© Morsa Images E+

Social Freezing

„Wie eine Feuerversicherung“

Das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz erlaubt das Einfrieren von Eizellen nur mit medizinischer Begründung.
Prof. Peter Husslein hält das für einen ungerechtfertigten Eingriff
in das Selbstbestimmungsrecht von Frauen.

In Österreich ist Social Freezing im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz nicht gestattet. Wie finden Sie das?

P. Husslein: Gemäß Fortpflanzungsmedizingesetz (siehe Textkasten) darf man Eizellen nur dann entnehmen, „wenn ein körperliches Leiden eine ernste Gefahr bewirkt, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann“. Das trifft natürlich völlig zu auf Patientinnen mit einer Krebserkrankung, deren Ovarien durch eine Chemotherapie geschädigt werden könnten. Nach der österreichischen Gesetzeslage kann es Social Freezing nicht geben. Ich bekenne mich dazu, dass ich das jetzige Gesetz unsinnig und frauenfeindlich finde. Es ist ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Frau und typisch für ein „patriarchales“ politisches System wie dem unsrigen. In Zeiten, in denen die Autonomie von Frauen forciert wird, müssen Frauen auch das Recht haben, ihre Eizellen für eine spätere Verwendung einfrieren zu können – selbstverständlich nach entsprechender Aufklärung. Als Gegenargument könnte man natürlich einwenden, dass – wenn Social Freezing erlaubt wäre – auf die Frauen noch mehr Druck ausgeübt wird, das Kinderkriegen auf später zu verschieben; weg von dem Zeitpunkt, zu dem es die Natur vorgesehen hätte – also in jungen Jahren –, hin zu der Zeit, in der eine Frau ohnehin wegen ihres höheren Alters mehr medizinische Probleme hat. Man könnte das Problem ja so lösen, dass man Social Freezing erlaubt, aber teilweise Riegel vorschiebt. Zum Beispiel den, dass die Frau ihre Eizellen später nur bis zu einem Alter von 45 Jahren verwenden darf.

In den USA zahlen Google, Facebook und Apple ihren Mitarbeiterinnen Social Freezing. Was meinen Sie dazu?

P. Husslein: Auch das kann Druck auf die Frauen ausüben: bloß keine Kinder bekommen, sondern Karriere machen – zumindest so lange es die Firma will.

Verhält man sich als Arzt nicht gesetzeswidrig, wenn man es trotzdem anbietet?

P. Husslein: Ja, das ist so. Man kann laut der österreichischen Gesetzeslage das Einfrieren der Eizellen nur bei Vorliegen einer medizinischen Begründung anbieten.

Was halten Sie persönlich von Social Freezing?

P. Husslein: Ich finde, das ist eine gute Maßnahme. Im Gespräch mit den Patientinnen vergleiche ich es oft mit einer Feuerversicherung. Schließt man eine Feuerversicherung ab, will man natürlich nicht, dass das Haus abbrennt – aber es ist gut, eine zu haben, falls wirklich ein Feuer ausbricht. So ähnlich ist es auch mit Social Freezing: Die eingefrorenen Eizellen sind wie eine Versicherung. Die Frau kann immer noch ganz normal schwanger werden und daher ihre Versicherung nicht brauchen. Aber wenn es „brennt“ – zum Beispiel wenn sie erst in einem späteren Lebensalter den Traumpartner gefunden hat, mit dem sie Kinder haben möchte –, kann sie ihre Versicherung, also die eingefrorenen Eizellen, nutzen. Frauen unterschätzen oft, wie rasch sie ihre Fruchtbarkeit verlieren können.

Ab wann lässt die Fruchtbarkeit nach?

P. Husslein: Ab 30 geht die Eizellreserve zurück und die Kurve fällt immer mehr ab. Über 40 ist es einfach schwierig, schwanger zu werden, weil die Qualität der Eizellen immer schlechter wird. Für viele der Frauen, die mich nach Social Freezing fragen, hat das oft keinen Sinn mehr. Sie sind Ende 30 oder gar über 40 – da sind die Erfolgsaussichten gering.

Wann sollte eine Frau ihre Eizellen entnehmen und einfrieren lassen?

P. Husslein: Idealerweise vor dem 30., spätestens vor dem 35. Lebensjahr. In diesem Zeitraum denken die Frauen aber oft gar nicht über einen späteren Kinderwunsch nach, weil sie denken, noch viel Zeit zu haben.

Wie teuer ist das Social Freezing?

P. Husslein: Damit eine Frau mit hoher Wahrscheinlichkeit ein oder idealerweise zwei Kinder bekommen kann, braucht sie mindestens 25 bis 30 Eizellen. Die bekommt man nur, wenn die Frau jung ist und meist nur nach zwei Stimulationszyklen. Die Frau muss mit Kosten von etwa 5000 Euro pro Zyklus rechnen, hinzu kommen die jährlichen Kosten von rund 300 Euro für das Einfrieren. Prinzipiell können Eizellen lebenslang gelagert werden.

Wie läuft die Prozedur ab?

P. Husslein: Ähnlich wie bei einer normalen In-vitro-Stimulation. Die Frau erhält Hormone zur Unterstützung der Heranreifung der Eibläschen. Begonnen wird mit GnRH-Agonisten oder GnRH-Antagonisten, um die Hypophyse ruhigzustellen. Anschließend gibt man hohe Dosen von FSH. Die Frau spritzt sich die Hormone subkutan – mit der Menstruation beginnend – die erste Woche alleine zu Hause. In der zweiten Woche kommt sie alle paar Tage, je nach Reaktion, zur Ultraschallkontrolle. So kann der Arzt sehen, wie sie auf die Stimulation reagiert, und die FSH-Dosis anpassen.Manchmal braucht man noch etwas mehr FSH, manchmal weniger. Danach verabreicht der Arzt hoch dosiert hCG, damit die Eizellen final reifen können, punktiert die Follikel in einer kurzen Schlafnarkose kurz vor dem Eisprung und gewinnt so die Eizellen. Manche Frauen spüren eine Woche lang etwas Unterleibschmerzen, aber die meisten haben keine Beschwerden. Der Eingriff birgt nahezu kein Risiko; Komplikationen sind sehr selten.

Man hört oft, Frauen würden Social Freezing vor allem deshalb wollen, um ungestört Karriere machen zu können. Was ist Ihr Eindruck?

P. Husslein: Lassen Sie mich das etwas provokant formulieren: Früher hat man viele Menschen gebraucht, um die Felder zu bestellen, für die Armee und für Fließbandarbeit in den Fabriken. Für all das haben wir heute Maschinen. Man sollte daher rechtzeitig von der Vorstellung Abschied nehmen, dass es für eine Gesellschaft wichtig ist, dass sie viele Kinder hat. Eine Gesellschaft sollte eher darauf schauen, wenige, aber dafür gut ausgebildete und gut auf das moderne Leben vorbereitete Kinder in die Welt zu setzen.

Unser Gesprächspartner:
Prof. Dr. Peter Husslein
Universitätsklinik für Frauenheilkunde
Medizinische Universität Wien

Das Interview führte
Dr. Felicitas Witte

Social Freezing in Österreich nicht erlaubt

Auszug aus dem Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG)
2. Abschnitt: Zulässigkeitsvoraussetzungen bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, Präimplantationsdiagnostik und Zellentnahme

§ 2. Medizinisch unterstützte Fortpflanzung

§ 2b: Zellentnahme und -aufbewahrung

(1) Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe dürfen auch für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen und aufbewahrt werden, wenn ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirkt, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann.

Back to top