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Nicht nur (Sectio-)Hysterektomie

Operationen am Uterus bei Placenta- accreta-Spektrum (PAS)

Höhergradige Plazentationsstörungen steigen in ihrer Prävalenz und betreffen mittlerweile schon eine von 500 Geburten,1 weshalb aufgrund ihrer potenziell tödlichen Komplikationen das Bewusstsein für diese Pathologie geschärft und das klinische Management optimiert werden muss. Im folgenden Artikel wird entsprechend ein Überblick über das Krankheitsbild und vor allem die verschiedenen Therapiemöglichkeiten auf Grundlage der Pathophysiologie gegeben.

Epidemiologie und Pathogenese

Das Placenta-accreta-Spektrum (PAS) oder – wie auch synonym in der Literatur verwendet wird – „abnormally invasive placenta“ (AIP) oder „morbidly adherent placenta“ (MAP) umfasst drei Entitäten, deren Einteilung anhand klinischer und histopathologischer Kriterien erfolgt: 1. die Placenta accreta als mildeste Ausprägung der Plazentationsstörung mit einer sich bei Geburt nicht spontan lösenden Adhärenz der plazentaren Zotten mit der Uteruswand ohne eine Infiltration des Myometriums, 2. die Placenta increta, bei der die plazentaren Villi das Myometrium infiltrieren, und 3. die Placenta percreta als Maximalvariante, bei der die plazentaren Villi das Myometrium durchdringen und die uterine Serosa erreichen.2 Je nach Lage wird das umliegende Gewebe, insbesondere die aufgrund ihrer anatomischen Lage gefährdete Harnblasenhinterwand, in den Prozess involviert.3

Bei weltweit steigenden Kaiserschnittraten treten auch vermehrt Störungen des PAS auf. Es besteht zwar eine starke Assoziation mit der Anzahl an vorangegangenen Kaiserschnitten, jedoch können Plazentationsstörungen als Folge jeder Endometriumläsion auftreten. Das heißt, operative Interventionen (wie Curettagen des Cavum uteri, manuelle Plazentalösungen, Endometriumablationen oder hysteroskopische Interventionen) sowie andere strukturelle oder anatomische Auffälligkeiten des Uterus (Adenomyosis uteri, postpartale Endometritis, Uterus duplex mit nicht kommunizierenden Hörnern) stellen Risikofaktoren dar.4

Pathophysiologische Grundlage der Entwicklung von Plazentationsstörungen ist ein dezidualer Defekt, im Sinne eines kompletten oder partiellen Fehlens der Decidua basalis. So kommt es zum Versagen der regelhaften Trophoblastinvasion.5 Man geht davon aus, dass es, im Falle einer vorausgegangenen Sectio caesarea, im Bereich der Uterotomie zu einem sekundären Defekt an der Grenzfläche zwischen Endometrium und Myometrium kommt, der wiederum zu einem Versagen der normalen Dezidualisierung führt und so eine abnorm tiefe Trophoblastinvasion, Vaskularisation und damit eine abnorm tiefe Plazentation ermöglicht.5 Die klassische Eintrittspforte ist die Sectionarbenschwangerschaft6 (Abb. 1). Es kommt zur Neovaskularisation mit Ausbildung muskelschwacher Gefäße, die durch hohen Blutfluss gekennzeichnet sind5 und wesentlich die klinischen Probleme bei der Entbindung sowie auch den sonografischen Aspekt bedingen. So lassen sich beispielsweise die Lakunen als Folge einer Gewebedisruption durch den gesteigerten Fluss erklären (Abb. 2).

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Abb. 1: Durch eine vorangegangene Sectio kann es bei einer weiteren Schwangerschaft zu einer abnorm tiefen Plazentation im Bereich der Uterotomie kommen

© Angela Köninger

Abb. 2: Lakunen bilden sich als Folge einer Gewebsdisruption durch gesteigerten Blutfluss

Im weitesten Sinn stellt das PAS den pathophysiologischen diametralen Gegenpol zur gestörten Trophoblastinvasion bei der plazentaren Dysfunktion (Präeklampsie, Wachstumsretardierung) dar. Während bei der Präeklampsie eine geminderte Invasion extravillöser trophoblastärer Zellen in die uterinen Spiralarterien stattfindet und dieser Prozess durch die Decidua reguliert wird, gibt es Hinweise, dass aufgrund des Deciduadefektes bei PAS die Trophoblastinvasion gegenteilig, nämlich akzeleriert verläuft.7

Das matrizelluläre Protein CCN3 reguliert den Übergang von proliferierenden in migrierende trophoblastäre Zellen und spielt eine bedeutende Rolle in der Pathogenese der Präeklampsie.8 So konnte gezeigt werden, dass in präeklamptischen Plazenten eine reduzierte, in Plazenten mit inkretem oder perkretem Wachstum hingegen eine gesteigerte CCN3-Expression vorliegt.7

Die durch die veränderte Trophoblastinvasion induzierte Neovaskularisation ist besonders dann herausfordernd, wenn sich diese auf die angrenzende Blasenhinterwand erstreckt. Sonografisch zeigen sich sog. „bridging vessels“–die Topografie impliziert die Pathogenese: Es handelt sich um Gefäßneubildungen, die sich vom Nachbarorgan auf die Plazentaoberfläche erstrecken und im Falle der operativen Versorgung subtil ligiert werden müssen (Abb. 3). Aufgrund der Fragilität der Gefäße sind sie praktisch nicht koagulierbar, sondern erfordern eine subtile Ligatur und Durchtrennung jedes einzelnen Gefäßes.9

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Abb. 3: „Bridging vessels“-Gefäßneubildungen, die sich vom Nachbarorgan auf die Plazentaoberfläche erstrecken

Deziduale Defekte als Eintrittspforten der höhergradigen Plazentationsstörungen erklären auch die hohe Koinzidenz mit einer Placenta praevia und die Assoziation beider pathologischer Zustände mit der Anzahl an Sectiones.4

Therapie

Derzeit existiert kein Goldstandard der Therapie der höhergradigen Plazentationsstörungen. Entscheidend im klinischen Management sind in jedem Fall die frühe Diagnosestellung und das Schaffen optimaler (präpartaler) Voraussetzungen.10,11

Die manuelle Plazentalösung ist in Fällen einer verzögerten Plazentalösung oder -retention und bei Vorliegen einer Placenta accreta Therapie der Wahl. Bei Placenta in- und percreta ist dies jedoch unbedingt zu vermeiden, um schwere Hämorrhagien durch Gefäßabrisse zu verhindern.12,13

Die bisher gängigste Therapie der höhergradigen Plazentationsstörungen stellte die Sectio-Hysterektomie dar. Diese wurde lange für die sicherste Therapieoption gehalten. Neben dem Fertilitätsverlust und den psychischen Folgen der Hysterektomie geht jedoch auch die Sectio-Hysterektomie mit hoher maternaler Morbidität einher.14,17 Insbesondere kann es auch hier zu erheblichem Blutverlust mit einhergehenden Komplikationen wie der Notwendigkeit von Bluttransfusionen oder dem Auftreten einer disseminierten intravasalen Koagulation kommen.17

Fokale Resektion

Verschiedene Autoren beschrieben organerhaltende Vorgehensweisen bei Placenta percreta und increta.12,14–16,18 Camuzcuoglu et al. entwickelten eine Technik der Sectio-Hysterektomie bei Placenta praevia et percreta zur Reduktion der maternalen Komplikationen. Sie beinhaltet die Sectio mittels Längslaparotomie, eine fundale Uterotomie zur Kindsentwicklung im Bereich des Fundus uteri, wobei die genaue Lokalisation der Uterotomie anhand der präoperativen Sonografie festgelegt wird, und eine Reduktion des uterinen Blutflusses entweder mittels Ligatur der Arteria iliaca interna oder Ligatur/Abklemmen der Ligg. ovarii propria und rotunda. Anschließend erfolgen die Adhäsiolyse und Ligatur der Gefäße zwischen Uterus und Blase/vorderer Beckenwand und das Abklemmen der A. uterina beidseits. Im Anschluss kann die Hysterektomie mit Placenta in situ erfolgen. Entsprechend dieser Operationstechnik kam es kaum zu schwerwiegenden maternalen Komplikationen und insbesondere zu keinem maternalen Todesfall. Herausfordernd sind die Gefäße zwischen perkreter Plazenta und Blasenhinterwand.9

Neben der Sectio-Hysterektomie existiert eine Reihe an konservativen Therapieansätzen. Eine konservative Therapie beschreibt in diesem Zusammenhang alle Verfahren, die eine peripartale Hysterektomie zu vermeiden suchen.12,13

Unter den konservativen Therapien wird zunehmend die fokale Resektion durchgeführt, die von von verschiedenen Autoren beschrieben wurde.15,16,18 Dieses Verfahren eignet sich insbesondere bei der umschriebenen Implantation der Plazenta in die Sectionarbe hinein mit Dehiszenz derselben. Die genaue Kenntnis der perkreten Anteile erlaubt die präoperative Operationsplanung hinsichtlich der Machbarkeit. Die fokale Resektion setzt voraus, dass auch nur eine fokale Invasion in einem resektablen Bereich vorliegt. Eine Infiltration der Zervix oder der Uterushinterwand verunmöglicht die schnelle und komplette Plazentaentfernung, sodass sich diese Lokalisationen nicht für eine fokale Resektion eignen. Wir beschreiben hier nun die in unserem Haus angewandte Technik in Analogie zum beschriebenen Vorgehen von Camuzcuoglu et al., 2016. Hierbei erfolgt die Sectio analog zur oben beschriebenen Technik der Sectio-Hysterektomie mittels Längslaparotomie und Hervorluxieren des Uterus vor die Bauchdecke (Abb. 4a) und der Kindsentwicklung über den Fundus per Längsinzision (Abb. 4b). Vor fokaler Resektion erfolgt die Ligatur aller Gefäße zwischen Uterus/Plazenta und Blase bzw. vorderer Bauchwand. Hierfür werden Overholt-Klemmen eingesetzt, die Gefäße mit monopolarem Strom durchtrennt und anschließend mit Vicryl- 3,0-Fäden ligiert (Abb. 4c). Der betroffene Myometriumanteil mit eingewachsener Plazenta wird mit einem Skalpell sehr rasch exzidiert (Abb. 4d und 4e), anschließend erfolgt die Rekonstruktion des Uterus durch tiefgreifende Nähte in Längsrichtung (Abb. 4f).

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Abb. 4a–f: OP-Technik zur fokalen Resektion, wie sie in der Universitätsklinik Regensburg angewandt wird

Mehrere multizentrische Arbeiten konnten zeigen, dass weder Blutverlust noch Morbidität höher sind, wenn eine fokale Resektion vorgenommen wird verglichen zur primären Hysterektomie.14,17

Es konnte gezeigt werden, dass nach fokaler Resektion eine komplikationslose Folgeschwangerschaft und Entbindung bei bestehendem Risiko für das erneute Auftreten einer Plazentationsstörung möglich sind.19

Die Erfolgsraten der fokalen Resektion sind stark von der Lokalisation der Placenta percreta abhängig: Bei >90% der Patientinnen mit Placenta percreta und Infiltration der Blase im oberen Bereich konnte der Uterus erhalten werden, bei Infiltration des unteren Segmentes nur bei bis zu 20%.20

„Leaving the placenta in situ approach“(LISA)

Einen weiteren konservativen Therapieansatz stellt der „leaving the placenta in situ approach“ (LISA) dar, bei welchem die Plazenta nach Entbindung des Kindes in situ belassen wird. Pathophysiologische Grundlage des LISA ist, dass es nach Entbindung des Feten zu einer kontinuierlichen Abnahme der Blutversorgung des Uterus, der Parametrien und der Plazenta kommt. Dies führt im Verlauf zu einer sekundären Nekrose des Zottengewebes und so zur Ablösung der Plazenta von der Gebärmutter und den angrenzenden Beckenorganen.12 Zur Senkung des Infektionsrisikos wird häufig eine prophylaktische Therapie mit einem Breitspektrumantibiotikum durchgeführt.21

Dieser Therapieansatz kann nur bei kreislaufstabiler Patientin und hoher zu erwartender Compliance angewandt werden aufgrund des erhöhten Risikos einer nicht vorhersehbaren vaginalen Blutung.13 Auch kann durch die Gewebsnekrose ein pseudoseptisches Bild entstehen,22 was sich aus unserer Erfahrung selbst limitieren kann und von einer bakteriellen Superinfektion der Plazenta unterschieden werden muss.

Im Falle von schweren Komplikationen wie Hämorrhagie, Infektion oder Sepsis ist eine (Notfall-)Hysterektomie indiziert. Diese geht allerdings mit einem deutlich höheren Blutverlust einher als eine geplante Hysterektomie.17

Zusammenfassung

Mittlerweile ist in einem Großteil der Fälle ein konservatives Vorgehen möglich.14,18

Es konnte in einer Arbeit mit großer Fallzahl gezeigt werden, dass bei Patientinnen im Zustand nach konservativer Therapie des PAS innerhalb der ersten 24 Stunden postoperativ weniger Blutverlust und damit weniger zu transfundierende Blutkonserven zu verzeichnen waren als bei Patientinnen im Zustand nach Sectio-Hysterektomie. Es bestand kein Unterschied der beiden Gruppen hinsichtlich des Auftretens von Blasenverletzungen, postoperativer Anämie, Fieber oder disseminierter intravasaler Gerinnnung. Ebenso war das neonatale Outcome beider Gruppen vergleichbar.14

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Kenntnis der pathophysiologischen Grundlagen der höhergradigen Plazentationsstörungen entscheidend bei der operativen Versorgung und damit bei der erfolgreichen Therapie ist. Insbesondere spielt die pathologische Neovaskularisation eine wichtige Rolle im Management dieses Krankheitsbildes, weshalb sich alle operativen Therapien hiermit auseinandersetzen müssen. Die exakte Kenntnis der Lage der perkreten Plazentaanteile und die subtile Ligatur jedes Gefäßes, welches sich zwischen perkreter Plazenta und Umgebung erstreckt, ermöglichen das organerhaltende Vorgehen mittels fokaler Resektion. Die präpartale Diagnosestellung, ein koordiniertes klinisches Management und große Erfahrung des operierenden Teams stellen die entscheidenden Einflussfaktoren in der Behandlung dar.

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