wurden auch bei Patienten mit N-ERD erreicht. Darüber hinaus konnten bei N-ERD-Patienten die Einnahme von systemischen Cortisontherapien um 72–78% und die Notwendigkeit einer Operation um 80–84% reduziert werden.4
Abb. 1: Nasal Polyp Score (NPS) zur Einteilung der Polypenausdehnung in der Nasenhaupthöhle (modifiziert nach Meltzer EO et al.: J Allergy Clin Immunol 2006; 118(5 Suppl): 17-61 und Cadding G et al.: Clin Transl Allergy 2011; 1(1): 1-39)
Abb. 2: Ergebnisse der LIBERTY-NP-SINUS-24-Studie: Reduktion des NPS, NCS und SNOT-22 unter Dupilumab (modifiziert nach Bachert C et al. 2019)4
Omalizumab (Xolair®)
Omalizumab ist ein humanisierter, freiesIgE bindender Antikörper, der die Fortleitungder Entzündungskaskade an Mastzellen undbasophile Granulozyten blockiert. Die Wirkung von Omalizumab auf CRSwNP wurde in zwei randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studien, der POLYP1- und der POLYP2-Studie, untersucht. Es konnten eine signifikante und klinisch relevante Reduktion der Polypengröße sowie, analog dazu, eine signifikante Verbesserung der subjektiven nasalen Obstruktion und des Riechvermögens festgestellt werden.5 Interessanterweise zeigten sich in der Subgruppenanalyse der Patienten mit komorbidem Asthma bzw. N-ERD größere Effekte auf die Polypenausdehnung als bei Nicht-Asthmatikern (Abb. 3).5 Omalizumab wurde 2020 für die Behandlung der CRSwNP für Patienten zugelassen, deren Symptome mittels topischer und systemischer Steroide nicht ausreichend kontrolliert werden können. Für die Asthmatherapie ist der IgE-Antikörper bereits seit 2003 zugelassen und etabliert. Die Dosierung orientiert sich dabei an der Asthmatherapie und wird nach Körpergewicht und IgE-Wert bestimmt. Ein perenniales Allergen ist für die Verordnung zur Behandlung der CRSwNP, im Gegensatz zur Asthmatherapie, nicht nötig.
Abb. 3: Ergebnisse der POLYP1- und POLYP2-Studie: Reduktion des NPS, NCS und SNOT-22 unter Omalizumab (modifiziert nach Gevaert P et al. 2020)5
Mepolizumab (Nucala®)
Mepolizumab ist ein gegen IL-5 gerichteter monoklonaler Antikörper, der für die Behandlung von schwerem eosinophilem Asthma zugelassen ist. In der randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie SYNAPSE wurden die Effekte bei der Behandlung der CRSwNP evaluiert. Es konnten eine Verbesserung der subjektiven Nasenatmung sowie eine signifikante Reduktion der Polypengröße um 0,73 Punkte im NPS festgestellt werden. Die Reduktion war mit jeweils etwa einem Punkt bei den Patienten mit komorbidem Asthma bzw. mit N-ERD im NPS im Vergleich dazu ausgeprägter.6 Eine Zulassung zur Behandlung der CRSwNP gibt es derzeit noch nicht.
Benralizumab (Fasenra®)
Benralizumab ist zur Behandlung des schweren eosinophilen Asthmas zugelassen. Es handelt sich um einen IL-5-Rezeptor-Blocker, der zu einer vollständigen Depletion der eosinophilen Granulozyten führt. Die randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie zur Evaluierung der Auswirkung auf CRSwNP wurde bereits abgeschlossen, die Daten wurden allerdings noch nicht publiziert. Im Rahmen einer Real-World-Studie, die den Effekt auf CRSwNP bei Asthmapatienten beschrieben hat, konnte eine Verbesserung der Symptome beobachtet werden.7
Ausblick
Die bisherigen klinischen Erfahrungen bestätigen die Ergebnisse der Studien. Patienten berichten über rasche und anhaltende Symptomkontrolle, auch nach oft jahrzehntelanger Krankheitsdauer, sowie von neu gewonnener Lebensqualität. Durch neue Therapiemöglichkeiten sind aber auch neue Fragen entstanden. So gibt es Unterschiede im Ansprechen, jedoch bisher keine prädiktiven Biomarker in der Therapie der CRSwNP. Interdisziplinäre Therapiekonzepte sind zurzeit noch nicht etabliert, werden aber aufgrund der großen Zahl von komorbiden Patienten dringend benötigt. Mit dem Einzug der Biologika in die Therapie der CRSwNP und „united airway diseases“ wurde jedoch bereits eine neue Ära eingeleitet, die bisher oft schwierig zu behandelnden Patienten neue Lebensqualität ermöglichen kann.
Literatur:
1 Khan A et al.: The global allergy and asthma european network (GALEN rhinosinusitis cohort: a large european cross-sectional study of chronic rhinosinusitis patients with and without nasal polyps. Rhinology 2019; 57(1): 32-42 2 Rajan JP et al.: Prevalence of aspirin-exacerbated respiratory disease among asthmatic patients: a meta-analysis of the literature. J Allergy Clin Immunol 2015; 135(3): 676-81 3 Bassiouni A, Wormald PJ: Role of frontal sinus surgery in nasal polyp recurrence. Laryngoscope 2013; 123(1): 36-41 4 Bachert C et al.: Efficacy and safety of dupilumab in patients with severe chronic rhinosinusitis with nasal polyps (LIBERTY NP SINUS-24 and LIBERTY NP SINUS-52): results from two multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, parallel-group phase 3 trials. Lancet 2019; 394(10209): 1638-50 5 Gevaert P et al.: Efficacy and safety of omalizumab in nasal polyposis: 2 randomized phase 3 trials. J Allergy Clin Immunol 2020; 146(3): 595-605 6 Han JK et al.: Mepolizumab for chronic rhinosinusitis with nasal polyps (SYNAPSE): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Respir Med 2021; 9(10): 1141-53 7 Nolasco S et al.: Benralizumab effectiveness in severe eosinophilic asthma with and without chronic rhinosinusitis with nasal polyps: a real-world multicenter study. J Allergy Clin Immunol Pract 2021; S2213-2198(21)00903-X