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Therapieansätze bei prämaturer Ovarialinsuffizienz

Unbehandelt geht eine prämature Ovarialinsuffizienz mit einer verkürzten Lebenserwartung einher. In Anbetracht der langfristigen gesundheitlichen Folgen ist es wesentlich, dass Frauen mit einem erhöhten Risiko für eine prämature Ovarialinsuffizienz rechtzeitig identifiziert und nicht nur hinsichtlich eines potenziellen Kinderwunsches beraten werden.

Keypoints

  • Bei Oligo-/Amenorrhö über 4Monate und 2 x FSH >25IU/l (im Abstand von >4 Wochen) an POI denken!

  • Östrogenmangel bei POI vermeiden, Aufklären über Lebensstilmodifikation

  • Bei drohender POI an Familienplanung/Fertilitätsprotektion denken

  • Zeitfaktor berücksichtigen – frühzeitige Konsultation eines Reproduktionsmediziners

Die prämature Ovarialinsuffizienz (POI) ist definiert als Verlust der ovariellen Aktivität vor dem 40. Lebensjahr und hat eine Prävalenz von etwa 1%. Zumeist präsentieren sich hier Symptome einer Menstruationsstörung im Sinne einer Oligo- oder Amenorrhö, wobei zusätzlich ein hypergonadotroper Hypogonadismus, also erhöhte Gonadotropine (FSH, LH) bei zeitgleich niedrigen Östrogenspiegeln vorliegen.

Folgende Parameter werden zur Diagnosestellung herangezogen:

  • Oligo-, Amenorrhö seit mindestens 4 Monaten und

  • FSH-Wert >25IU/l zweimal im Abstand von >4 Wochen

Ätiologie

Zu den bekannten Risikofaktoren für das Auftreten einer POI zählen Lebensstil- und sozioökonomische Faktoren, wie beispielsweise das Rauchen, sowie hereditäre und genetische Faktoren: Hier sind insbesondere das Ullrich-Turner-Syndrom, das fragile X-Syndrom sowie bestimmte autosomal vererbte Syndrome zu nennen. Bevölkerungsmerkmale wie die ethnische Zugehörigkeit können die Prävalenz beeinflussen.

Zudem gibt es Hinweise, dass ein gehäuftes Auftreten bei bestimmten autoimmunen Erkrankungen zu verzeichnen ist, wie etwa bei dem autoimmunen polyendokrinen Syndrom (APS), dem Morbus Addison, bei thyroidaler Autoimmunität, bei Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis etc.

Zu den häufigsten Ursachen einer POI zählen zudem chirurgische Eingriffe an den Eierstöcken – insbesondere dann, wenn diese beidseits durchgeführt werden oder ein großer Anteil an Eierstockgewebe exzidiert werden muss – sowie gonadotoxische Therapien, wie beispielsweise Chemotherapien und Bestrahlungen im Rahmen einer onkologischen oder systemischen Grunderkrankung. Die Gonadotoxizität bestimmter Chemotherapien (z.B. Alkylanzien) wirkt über Zerstörung von kleinsten Blutgefäßen mit konsekutivem bindegewebigem Umbau, wobei das Ausmaß der Schädigung von Faktoren, wie dem Alter der Frau und der bestehenden ovariellen Reserve, der Art bzw. Substanz der Chemotherapie sowie der kumulativen Gesamtdosis, die verabreicht wird, abhängig ist. Die Strahlentherapie gilt zusätzlich als dosisabhängiger Risikofaktor für das Entstehen einer POI.

Therapie

Unbehandelt geht eine POI mit einer verkürzten Lebenserwartung einher, was dem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Osteoporose mit konsekutiven Frakturen geschuldet ist. Dies konnte in der Mayo Clinic Cohort Study, bei der ovarektomierte Frauen über einen Follow-up-Zeitraum von 38 Jahren nachverfolgt wurden, bestätigt werden. Die Sterblichkeit von Frauen vor dem 45. Lebensjahr nach beidseitiger Ovarektomie war mit einer HR von 1,67 erhöht (Rocca et al. 2006). In einer großen niederländischen Kohorte von 12000 Frauen wurde über einen Zeitraum von 20 Jahren errechnet, dass das kardiovaskuläre Sterberisiko mit jedem Jahr, um das die Menopause verzögert werden würde, um 2% abnimmt (van der Schouw et al. 1996).

Folglich sollten Frauen mit POI informiert und beraten werden, wie sie kardiovaskuläre Risikofaktoren reduzieren können. Lebensstilmodifikationen, wie Nikotinkarenz, regelmäßige Bewegung und das Halten des Normalgewichts, dienen zugleich der Verbesserung der Knochengesundheit. Zudem hat sich die Hormonersatztherapie als probates Mittel erwiesen, um die meisten Symptomkomplexe einer POI effektiv zu behandeln. Wesentlich ist, dass diese frühzeitig initiiert und bis zum Eintritt ins natürliche Menopausenalter fortgesetzt wird.

Kinderwunsch bei POI

Bei Frauen mit Kinderwunsch und nachgewiesener POI, bei denen die Chance zum Erhalt der Fruchtbarkeit verpasst wurde, stellt die Eizellspende die (einzige?) Möglichkeit dar, schwanger zu werden. Es gibt derzeit keine verlässlichen Hinweise darauf, dass andere Interventionen die bereits erloschene reproduktive Kapazität der Eierstöcke und somit die natürliche Empfängnisrate erhöhen könnten, wenngleich selten Schwangerschaften aus einzelnen ovulatorischen Zyklen berichtet werden. In Österreich ist die altruistische Spende für Frauen im frühzeitigen Wechsel bis zum Erreichen des 45. Lebensjahres erlaubt.

Deshalb ist es wesentlich, dass Frauen mit einem erhöhten Risiko für eine POI rechtzeitig identifiziert und hinsichtlich eines potenziellen Kinderwunsches beraten werden. Wenngleich in Österreich das „social freezing“ nach wie vor verboten ist, besteht bei Krankheiten, die mit einer fertilitätsreduzierenden Therapie einhergehen oder die selbst die Fertilität bedrohen, die Möglichkeit, eine Fertilitätsprotektion durchzuführen. Darunter versteht man beispielsweise die Kryokonservierung von befruchteten oder unbefruchteten Eizellen durch Techniken der assistierten Reproduktion oder auch eines Teils des Eierstocks im Sinne einer „ovarian tissue cryopreservation“ (OTC). Eine diesbezügliche Beratung sollte durch einen dafür spezialisierten Reproduktionsmediziner durchgeführt werden.

In den letzten Jahren wurden (zumeist) im Rahmen einer assistierten Reproduktion diverse Behandlungsschemata erforscht, um bei Frauen mit drohender POI die reduzierte ovarielle Reserve und die damit einhergehende niedrige Schwangerschaftsrate zu optimieren.

Neben der bereits seit Längerem in der Reproduktionsmedizin angewandten Östrogenvorbehandlung gibt es mittlerweile zunehmend vielversprechende Arbeiten zur Androgensubstitution – zum Beispiel in Form eines Dehydroepiandrosterons (DHEA) – als potenziell wirksame Methode zur Verbesserung der ovariellen Reserve und der Schwangerschaftsrate.

Zu Stimulationsschemata mit Wachstumshormon oder niedrig dosiertem Schwangerschaftshormon im Rahmen einer künstlichen Befruchtung gibt es zwar Hinweise auf eine Verbesserung von Surrogatparametern, die auf eine höhere Schwangerschaftschance schließen lassen (wie z.B. die Gewinnung von mehr Eizellen), eine klare Evidenz zur Verbesserung der Lebendgeburtenrate ist aber bis dato ausgeblieben.

Der Einsatz von plättchenreichem Plasma (PRP, „platelet rich plasma“) – einem primär aus der regenerativen Medizin kommenden Therapieansatz – ist neuerdings Thema experimenteller Studien in der Reproduktionsmedizin und findet Einsatz bei reduzierter ovarieller Reserve und drohender POI. Die zugrunde liegende Hypothese ist, dass im PRP vorkommende biologisch aktive Proteine die Zellproliferation, das Zellwachstum sowie die Zelldifferenzierung und Angiogenese fördern. In Studien wurde betroffenen Frauen Vollblut abgenommen, zentrifugiert und das körpereigene PRP (ggf. nach Aktivierung) in den Eierstock injiziert. Mehrere Studien der letzten Jahre berichteten von einer Verbesserung laborchemischer und klinischer Parameter und so gilt PRP derzeit als durchaus vielversprechender, aber experimenteller Therapieansatz bei POI, wobei natürlich Langzeitergebnisse – auch hinsichtlich Nebenwirkungen – noch nicht vorliegen.

Die Inhalte dieses Artikels waren Thema eines Vortrags bei der Fortbildung „Gynäkologie Update Refresher“ vom 2.–4. Dezember 2021, Livestream

beim Verfasser

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