
Wie unterscheiden und therapieren?
Autorin:
Dr. med. Anne Muendane
Oberärztin Gynäkologie und Geburtshilfe
Klinik Gynäkologie und Geburtshilfe
Kantonsspital Uri
Altdorf
E-Mail: ameducations@icloud.com
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Zyklusabhängige Beschwerden werden von ca. 90% der Frauen im reproduktiven Alter wahrgenommen und sind auf physiologische Hormonschwankungen zurückzuführen. In ca. 20–30% der Fälle liegt jedoch ein prämenstruelles Syndrom mit körperlichen und psychischen Symptomen und in 3–5% ein prämenstruelles dysphorisches Syndrom mit ausgeprägten psychischen Veränderungen vor. Aufgrund des oftmals enormen Leidensdruckes und verschiedener Therapieansätze ist eine präzise Diagnosestellung von Bedeutung.
Keypoints
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Gemeinsamkeiten des PMS und PMDD liegen in der Zyklusabhängigkeit mit Beschwerdebeginn in der Lutealphase und spontaner Regredienz postmenstruell sowie im Auftreten von verschiedenen affektiven und somatischen Symptomen.
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Hauptunterschied zwischen PMS und PMDD ist der Schweregrad mit signifikanter Beeinträchtigung im persönlichen, familiären, sozialen oder beruflichen Umfeld beim PMDD.
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Für die Diagnosestellung sind eine gezielte Anamnese und Führen eines Symptomtagebuchs über mindestens zwei Zyklen entscheidend.
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Während beim PMS Mönchspfeffer (Vitex agnus castus) oft zu einer Symptomkontrolle führt, besteht die empfohlene Therapie des PMDD aus SSRI oder Ovulationshemmung, z.B. mit 20mcg Ethinylestradiol/3mg Drospirenon im 24/4-Schema.
Als neurobiologische Grundlage für prämenstruelle Beschwerden werden Konzentrationsschwankungen von Östrogen, Progesteron und Neurosteroiden wie Allopregnanolon im GABAergen und serotonergen System des Gehirns angenommen.1 Während der follikulären Zyklusphase kann in der Regel eine bessere Stimmung beobachtet werden als in der Lutealphase.1 Während über 90% der Frauen mindestens ein zyklusabhängiges Symptom bemerken,2 ergibt sich eine Therapieindikation aus dem individuellen Leidensdruck,derals prämenstruelles Syndrom ca. 30%betrifft.3 Die Vielfalt der Symptome ist gross. Am häufigsten werden Heisshunger (85%), Stimmungsschwankungen oder Ängste (64%) und Fatigue (57%) angegeben.3 Ebenfalls häufig sind Schlaf-oder Konzentrationsstörungen, Libidoverlust, Ödeme, Kopfschmerzen, Mastalgien oder Myalgien, Gewichtszunahme und gastrointestinale Beschwerden.3–4
Entscheidend für die Diagnosestellung ist nicht ein spezifischer Symptomkomplex, sondern der zeitliche Zusammenhang zum Menstruationszyklus mit Beschwerden während der Lutealphase und überwiegender Beschwerdefreiheit in der Follikelphase.5 Typischerweise beginnen die Symptome sieben Tage prämenstruell mit Beschwerdemaximum zwei Tage prämenstruell und verbessern sich mit Blutungsbeginn deutlich.6 Dies ist in Abbildung 1 grafisch dargestellt.
Abb. 1: Zyklusabhängigkeit der prämenstruellen Symptome: Beispiel mit Beschwerden vom 21.–28. Zyklustag
Diagnosekriterien prämenstruelles Syndrom (PMS)
Gemäss der WHO wird das prämenstruelle Syndrom definiert als idiopathisches Vorliegen von verschiedenen Einflussfaktoren, die während der Luteal- oder der menstruellen Phase auftreten und zu zyklischen emotionalen, körperlichen oder Verhaltensveränderungen führen, die mit dem individuellen Lebensstil interferieren und zu einer sozioökonomischen Dysfunktion führen.7 Es wird die Bestätigung der Zyklusabhängigkeit der Beschwerden in der Lutealphase mittels eines prospektiven Symptomtagebuchs empfohlen.7 Das prämenstruelle Syndrom ist in der ICD-11-Klassifikation mit dem Diagnosecode GA34.40 hinterlegt.7
Zur besseren Beurteilung kann die Verwendung eines validierten Fragebogens hilfreich sein. Im deutschsprachigen Raum stehen hierfür z.B. der revidierte Fragebogen zum prämenstruellen Syndrom (PMS-r) mit 30 Fragen oder das Screening-Instrument für prämenstruelle Symptome (SIPS) mit 14 Fragen und Einteilung in je vier Schweregrade zur Verfügung.8
Diagnosekriterien prämenstruelles dysphorisches Syndrom (PMDD)
Das prämenstruelle dysphorische Syndrom (PMDD) ist gemäss DSM5-Klassifikation als eigenständige psychiatrische Diagnose erfasst. Psychiatrische Komorbiditäten sind häufig und deren zyklusabhängige Exazerbationen sind vom PMDD abzugrenzen.8 Um die Diagnose PMDD zu erfüllen, muss einerseits die Zyklusabhängigkeit mittels Symptom-Tagebuch über mindestens zwei Zyklen nachgewiesen werden, andererseits müssen mindestens fünf überwiegend psychische Symptome vorliegen. Andere Erkrankungen und Medikamenteneinnahme als Ursache müssen differenzialdiagnostisch ausgeschlossen und der relevante Leidensdruck mit Funktionseinschränkung im persönlichen, sozialen oder beruflichen Umfeld muss nachgewiesen werden. Im Folgenden sind die Diagnosekriterien dargestellt:
Mindestens fünf Symptome müssen in der Mehrheit der Zyklen (des letzten Jahres) vorliegen, davon je mindestens ein Symptom aus Kriterium B und C.
Kriterium A: Zyklusabhängigkeit
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Symptomstart jeweils innerhalb von 7 Tagen vor Beginn der Menstruation
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Verbesserung innerhalb weniger Tage nach Blutungsbeginn
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keine oder minimale Beschwerden in der postmenstruellen Woche
Kriterium B: Symptome
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erhöhte Affektlabilität (z.B. Stimmungsschwankungen, plötzlich auftretende Traurigkeit/Weinerlichkeit)
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gesteigerte Reizbarkeit/Wut/interpersonelle Konflikte
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depressive Verstimmung, Hoffnungslosigkeit, Selbstzweifel
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Ängstlichkeit/Anspannung
Kriterium C: weitere Symptome
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vermindertes Interesse an Alltagsaktivitäten (z.B. Beruf, Freunde, Hobbys)
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subjektive Konzentrationsstörungen
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Lethargie/leichte Erschöpfbarkeit/Energielosigkeit
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Appetitveränderungen/Heisshunger
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Schlafstörungen oder vermehrtes Schlafbedürfnis
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Gefühl des «Überwältigt-Seins» oder «Ausser-Kontrolle-Seins»
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körperliche Symptome: Brustspannen, Muskel-oder Gelenkschmerzen, Gefühl des Gebläht-Seins, Gewichtszunahme
Therapieoptionen PMS
Als Erstlinientherapie gilt die Phytotherapie, bei der die Wirksamkeit für Mönchspfeffer (Vitex agnus castus) belegt ist.9 Beschrieben werden ebenfalls die Anwendung von Johanniskraut (Hypericum perforatum), Nachtkerzenöl (Oenothera biennis), Safran (Crocus sativus) oder Ginkgo biloba sowie von Nahrungsergänzungsmitteln (Kalzium, Magnesium, Vitamin E und B6, Myo-Inositol).8 Nichtmedikamentöse Therapieoptionen umfassen Lebensstiländerungen bezüglich Sport und Ernährung sowie Akupunktur.8 Frauen mit Kontrazeptionsbedarf können von einer Ovulationshemmung profitieren. Besonders empfohlen werden dabei Drospirenon-haltige Kombinationspräparate.10–11
TherapieoptionenPMDD
Zur Behandlung eines PMDD bestehen zwei verschiedene Ansätze:einerseits die Erhöhung des Serotoninspiegels, andererseits die Suppression von Hormonfluktuationen über die Ovulationshemmung.4, 12–13
Als Erstlinientherapie gelten daher selektiveSerotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), wie Sertralin 50–150mg/d, Fluoxetin 10–20mg/d oder Escitalopram 10–20mg/d, welche kontinuierlich oder zyklisch in der Lutealphase verabreicht werden können.4,8,14 Im Gegensatz zur Therapie von Depressionen ist die Wirkung teilweise bereits innerhalb von 48 Stunden nachweisbar.14 Andere Psychopharmaka wie selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI), trizyklische Antidepressiva oder Anxiolytika wie Alprazolam können ebenfalls wirksam sein.8,14
Bei Kontrazeptionsbedarf und fehlenden Kontraindikationen für eine Östrogenanwendung sind kombinierte orale Kontrazeptiva die erste Wahl. Eine gute Evidenz bezüglich Symptomverbesserung liegt insbesondere für 20mcg Ethinylestradiol/3mg Drospirenon im 24/4-Schema vor,10,11,15,16welches in den USA, jedoch nicht in der Schweiz als offizielle Therapie der PMDD zugelassen ist.8Daten zur Wirksamkeit bestehen auch für 20mcg Ethinylestradiol/90mcg Levonorgestrel.17 Es gibt Hinweise darauf, dass ein Langzyklus vorteilhaft sein kann.18 Für die Anwendung von Progesteron besteht aktuell keine Evidenz.19 Die untersuchten Präparate waren jedoch nicht ovulationshemmend. Wirksam, aber aufgrund der schwerwiegenden Nebenwirkungen nur bei therapierefraktärer Situation einzusetzen sind GnRH-Analoga.8 Symptomatisch kann auch Spironolacton angewendet werden. Hierbei sind regelmässige Kaliumkontrollen erforderlich.8,14 Als wichtige nichtmedikamentöse Therapieoption gilt die kognitive Verhaltenstherapie.8,14
Gemäss interdisziplinärem Konsensus zum Management des prämenstruellen Syndroms in der Schweiz8werden ein Stufenkonzept mit Primärtherapie durch ambulante Gynäkolog:innen oder die Hausärzt:innen und eine Zuweisung an gynäkologische Endokrinolog:innen oder bei therapierefraktärer Situation an Psychiater:innenempfohlen.8
Literatur:
1 Fruzzetti F, Fidecicchi T: Hormonal contraception and depression: updated evidence and implications in clinical practice. Clin Drug Investig 2020; 40(12): 1097-106 2 Tschudin S et al.: Prevalence and predictors of premenstrual syndrome and premenstrual dysphoric disorder in a population-based sample. Arch Womens Ment Health 2010; 13:485-94 3 Hantsoo S et al.: Premenstrual symptoms across the lifespan in an international sample: data from a mobile application. Archives of Women’s Mental Health 2022; 25:903-10 4 Dilbaz B,Aksan A: Premenstrual syndrome, a common but underrated entity: review of the clinical literature. J Turk Ger Gynecol Assoc2021;22(2):139-48 5 Nevatte T et al.: Consensus Group of the International Society for Premenstrual Disorders.ISPMD consensus on the management of premenstrual disorders. Arch Womens Ment Health 2013;16(4):279-91 6 Pearlstein T et al.: Pretreatment pattern of symptom expression in premenstrual dysphoric disorder. J Affect Disord 2005;85(3):275-82 7 ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics, Version 2025-01. https://icd.who.int/browse/2025-01/mms/en#375471908 (abgerufen 03.04.2024) 8 Stute P et al.: Interdisciplinary consensus on management of premenstrual disorders in Switzerland. GynecolEndocrinol 2017; 33:342-8 9 Cerqueira RO et al.: Vitex agnus castus for premenstrual syndrome and premenstrual dysphoric disorder: a systematic review. Arch Womens Ment Health 2017; 20:713-9 10 Lopez LM et al.: Oral contraceptives containing drospirenone for premenstrual syndrome.Cochrane Database of Systematic Reviews 2012: CD006586 11 Ma S,Song SJ: Oral contraceptives containing drospirenone for premenstrual syndrome. Cochrane Database of Systematic Reviews 2023; 6: CD006586 12 Tiranini L,Nappi RE: Recent advances in understanding/management of premenstrual dysphoric disorder/premenstrual syndrome. Fac Rev 2022:11:11 13 Hantsoo L et al.: Premenstrual dysphoric disorder: epidemiology and treatment. Curr Psychiatry Rep 2015; 17(11): 87 14 Lanza di Scalea T,Pearlstein T: Premenstrual dysphoric disorder. Psychiatr Clin N Am 2017; 40: 201-16 15 Pearlstein T et al.: Treatment of premenstrual dysphoric disorder with a new drospirenone-containing oral contraceptive formulation. Contraception 2005;72(6):414-21 16 Marr J et al.: Premenstrual dysphoric disorder symptom cluster improvement by cycle with the combined oral contraceptive ethinylestradiol 20 mcg plus drospirenone 3mg administered in a 24/4 regimen. Contraception 2011; 84(1): 81-6 17 Freeman E et al.: An overview of four studies of a continuous oral contraceptive (levonorgestrel 90 mcg/ethinyl estradiol 20 mcg) on premenstrual dysphoric disorder and premenstrual syndrome. Contraception 2012; 85(5): 437-45 18 Machado RB et al.: Effects of an extended flexible regimen of an oral contraceptive pill containing 20 μg ethinylestradiol and 3 mg drospirenone on menstrual-related symptoms: a randomised controlled trial. Eur J Contracept Reprod Health Care 2017;22:11-6 19 Ford O et al.: Progesterone for premenstrual syndrome. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012; 3: CD003415
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