
Hitzewallungen hormonfrei behandeln
Bericht:
Dr. med. Felicitas Witte
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Die neuen NK3-Rezeptor-Antagonisten könnten eine hormonfreie Alternative zur Hormontherapie sein. Die Zulassung ist beantragt, aber noch ist nicht klar, ob die Präparate genauso gut wirken wie eine Hormontherapie und ob sie langfristig sicher sind.
Vasomotorische Symptome können die Lebensqualität der davon betroffenen Frauen enorm einschränken. Eine von zehn Patientinnen beschreibt die Beschwerden als nicht tolerierbar.1 Die Frauen adäquat zu beraten ist eine Herausforderung. Zwar lindert eine Hormontherapie die Beschwerden gut. Doch rund jede zehnte Frau darf keine Hormone bekommen, weil sie bei ihr kontraindiziert sind. Von den Frauen, die sie nehmen könnten, wollen sie mehr als jede Zweite nicht, und das in jedem dritten Fall wegen möglicher Nebenwirkungen.2 Hormonfreie Alternativen wie Traubensilberkerze, Johanniskraut, Antidepressiva, Hypnose oder kognitive Verhaltenstherapie helfen nicht so gut wie eine Hormontherapie, können auch unerwünschte Wirkungen haben oder sind aufwendig.
Nun könnte womöglich demnächst ein neues Medikament gegen Hitzewallungen zugelassen werden, das keine Hormone enthält und gut zu wirken scheint. Das Medikament heisst Fezolinetant und ist ein NK3-Rezeptor-Antagonist. Es blockiert die Bindung des Botenstoffs Neurokinin B an die Kisspeptin-Neurokinin-B-Dynorphin-Neuronen (KNDy). Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Temperaturregulation. Das Temperaturregulationszentrum im Hypothalamus wird durch diese Neuronen innerviert. Diese Neuronen werden durch Neurokinin B via die NK3-Rezeptoren stimuliert und durch Östrogene gehemmt. Die in den Wechseljahren sinkenden Östrogenkonzentrationen resultieren in einer Hypertrophie der KNDy-Neuronen und einer Dysregulation des Thermoregulationszentrums. Vereinfacht gesagt, gerät die Temperaturkontrolle durcheinander und es entsteht das Signal, dass Wärme abgegeben werden muss. Als Reaktion kommt es zur Gefässdilatation in der Haut, was Hitzewallungen und Nachtschweiss verursacht. Fezolinetant bindet an den NK3-Rezeptor und verhindert so, dass das überaktive Temperaturregulationszentrum die Wärmeabgabe steigert. Fezolinetant wurde in zwei Phase-III-Studien getestet, SKYLIGHT-1 und SKYLIGHT-2.3,4 Diese beiden und eine zusätzliche Studie zur erweiterten Untersuchung der Sicherheit, SKYLIGHT-4,5 hat der Hersteller für die Zulassung in den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union, Australien und der Schweiz eingereicht.
Gezielt im Hypothalamus angreifen
An SKYLIGHT-1 und SKYLIGHT-2 nahmen insgesamt 1022 Frauen aus den Vereinigten Staaten, Kanada und Europa teil. Die Frauen hatten pro 24 Stunden mindestens sieben bis acht Hitzewallungen oder pro Woche 50 bis 60. Die Symptome sollten mittelschwer bis schwer sein, also Hitzegefühl mit Schwitzen und bei schwerer Symptomatik, sodass die Frau in ihren Aktivitäten eingeschränkt wurde. Die Frauen wurden randomisiert in drei Gruppen und nahmen verblindet entweder 30mg oder 45mg Fezolinetant oder Placebo. Nach vier und zwölf Wochen hatten die Frauen nur noch halb so häufig Hitzewallungen, und diese waren nicht mehr so schlimm. Der Effekt hielt über den Studienzeitraum von 52 Wochen an. «Ich finde den Ansatz spannend, gezielt im Temperaturregulationszentrum anzugreifen und ein Symptom auszuschalten, ohne andere Funktionen des Hypothalamus zu beeinträchtigen», sagt Prof. Petra Stute, Leiterin Gynäkologische Endokrinologie an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde Bern und eine der Studienautoren. «Fezolinetant wäre eine gute Alternative für Frauen mit Kontraindikationen gegen Hormone oder Frauen, die Hormone nicht wollen.» Und es könne sich auch als zusätzliche Therapie eignen. «Zum Beispiel, wenn die Frau eigentlich eine höhere Hormondosis bräuchte, um ihre Symptome zu lindern, aber sie zu viele lästige Nebenwirkungen damit bekommt, etwa Ödeme oder Ziehen in den Brüsten.»
Prof. Kai Bühling, Leiter der Hormonsprechstunde der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, ist skeptisch. «Mich überzeugen die Studien nicht.» Damit meint er zum einen die Wirksamkeit. In den Studien sank zwar die Häufigkeit der Hitzewallungen um die Hälfte, das heisst von fast elf pro 24 Stunden auf gut vier. Aber auch in der Placebogruppe hatten die Frauen nachher ein Drittel weniger Wallungen, nämlich statt 10,5 pro 24 Stunden 7 pro 24 Stunden.
Statistischer Unterschied auch spürbar?
Zum anderen verringerte Fezolinetant die Schwere der Symptome, aber es ist nicht einfach, nachzuvollziehen, wie stark der Effekt war. Der Schweregrad der Wallungen wurde mithilfe einer Formel berechnet, in die die Anzahl leichter, mittelschwerer und schwerer Wallungen mit einging. Am Ende kam ein Punktwert heraus. Je mehr schwere Wallungen eine Frau hatte, desto höher wurde der Punktwert. Zu Studienbeginn hatten die Teilnehmerinnen aller drei Gruppen einen Wert von 2,4. Mit Fezolinetant sank der Wert nach zwölf Wochen je nach Dosis und Studie auf 1,90 bis 1,66 und mit Placebo auf rund 2,0. Der Unterschied war zwar statistisch signifikant, «aber wir wissen nicht, ob sich die Statistik auch für die Frauen bemerkbar macht», sagt Bühling. Ähnlich ist es mit dem Schlaf: Ob Frauen Schlafstörungen durch die Hitzewallungen hatten, wurde mit einem standardisierten Fragebogen gemessen. 40 Punkte konnte man maximal erreichen, was starken Schlafproblemen entsprach. Zu Beginnder Studie gaben die Frauen im Schnitt einen Wert von 27 an. Nach zwölf Wochen war dieser Wert um wenige Punkte gesunken, und zwar nicht nur mit Fezolinetant, sondern auch mit Placebo. Nur in einer der beiden Phase-III-Studien war der Unterschied zu Placebo signifikant, und auch nur mit der höheren Dosierung von Fezolinetant. «Ich frage mich, welchen Mehrwert Fezolinetant gegenüber Placebo hat», sagt Bühling. Dass Placebos Hitzewallungen ziemlich gut lindern können, wurde schon in früheren Studien gezeigt. Hierbei spielt vor allem die Hoffnung auf Besserung eine Rolle, der Optimismus, dass das Medikament hilft, und eine positive Erwartungshaltung, wie Bühling mit Kollegen aus Hamburg vor drei Jahren in einer Studie mit 100 Frauen herausfand. Die Placebos wirkten auch dann, wenn die Frau wusste, dass sie ein Scheinpräparat bekam.6
Bisher gibt es keine Studie, die Fezolinetant mit einer Hormontherapie direkt verglichen hat. So ist noch nicht klar, ob das neue Medikament vergleichbar gut wirkt. Und Fezolinetant hat noch einen Nachteil: Es lindert nur die Hitzewallungen, während die Hormone erwiesenermassen noch andere wechseljahresbedingte Beschwerden bessern können: etwa Stimmungsschwankungen oder depressive Verstimmungen. Und die Hormone senken das Risiko für Osteoporose-assoziierte Knochenbrüche. «Ich sähe Fezolinetant, wenn überhaupt, nur als Alternative, wenn die Frau sehr schlimme Hitzewallungen hat, Hormone auf keinen Fall bekommen darf und alle anderen Massnahmen nichts nützen», sagt Bühling.
In den Phase-III-Studien wurde Fezolinetant im Allgemeinen gut vertragen. Am häufigsten wurde über Kopfschmerzen berichtet, was aber unter Fezolinetant ähnlich häufig der Fall war wie unter Placebo. Nachdem 2017 die Entwicklung des NK-3-Rezeptor-Blockers Pavinetant wegen starker Anstiege der Leberwerte in einer Studie gestoppt worden7 und es vereinzelt auch unter Fezolinetant zu erhöhten Leberwerten gekommen war, wurden die Daten zu den Nebenwirkungen in der SKYLIGHT-4-Studie5 extra nochmals mit besonderem Augenmerk auf die Leberwerte ausgewertet. In die Analyse gingen Daten von 1830 Frauen ein. Es waren auch Frauen mit Risiko für Leberschäden eingeschlossen, etwa übergewichtige Frauen oder solche mit Fettleber, um die Bevölkerung möglichst breit abzubilden. Bei zwei pro 100 Teilnehmerinnen, die 45mg Fezolinetant einnahmen, kam es zu einem Anstieg der Leberwerte auf mehr als das Freifache, im Vergleich zu einer pro 100 Teilnehmerinnen in der Placebogruppe. Noch stärker ausgeprägte Anstiege wurden aber nicht beobachtet, und es kam auch nie zu einem gleichzeitigen Anstieg von Bilirubin. «Das ist ein gutes Zeichen», sagt Prof. Manuel Haschke, Chefarzt Klinische Pharmakologie und Toxikologie im Inselspital Bern. «Denn das wäre ein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für schwerere Leberschäden.» In einer der Phase-III-Studien hatten zwei Frauen, die die Studie wegen starker Erhöhung der Leberwerte abbrechen mussten, kurz zuvor Medikamente genommen, die bekanntermassen ebenfalls Leberschäden auslösen können, unter anderem Paracetamol.3 «Hierauf gilt es ein Auge zu behalten», sagt Haschke. «Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Effekte potenzieren, wenn eine Frau gleichzeitig andere potenziell leberschädigende Medikamente nimmt oder sonstige Risikofaktoren für einen Leberschaden hat, etwa eine nichtalkoholische Fettleber.»
Noch nicht abschliessend geklärt ist auch, welche Effekte die NK-Blockade sonst noch im Körper hat. So wurde beispielsweise in Studien mit Elinzanetant, das neben dem NK3- auch den NK1-Rezeptor blockiert und in etwas früherer klinischer Entwicklung ist als Fezolinetant, eine vermehrte Schläfrigkeit registriert.8 Dass Elinzanetant schläfrig macht, ist erklärbar. Eine Stimulation des NK1-Rezeptors macht wach, und wird der Rezeptor blockiert, tritt der umgekehrte Effekt ein. So wurde der NK1-Rezeptor-Blocker Vestipitant schon vor zehn Jahren versuchsweise gegen Schlafstörungen eingesetzt.9 Fezolinetant scheint zudem den Blutzucker leicht zu senken.3 «Das könnte bei übergewichtigen Frauen mit erhöhten Blutzuckerwerten als positiver Effekt gesehen werden», sagt Haschke. Denn starkes Übergewicht kann mit erhöhten Blutzuckerwerten einhergehen, meist in Form einer Vorstufe eines Typ-2-Diabetes. Insgesamt halte er das Risiko der NK-3 Rezeptorblocker basierend auf den bisher publizierten Daten nicht für besorgniserregend, sagt Haschke, «auch wenn man es mit anderen Medikamenten gegen Hitzewallungen vergleicht, wie Hormonen oder Antidepressiva». Es gibt jedoch noch keine Daten zur Sicherheit über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr. Da ein Teil der Frauen die NK3-Blocker wahrscheinlich jahrelang einnehmen würde, ist eine langfristige Beobachtung nach einer allfälligen Marktzulassung unerlässlich.
Literatur:
1 Sturdee DW et al.: Climacteric 2017; 20: 296-305 2 Nappi RE et al.: Menopause 2021; 28: 875-82 3 Lederman S et al.: Lancet 2023; 10382: 1091-102 4 Johnson KA et al.: J Clin Endocrinol Metab 2023; online 3.2.2023, doi: 10.1210/clinem/dgad058) 5 Neal-Perry G et al.: Obstet Gynecol 2023; 141: 737-47 6 Pan Y et al.: Sci Rep 2020; 10: 20090 7 https://drugs.ncats.io/drug/3U471ZVC5K#general 8 Simon JA et al.: Menopause 2023; 30: 239-46 9 Ratti E et al.: Sleep 2013; 36: 1823–1830
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