
Umgang mit Nebenwirkungen oraler onkologischer Medikation in der Praxis
Autoren:
Univ.-Prof. Dr. Edgar Petru
Anna Sophia Benezeder
Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinische Abteilung für Gynäkologie
Medizinische Universität Graz
Korrespondierender Autor:
Univ.-Prof. Dr. Edgar Petru
E-Mail: edgar.petru@medunigraz.at
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Welche unerwünschten Wirkungen bei zielgerichteten oralen Mammakarzinomtherapien zu erwarten sind und wie man darauf reagieren sollte.
CDK4/6-Inhibitoren
Sie werden in Kombination mit einem Aromataseinhibitor bzw. Fulvestrant und bei prä- bzw. perimenopausalen Patientinnen zusätzlich mit einem GnRH-Analogon eingesetzt.
Der Neutrophilenwert sollte vor Beginn der Therapie >1500/mm3, der Thrombozytenwert >100000/mm3 und das Hämoglobin >8g/dl betragen. Im ersten und zweiten Monat der Therapie wird eine Blutbildkontrolle nach 14 und 28 Tagen empfohlen, danach monatlich. Eine Kontrolle der Laborchemie sollte 1x monatlich erfolgen. Dosisverringerungen/-anpassungen aufgrund von Nebenwirkungen sind bei ca. einem Drittel der Patientinnen notwendig, Therapieabbrüche bei ca. 5%.
Eine Neutropenie tritt meist nach ca. 14 Tagen auf und ist im Gegensatz zur zytostatischen Chemotherapie selten symptomatisch. Sie benötigt nur in Ausnahmefällen eine G-CSF-Gabe. Die Dauer einer signifikanten Neutropenie bis zu deren Rückbildung beträgt ca. 14 Tage.
Diarrhö tritt typischerweise bei Abemaciclib auf und ist durch die bevorzugte Hemmung der Cyclin-4-Kinase dessen häufigste Nebenwirkung. Abemaciclib kann Durchfall v.a. nach ca. 1 Woche verursachen. Seine Dauer beträgt ca. 10 Tage. Diarrhö kann mit Dehydratation verbunden sein. Beim ersten Anzeichen von dünnem Stuhl sollte Loperamid eingenommen und die orale Flüssigkeitszufuhr erhöht werden. Meist ist bei Abemaciclib-induzierter Diarrhö eine Dosisreduktion notwendig. Auch Ribociclib kann Diarrhö auslösen. Eine Hypokaliämie mit Auswirkungen auf die Herzfunktion ist möglich. Deshalb ist auf entsprechende Flüssigkeitssubstitution zu achten.
Abemaciclib und Ribociclib können selten eine ASL/ALT-Erhöhung auslösen. Die mediane Dauer bis zum Rückgang beträgt ca. 14 Tage. Eine Kreatininerhöhung tritt nur bei Abemaciclib, aber – basierend auf Laborbefunden – bei bis zu 98% der damit behandelten Patientinnen auf. Grund ist eine Hemmung des Kreatinin-Efflux aus den Glomerula durch Beeinflussung von Transportproteinen. Sie stellt keine eigentliche Nephrotoxizität dar. Sie ist praktisch immer niedriggradig stabil und reversibel nach Absetzen der Therapie.
Bei Ribociclib sollte vor Beginn der Therapie, am Tag 14 und am Tag 28 die QTc-Zeit untersucht werden. Eine QTc-Verlängerung im EKG kann bei Ribociclib typischerweise nach ca. 14 Tagen bei bis zu 8% der Patientinnen auftreten. Medikamente wie Antiarrhythmika, Clarithromycin, Ciprofloxacin, Levofloxacin, Azithromycin, Moxifloxacin, Haloperidol, Methadon und i.v. Ondansetron können das QTc-Intervall per se verlängern. Daher sollte die gleichzeitige Gabe von Ribociclib vermieden werden.
Dosisreduktion/Adaptierungen
Bei Hämatotoxizität Grad 1 und 2 erfolgt keine Dosisänderung. Bei Grad 3 wird eine Therapiepause bis zum Rückgang der Toxizität auf Grad <2 empfohlen (meist 1 Woche), jedoch keine Dosisreduktion. Bei wiederholtem Grad 3 ist eine Dosisreduktion vorgesehen, bei Grad 4 ein Abwarten, bis Grad <2 erreicht ist, und danach eine Dosisreduktion.
Bei Diarrhö während Abemaciclib erfolgt bei Grad 2, wenn nicht in <24 Std. eine Besserung auf Grad <1 erfolgt, eine Therapiepause bis zur Besserung ohne folgende Dosisreduktion. Bei persistierendem oder wiederholtem Grad 2 wird eine Therapiepause bis zum Rückgang auf Grad <1 empfohlen, anschließend eine Fortsetzung mit nächstniedriger Dosis. Bei mit Grad 3 erneut auftretender Diarrhö oder Grad 4 erfolgen eine Therapiepause bis zum Rückgang auf Grad <2 und danach eine Dosisreduktion.
Beim Anstieg der Leber-Transaminasen von Grad 2 erfolgt bei Ribociclib und einem Ausgangswert von Grad <2 eine Therapiepause bis zum Rückgang auf Grad <2, danach wird die ursprüngliche Dosis weitergegeben. Bei einem Ausgangswert von Grad 2 wird die Dosis beibehalten. Bei persistierendem oder erneut auftretendem Grad 2 oder bei Grad 3 erfolgt bei Palbociclib eine Dosisreduktion auf 75mg/Tag. Bei Grad-3-Toxizität erfolgt bei Ribociclib und einem Ausgangswert von Grad <2 eine Therapiepause bis zum Rückgang auf Grad <2, danach eine Dosisreduktion. Bei Grad-3-Toxizität nach Ribociclib werden eine Therapiepause bis zur Verbesserung unter den Ausgangsgrad und danach eine Dosisreduktion empfohlen. Bei wiederholtem Grad 3 ist ein Absetzen der Therapie indiziert. Bei Abemaciclib erfolgt eine Therapiepause bis zum Rückgang auf Grad <1, danach eine Dosisreduktion. Bei Grad 4 erfolgt ein Absetzen des CDK4/6-Inhibitors.
Die Dosisanpassung beim Anstieg von Bilirubin erfolgt bei Grad 2 und Ribociclib-Therapie und bei einem Ausgangswert von <Grad 2 eine Therapiepause bis zum Rückgang auf weniger als den Ausgangsgrad und danach keine Dosisreduktion, bei einem Ausgangswert von Grad 2 keine Dosisunterbrechung. Bei Grad-3-Erhöhung ist bei Palbociclib eine Dosisreduktion auf 75mg indiziert, bei Ribociclib das Absetzen der Therapie und bei Abemaciclib eine Therapiepause bis zum Rückgang auf Grad <1, danach eine Dosisreduktion.
Die wichtigsten Interaktionen bestehen bei gleichzeitiger Gabe von Substanzen mit Einfluss auf CYP3A einschliesslich Antibiotika wie Clarithromycin, Antimykotika wie Itraconazol, Virostatika wie Lopinavir, Carbamazepin, Protonenpumpeninhibitoren, Statinen sowie Grapefruitsaft und Johanniskraut.
Alpelisib
Hyperglykämie, Diarrhö und Hautexantheme sind „On target“-Nebenwirkungen von Alpelisib, welches in der Dosis von 300mg/Tag (Dosisred. 200mg, 100mg) nach einer Mahlzeit appliziert wird. Aufklärung und Mitarbeit der Patientinnen sind essenziell.
Bei der Hyperglykämie steht der Nüchtern-Blutzuckerwert (NBZ) im Vordergrund der Überwachung. Auch der HbA1c-Wert ist relevant, insbesondere auch bei (Prä-)Diabetikerinnen. Der mediane Zeitraum bis zum Auftreten einer Hyperglykämie Grad 3 beträgt 14 Tage. Im ersten Monat soll der NBZ wöchentlich bestimmt werden. Metformin stellt eine Säule in der Therapie der Hyperglykämie dar (500mg 1x/Tag bis max. 1000mg 2x/Tag). Es ist ab einem NBZ von >160mg/dl indiziert. Ab Grad 2 (NBZ >250mg/dl) soll Alpelisib pausiert werden. Störfaktoren wie ein Harnwegsinfekt sollten ausgeschlossen und ein Endokrinologe soll beigezogen werden. NBZ-Kontrollen sollten 2x/Woche erfolgen. Wenn der NBZ auf <160mg/dl abgefallen ist, sollte Alpelisib in reduzierter Dosis weitergeführt werden. Bei Grad-3-Hyperglykämie (NBZ >250–500 mg/dl) ist die antidiabetische Therapie unter Einbeziehung eines Endokrinologen zu optimieren (Insulinsensitizer wie Pioglitazon 30mg/Tag). Fällt nach 3 Wochen der NBZ auf unter 160mg/dl, kann Alpelisib in reduzierter Dosis fortgeführt werden. Ansonsten ist Alpelisib dauerhaft abzusetzen.
Grad-2–3-Durchfälle treten nach einem Median von 1,5 Monaten auf. V.a. ist eine Loperamid-Therapie indiziert.
Makulopapulöse Hautexantheme treten meist nach 14 Tagen auf, können aber prophylaktisch mit einem Antiallergikum behandelt werden.
Dosisreduktionen sind bei 64% der Patientinnen nötig, bei 25% erfolgt ein Therapieabbruch.
Everolimus
Es erfolgt initial die Therapie mit 10mg/Tag (Dosisred. 5mg, 2,5mg) in Kombination mit Exemestan. Stomatitis ist die häufigste Nebenwirkung bei 30–40% der Patientinnen. Daher sind die aktive Information der Patientinnen über diese mögliche Nebenwirkung sowie deren spezielle Beachtung essenziell. Meist handelt es sich um eine Stomatitis Grad 1, diese ist aber schon klinisch relevant. Stomatitis tritt typischerweise nach 1–4 Wochen auf. Sobald sich eine Stomatitis manifestiert, ist die Everolimus-Therapie zu unterbrechen. Als Prophylaxe sind Dexamethason-haltige Mundspülungen möglich. Bei Diarrhö sollte eine Loperamid-Therapie erfolgen.
Nach typischerweise 2–3 Monaten kann bei ca. 12% der Patientinnen eine nicht infektiöse interstitielle Pneumonitis mit Husten und Dyspnoe beobachtet werden. Die Bestätigung der Diagnose erfolgt im CT. Fatigue sowie Hautexantheme sind möglich, wobei Letztere mit lokalem Kortikosteroid +/– Dosireduktion behandelt werden. Auch Hyperglykämien und Hypercholesterinämien können beobachtet werden. Laborkontrollen alle 4 Wochen sind obligat, Dosisreduktionen häufig.
Neratinib
Diarrhö ist die prominenteste und eine vorhersehbare Nebenwirkung. Sie tritt üblicherweise in den ersten 1–2 Behandlungswochen auf. 1x 6 Tbl. zu 40mg wurden als Monotherapie in der Zulassungsstudie angewendet (Einnahme zum Essen). Heutzutage wird ein eskalierendes Vorgehen mit 120mg/Tag in der ersten, 160mg in der zweiten, 200mg in der dritten und 240mg/Tag ab der vierten Woche empfohlen. Als Begleittherapie zur „Standardtherapie“ mit 240mg Neratinib pro Tag ist Loperamid 3x 2 Tbl. à 2mg Standard. Bei der eskalierenden Neratinib-Therapie kann Loperamid niedriger dosiert werden (2x 1 Tbl./Tag).
Tucatinib
Tucatinib wird in der Dosierung von 150mg 2x 2 Tbl./Tag in Kombination mit Capecitabin (2000mg/m2 Tag 1–14) und Trastuzumab 1x 6mg/kg alle 3 Wochen angewendet. Diarrhö Grad 1–3 tritt mäßig vermehrt auf, was auch für das Hand-Fuß-Syndrom gilt. Auch Erhöhungen von AST/ALT sind möglich, wenn auch insgesamt selten. Bei Diarrhö sollte Loperamid angewendet werden. Beim Hand-Fuß-Syndrom erfolgt eine Therapiepause, anschließend wird die Capecitabin-Dosis reduziert. Bei AST/ALT-Erhöhungen ist eine Therapiepause von Tucatinib indiziert.
Lapatinib
In Kombination mit Capecitabin (2000mg/m2) oder seltener mit Letrozol erfolgt die Therapie mit Lapatinib 1x 5 Tbl. zu 250mg. Durchfall ist die häufigste Toxizität, die sich typischerweise in den ersten 7 Tagen manifestiert. Dann ist Loperamid indiziert, weiters die Dosisreduktion, v.a. auch von Capecitabin. Das Hand-Fuß-Syndrom ist deutlich seltener. Hier ist auch meist eine Dosisreduktion vonnöten.
Pazopanib
Die Standarddosis des Multityrosinkinasehemmers beträgt 1x2 Tbl. zu 400mg. Die Einnahme erfolgt 2 Stunden nach dem Essen. Hypertonie ist häufig. Bei 40% der Fälle tritt sie innerhalb der ersten 9 Tage auf. Eine antihypertensive Therapie ist ab Blutdruckwerten >140/90mmHg indiziert. Amlodipin und/oder Sartane werden am häufigsten eingesetzt. Die Hämatotoxizität ist moderat. AST/ALT-Erhöhungen sind insbesondere in den ersten 2 Monaten möglich.
PARP-Inhibitoren
Poly-ADP-Ribose-Polymerase(PARP)-Inhibitoren werden beim BRCA-mutierten metastasierten Mammakarzinom eingesetzt. Olaparib in der kontinuierlichen Dosis von 2x150mg/Tag kann v.a. Anämie, Fatigue und Durchfall sowie seltener Übelkeit bewirken. Metoclopramid kann in der Anfangsphase gegen Übelkeit angewendet werden. Das Blutbild sollte im ersten Monat 2-wöchentlich und danach 1x/Monat kontrolliert werden. Bei Anämie mit einem Hb-Wert <8mg/dl sind Erythrozytenkonzentrate indiziert. Erythropoetine sind unüblich. G-CSF-Präparate bei Neutropenie sind nicht indiziert. Thrombopenie ist sehr selten. Da es sich um Dauertherapien handelt, ist bei anhaltenden Nebenwirkungen meist eine Dosisreduktion empfehlenswert.
Ein prinzipiell vergleichbares Toxizitätsprofil weist Talazoparib (Standarddosis 1mg, Dosisred. 0,75mg, 0,5mg) auf. Auch hier gilt das Nebenwirkungsmanagement wie bei Olaparib. Zusätzlich ist auf vergleichsweise stärkere Hämatotoxizität zu achten. Eine Thrombopenie Grad 3 und eine Neutropenie Grad 3 werden bei je 17% während der Talazoparib-Behandlung beobachtet.
Oral verfügbare Chemotherapien
Diese sind Vinorelbin (60–80mg/m2 1x/Woche) und Capecitabin (2000mg/m2 Tag 1–14 alle 3 Wochen). Bei Vinorelbin ist die Gabe von Ondansetron 8mg vor der Einnahme relevant, außerdem eine etwaige Diarrhötherapie mit Loperamid. Neutropenien sind häufig. Bei Capecitabin ist insbesondere auf das Hand-Fuß-Syndrom zu achten, das eine Dosisunterbrechung und -reduktion notwendig macht. Diarrhö, Stomatitis und Neutropenie sind selten.
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