
Intra- und postpartale Blutungen
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Christian Dadak
Universitätsklinik für Frauenheilkunde
MedUni Wien
E-Mail: christian.dadak@dadak.at
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Blutungen vor, während und nach der Geburt zählen zu den weltweit häufigsten Ursachen mütterlicher Mortalität. Mit dem richtigen Management und präventiven Maßnahmen kann die Sterblichkeit gesenkt werden.
Intrapartale Blutung
Beispiele für intrapartale Blutungen sind die vorzeitige Plazentalösung, Placenta praevia, Insertio velamentosa und Uterusruptur. Spotting während der Schwangerschaft geht oft mit schweren Blutungen in späteren Schwangerschaftswochen einher.
Vorzeitige Plazentalösung
Die Symptome hierfür sind vaginale Blutungen, die in 20% der Fälle jedoch durch die Muskulatur des Uterus gehen und daher nicht sichtbar sind. Es kommt zur Überspannung des Uterus und zu Abdominalschmerzen. Vitalzeichen wie die Herzfrequenz sind zu beobachten. Die Ursache ist unbekannt, mögliche Gründe jedoch sind Verletzungen und der vermehrte, rasche Verlust von Fruchtwasser. Die Diagnose kann durch Ultraschalluntersuchungen gesichert werden. Die Therapie ist abhängig vom Ausmaß der Plazentalösung sowie vom Zustand des Kindes. Eine Sectiobereitschaft muss jedoch gegeben sein. Die Häufigkeit einer vorzeitigen Plazentaablösung beträgt 0,2–2%. Nach Altersgruppen verteilt sich die Häufigkeit wie folgt: Unter 35 Jahren beträgt die Häufigkeit 0,7%, in der Altersgruppe 35–39 Jahre 0,8% und bei Frauen >40 Jahre 1,6%.
Trauma
In den USA sind 3–8% der Schwangerschaften mit einem Trauma belastet, von denen 75% auf Verkehrsunfälle und 25% auf häusliche Gewalt zurückgehen. Risikofaktoren für ein Trauma in der Schwangerschaft sind jugendliches Alter, Drogenkonsum und Alkoholmissbrauch. Aus eigener Erfahrung: Einer jungen Frau fuhr in der 21. Schwangerschaftswoche ein Traktor mit dem Vorderrad über das Becken. Es kam zu zahlreichen Brüchen der Beckenknochen, die Schwangerschaft war nicht in Mitleidenschaft gezogen. Das Kind wurde am Termin gesund entbunden.
Insertio velamentosa
Bei der Insertio velamentosa muss man berücksichtigen, dass das Blut aus dem Feten stammt. Selbst kleine Mengen an Blut sind schon sehr gefährlich.
Placenta praevia
Die Häufigkeit beträgt 0,5–1% aller Schwangerschaften. Je nach Ausmaß der Placenta praevia im Verhältnis zum inneren Muttermund wird unterschiedlich gehandelt. Es besteht ein Zusammenhang mit früheren Operationen (Sectio).
Uterusruptur
Wird die Uterusruptur rechtzeitig entdeckt, ist schnelles Handeln gefordert, um das Kind zu retten. Die Blutung ist meist leicht zum Stillstand zu bringen; wenn jedoch das Gewebe zu stark zerrissen ist, hilft nur eine Uterusexstirpation.
Postpartale Blutungen
Die Physiologie der Blutbildung besteht aus zwei Komponenten:
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der mechanischen Kompression der Blutgefäße durch die Steigerung des Uterustonus und
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der Gerinnungsaktivierung zur Bildung von Thromben in den Blutgefäßen des Uterus.
Sollte eines dieser Elemente ausfallen, kommt es zu starken Blutungen.
Eine verstärkte Blutung ist der Definition nach bei einem Blutverlust von mehr als 500ml nach vaginaler Entbindung gegeben, bei einem Blutverlust von mehr als 1000ml spricht man auch bei einer Sectio von einer verstärkten Blutung. Eine primäre Blutung beginnt bei der Geburt oder wenige Stunden nach der Geburt, eine sekundäre Blutung erst zu Hause.
Mit 24% der weltweiten Sterbefälle steht die Blutung an erster Stelle der Ursachen für maternale Mortalität. Weltweit kam es im Jahr 2000 zu ca. 14 Millionen Fällen von Blutungen post partum. Dabei kamen 200000 Mütter zu Tode. In der westlichen Welt tritt eine schwere mütterliche Morbidität infolge der Blutung bei 3 von 1000 Geburten ein. In der 3. Welt sind es etwa 30% der Sterbefälle, im Westen sind es etwa 13%, die durch postpartale Blutung verursacht wurden. Das Ausmaß der Blutung wird in 30% bis 50% der Fälle visuell unterschätzt.
Risikofaktoren für eine postpartale Blutung sind:
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Adipositas,
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höheres Alter der Mutter,
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Placenta praevia,
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vorzeitige Plazentalösung,
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Plazenta-Retention,
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verlängerte Plazentaperiode,
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Präeklampsie,
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Mehrlingsschwangerschaft,
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Status post Blutung,
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HELLP-Syndrom,
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Geburtseinleitung,
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Sectio
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vaginale operative Entbindung,
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Fieber unter der Geburt,
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Anämie und
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Dammriss.
Seltene Ursachen für Blutungen sind Sepsis, Fruchtwasserembolie, „dead fetus syndrome“ und die Überdosierung von Heparin (welche an 4. Stelle bei der Häufigkeit von Falschmedikationen liegt).
Man spricht von den 4Ts als Ursache für eine peripartale Blutung: Tonus, Trauma, Tissue, Thrombin.
Management bei Blutungen
Zunächst müssen alle blutgetränkten Unterlagen, Vorlagen, Wäsche usw. eingesammelt werden. Die Stabilisierung des Kreislaufes soll die erste Maßnahme sein. Dann muss ein Teamleader bestellt bzw. ins Krankenhaus beordert werden. Danach sind die Ursachen für die Blutung abzuklären. Medikamentös sollen zunächst Tranexamsäure sowie 3–5IE Oxytocin in 10ml NaCl als Bolus gegeben werden. Eine Dauertropfinfusion mit 10–40IE Oxytocin in 1000ml Ringer-Laktatlösung muss angehängt werden. Ein frühes Umsteigen auf Sulproston (Nalador) ist anzuraten. Ein Dauerkatheter empfiehlt sich zur Messung der Harnausscheidung. Methergin soll nicht verwendet werden, da es Gefäßspasmen verursachen und ein Compartment-Syndrom auslösen kann. Laut einer Cochrane-Studie ist Carboticin nicht effektiver als Oxytocin. An Gerinnungsfaktoren stehen Tranexamsäure, Fibrinogen, Faktor XIII, Faktor VIIA sowie Fresh Frozen Plasma zur Verfügung. Vor der Gabe von Fibrinogen muss unbedingt der Fibrinogen-Spiegel im Blut erhoben werden. Werte von unter 2g/l können verheerend sein.
Eine Person sollte zur Aufzeichnung der verabreichten Medikamente und Behandlungen bestimmt werden. Falls das nicht möglich ist, soll zeitnah gemeinsam ein Protokoll des Handlungsablaufes erstellt werden. Eine gemeinsame Besprechung des Falles muss nach Abschluss der Behandlung durchgeführt werden.
Die klinische Evaluation beinhaltet die Beachtung der Vitalzeichen sowie das Monitoring des Blutdrucks, der Sauerstoffsättigung und der Harnproduktion. Weiters muss eine klinische Untersuchung stattfinden.
Zu erreichende Werte sind Blutdruckwerte von 100 zu 55mmHG, Puls unter 100, Hämatokrit >21, Hämoglobin >7g/dl und Thrombozyten >50000.
Beim Telefon muss griffbereit eine Liste wichtiger Telefonnummern – des Chefarztes, der Oberärzte, der Anästhesisten, der Kinderärzte, des Labors und der Blutbank – verfügbar sein.
Man muss sich darüber bewusst sein, dass die am Beginn der Blutung verloren gegangene Zeit nicht mehr eingeholt werden kann.
Chirurgische Maßnahmen bei Blutungen
Falls die Plazenta sich nicht löst, sind manuelle Plazentalösungen mit Nachcurettage notwendig. Eine prophylaktische Curettage sollte vermieden werden. Hierzu kann versucht werden, Fundusmassage und Kompression durchzuführen. Wenn das nicht erfolgreich ist, ist eine Ballontamponade anzuwenden (in der Aorta oder intrauterin). Als nächster Schritt wäre eine Embolisation der A. uterina zu überlegen, allerdings ist der Zeitaufwand für die Vorbereitung einer Embolisation durchaus beträchtlich, hierbei könnte eventuell zu viel Zeit verloren gehen. Sollte auch das nicht erfolgreich sein, kann bei geöffnetem Bauch eine Lynch-Naht o. Ä. durchgeführt werden. Als Ultima Ratio ist die Uterusexstirpation mit eventuell belassener Zervix durchzuführen.
Neuerdings gibt es ein von Krebsen gewonnenes Gel mit einer Gaze, mit der man den Uterus tamponieren kann. Neu ist auch ein Vakuumgerät, das man bei Blutungen intrauterin legen kann.
Zum Transport in eine Spezialklinik empfiehlt sich die sogenannte Sumo-Kompression.
Die Rezidivraten betragen bei der 2. Geburt 18% und bei der 3. Geburt bereits 27%.
Besonders wichtig ist das Training eines Blutungsnotfalls. Im Idealfall sind entsprechende Übungen alle 3 Monate durchzuführen, bei jeweils anderer Zusammensetzung des Personals, es müssen jedoch alle Berufsgruppen anwesend sein. Falls möglich, sollte eine Videodokumentation durchgeführt werden, auf die in der Nachbesprechung besonders gut eingegangen werden kann.
Blutungsalgorithmus
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1. Schritt: Facharzt/Oberarzt verständigen, 2 IV-Zugänge schaffen, Laboruntersuchungen anordnen, Oxytocin geben, Blasenkatheter setzen, gynäkologische Untersuchung
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2. Schritt: OP-Vorbereitung, dann nachtasten, dann Tranexamsäure-, Sulproston- und Fibrinogen-Gabe, Verständigung desjenigen mit der größtmöglichen Expertise, Erythrozytenkonzentrate und Fresh Frozen Plasma
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3. Schritt: Applikation eines Ballonkatheters
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4. Schritt: Beiziehung desjenigen mit der größten Expertise, Laparatomie, Nähte setzen, Gefäßligatur, Uterusexstirpation
Prävention
Bei der Geburt soll die prophylaktische Gabe von Oxytocin langsam intravenös oder als Kurzinfusion gegeben werden. Großlumige Zugänge sollten bei jeder Patientin unter der Geburt vorhanden sein. Verfügbarkeit eines Notfalllabors und einer Blutbank muss gewährleistet sein. Ein erfahrener Geburtshelfer und ein Anästhesist sollten im Haus verfügbar sein, Spezialisten in Rufbereitschaft.
Literatur:
• Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Peripartale Blutungen. Diagnostik und Therapie, AWMF-Leitlinie 2022
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