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Gynäkologische Begleitung von Sportlerinnen

Regelmässige sportliche Aktivität ist für Frauen in jeder Lebensphase wichtig und gesund. Immer häufiger wenden sich deshalb (Spitzen-)-Sportlerinnen und aktive Frauen für Ratschläge an ihre betreuende Gynäkologin. Welche Themenbereiche dies betrifft und wo man sich die notwendigen Informationen dazu holt, stellte Dr. med. Sibylle Matter Brügger anhand von Fallbeispielen am SGGG-Jahreskongress vor.

Keypoints

  • Individuelle Auswirkungen des Zyklus auf Training und Leistungsfähigkeit sollen aktiv erfasst und dokumentiert werden.

  • Bei der Wahl eines Kontrazeptivums spielen Sportart und individuelle Auswirkungen des Zyklus eine entscheidende Rolle.

  • Eine Amenorrhö im Rahmen einer RED-S-Problematik sollte bei fehlender Besserung und Knochendichteminderung mit einer transdermalen Östrogentherapie in Kombination mit Gestagen therapiert werden.

  • Schwangere Sportlerinnen können weiter trainieren, allerdings mit reduziertem Umfang und Vermeiden von sehr intensiven Belastungen.

Eisenmangel

Die sportmedizinische und die gynäkologische Betreuung von Sportlerinnen überschneiden sich in vielen Bereichen. Ein häufiges Problem ist ein manifester Eisenmangel oder sogar eine Anämie, die sowohl durch eine verstärkte Menstruation als auch durch einen erhöhten Trainingsaufwand und manchmal begleitende vegetarische Ernährung verursacht werden kann. Für Sportlerinnen gelten gemäss den aktuellen Empfehlungen der SEMS (Sport & Exercise Medicine Switzerland) von 6–12 Jahren für das Ferritin ein Normwert von >15µg/l, von 12–15 Jahren ein Normwert von >20µg/l und >15 Jahre von >30µg/l. Vor einem Höhentrainingslager sollte das Ferritin mindestens 50µg/l betragen. Primär wird per os substituiert, dazu eignet sich z.B. Eisenpolymaltose in Tropfenform jeden 2. Tag. Bei Unverträglichkeit oder fehlender Besserung mit 2–3 verschiedenen Produkten oder einer zusätzlichen Anämie kann das Eisen auch mittels Infusion substituiert werden. Eine Hypermenorrhö sollte natürlich auch bei Sportlerinnen entsprechend den aktuellen Guidelines abgeklärt und ggf. therapiert werden.

Zyklus und sportliche Leistungsfähigkeit

Vor allem junge Sportlerinnen leiden manchmal unter den negativen Auswirkungen des Zyklus. Sie fühlen sich aufgrund von zyklusabhängigen Symptomen, wie psychischen Schwankungen, Dysmenorrhö oder prämenstruellem Syndrom in Training und Wettkampf beeinträchtigt. Viele dieser Beschwerden können mittels Mönchspfeffer-Präparaten deutlich reduziert werden, und manchmal hilft auch eine psychologische Unterstützung, um mit den wiederkehrenden Situationen besser zurechtzukommen. Ibuprofen hilft oft, die Dysmenorrhö gleich zu Beginn zu vermeiden. Vor Ausdauerwettkämpfen oder längeren Trainings sollte dieses aber nur mit Vorsicht genommen werden, da es zu Magenbeschwerden bis hin zur Gastritis oder auch Blutung führen kann. Sportliche Aktivität hilft normalerweise nicht gegen die Dysmenorrhö.

Gemäss aktuell vorhandenen Studien verändert sich die Leistungsfähigkeit im Verlauf des Zyklus nicht, je nach individueller Symptomatik kann diese aber nicht vollständig ausgeschöpft werden. Die Erfahrung zeigt, dass Athletinnen oft im Verlauf der Karriere besser mit den Symptomen umgehen und ihre Leistung in jeder Zyklusphase abrufen können.

Insbesondere bei Sportarten, die hauptsächlich Kraft und Schnelligkeit beinhalten, ist es von Vorteil, wenn die Athletinnen lernen, mit ihrem Zyklus zu trainieren und die vorteilhaften Auswirkungen des körpereigenen Östrogens zu nutzen. Dieses beeinflusst nicht nur die Knochen und Gefässe positiv, sondern hat auch eine anabole Wirkung auf die Muskulatur und verbessert den Fettstoffwechsel. Nach Möglichkeit sollte bei periodisiertem Training der Kraftaufbau vor allem in der follikulären Phase geplant werden.

Kontrazeption

Falls die zyklischen Beschwerden doch zu gross sind und/oder die Sportlerin eine zuverlässige Verhütung möchte, stellt sich meist die Frage, ob diese denn die sportliche Leistung beeinflusst. Statistisch gesehen beeinflusst zum Beispiel ein kombiniertes orales Kontrazeptivum die sportliche Leistung in den meisten Sportarten nicht. Um aber die Frage individuell zu beantworten, lohnt es sich, sich ein Bild der aktuell vorliegenden Situation zu machen. Dazu gehört die Erfassung der zyklusabhängigen, subjektiven Beschwerden, der Blutungsstärke, der Sportart und von weiteren möglichen individuellen Auswirkungen. Idealerweise führt die Athletin die festgestellten zyklusabhängigen Auswirkungen gleich im Trainingstagebuch auf. Sind die verschiedenen Faktoren bekannt, gilt es, die individuellen Vor- und Nachteile der möglichen Produkte abzuwägen (Kontraindikationen auch bei Sportlerinnen nicht vergessen), um ein passendes Produkt zu finden. Da Sportlerinnen oft unterwegs sind und auch mal an einer Reisediarrhö leiden, werden immer häufiger Hormon- oder Kupferspiralen gewünscht. Aufgrund des geringen oder fehlenden Einflusses auf den eigenen Hormonhaushalt ist diese Wahl, insbesondere bei Sportarten mit hohem oder schnellem Krafteinsatz, sinnvoll. Auch da ist eine Ergänzung mit Mönchspfeffer oft hilfreich.

Zyklusstörung bei Energiemangel

Sportlerinnen, die angesichts des hohen Trainingsaufwandes regelmässig zu wenig Energie zu sich nehmen, weisen im Rahmen des sogenannten «relative energy deficiency syndrome in sports» (RED-S) Zyklusstörungen bis hin zur Amenorrhö auf. Das RED-S hat zusätzlich viele weitere Störungen von verschiedenen Organen zur Folge und kann eigentlich nur wieder mit einer verbesserten und angepassten Energieaufnahme behoben werden. Um dies zu erreichen, braucht es oft eine interdisziplinäre Betreuung. Aus gynäkologischer Sicht sollte der Zyklus nicht einfach mit einem kombinierten oralen Kontrazeptivum (COC) «normalisiert» werden. Damit wähnt sich die Sportlerin vermeintlich wieder im guten Bereich, obwohl das Ethinylestradiol per os über den «first pass effect» insgesamt einen negativen Effekt auf die Knochendichte hat. Darum sollte bei einem RED-S auf keinen Fall mit einem COC therapiert werden. Falls eine verbesserte Energieaufnahme nicht erreicht werden kann und allenfalls bereits eine reduzierte Knochendichte vorliegt, wird eine transdermale Östrogensubstitution kombiniert mit einer kontinuierlichen oder sequenziellen Gestagensubstitution empfohlen.

Schwangerschaft und Sport

Immer mehr Sportlerinnen setzen ihre Karriere auch nach einer Schwangerschaft fort. Sie möchten deshalb wissen, welches Training während der Schwangerschaft möglich ist. Eine komplikationsfreie Schwangerschaft vorausgesetzt, darf und soll die Frau auch während dieser Zeit aktiv bleiben. Empfohlen werden dabei täglich 30 Minuten im subjektiv lockeren bis mittleren Intensitätsbereich. Spitzensportlerinnen, die vorgängig 15–30 Stunden pro Woche trainierten, sollten den Trainingsumfang im Verlauf der Schwangerschaft auf ca. 50% reduzieren und die übrige Zeit für Erholung und angepasste Nahrungsaufnahme brauchen. Auch für sie wird eine subjektiv mittlere Intensität empfohlen und von Belastungen mit über 90% der maximalen Herzfrequenz oder 90% des VO2max abgeraten, da bei diesen Belastungen eine Reduktion der Plazentadurchblutung festgestellt werden konnte. Vorsicht ist auch bei feucht-heissen Bedingungen angesagt, eine Erhöhung der Körperkerntemperatur auf >39°C sollte vermieden werden. Für Aufenthalte in der Höhe gibt es keine klaren Kriterien, da dies auch von den vorgängigen Höhenaufenthalten der Sportlerin abhängt. Ab 1800mü.M. wird eine ausreichende Akklimatisation vor Beginn des Trainings in der Höhe empfohlen.

Nach der Geburt sollten für die Wiederaufnahme des Trainings allfällige Beschwerden von der Geburt verschwunden sein und der Beckenboden wieder aktiv und an die Belastung angepasst kontrahiert werden können. Oft ist die kardiovaskuläre Fitness schnell wieder auf hohem Niveau, doch Sehnen, Knochen und muskuläre Stabilisation brauchen oft 9–12 Monate, um die vorgeburtlichen Belastungen wieder aushalten zu können. In dieser Zeit ist das Risiko für Verletzungen deshalb besonders hoch und die Sportlerin sollte darüber informiert werden.

Mit etwas Zusatzwissen kann also eine Sportlerin in der gynäkologischen Praxis über ihre gesamte Karriere hin begleitet werden. Die Zusammenhänge von Gynäkologie und Sport sind selbst den Sportlerinnen oft nicht bewusst und so sind sie sehr dankbar, wenn dies in der gynäkologischen Betreuung miteinbezogen wird.

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