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Zusammenlegung der Kassen und ärztliche Honorare
DAM
Autor:
Mag. Markus Lechner
Rechtsanwalt, Lochau<br> E-Mail: lechnermarkus@aon.at

30
Min. Lesezeit
12.07.2018
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<p class="article-intro">Bei einer Pressekonferenz am 22. Mai 2018 präsentierte die Regierungsspitze samt Gesundheitsministerin die Pläne für die geplante Kassenzusammenlegung. Ein konkreter Gesetzesentwurf soll bis zum Sommer 2018 vorliegen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Die Reformpläne</h2> <p>Nach den bisher bekannten Eckpunkten werden die neun Länder-Gebietskrankenkassen bekanntlich zusammengelegt, und es soll(te zuerst) nur noch eine neue, gesamtösterreichweit agierende „Österreichische Gesundheitskasse“ geben. Nach Protesten aus den Bundesländern sollen zwischenzeitlich aber neun (in ihrer Gestaltungsmacht deutlich eingeschränkte) Landesdirektionen mit weniger Funktionären als bisher bestehen bleiben. Kritiker sprechen daher bereits jetzt schon davon, dass lediglich eine neue (politisch genehme) Führungsebene in Form der Österreichischen Gesundheitskasse eingeführt werden soll, im Gegenzug aber politisch allenfalls nicht genehme Führungsstrukturen in den Länder-Gebietskrankenkassen abgeschafft werden sollen. Daneben sollen nur noch die Beamtenversicherungsanstalt (mit Eisenbahnern und Bergbauern) und eine Selbstständigenkasse für Wirtschaftstreibende und Bauern sowie die Pensionsversicherungsanstalt bestehen bleiben.<br /> Oberstes Ziel ist die Leistungsharmonisierung; Versicherte, die gleich hohe Beiträge leisten, sollen auch dieselben Leistungen in Anspruch nehmen können. Durch diese und weitere Maßnahmen sollen bis zu einer Mrd. Euro eingespart werden. Wie und ob dieses Ziel mit den geplanten Zusammenlegungen erreicht werden kann, ist umstritten. Da die Sozialversicherungsträger bisher schon immer argumentiert haben, sparsam zu agieren, kann eine Verwaltungsvereinfachung wohl nicht die geplante Milliarde ersparen. Da auch an den von den Sozialversicherungsträgern zu erbringenden Leistungen nichts geändert werden soll (außer der angekündigten Leistungsharmonisierung), stellt sich die Frage, wo das große Einsparungspotenzial überhaupt liegen soll (und kann).</p> <h2>Neuer, österreichweiter Gesamtvertrag</h2> <p>Nach den Plänen der Regierung sollen die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) und die Österreichische Gesundheitskasse für die Ausarbeitung eines österreichweiten und damit einheitlichen Gesamtvertrages samt entsprechender Honorarordnung verantwortlich sein. Damit würden alle neun bisherigen GKK-Gesamtverträge juristisch gesehen „untergehen“. Ob und wie der BVA-Gesamtvertrag und der SVAGesamtvertrag geändert werden, ist noch nicht bekannt. Was bedeutet dies nun für die betroffene Ärzteschaft?<br /> Nach der bisherigen Rechtslage wurde von der jeweiligen Landesärztekammer mit der jeweiligen GKK ein eigener Gesamtvertrag abgeschlossen. Auch die jeweiligen Honorarordnungen wurden in Form von solchen Gesamtverträgen abgeschlossen. Dies führte in der Vergangenheit dazu, dass unterschiedliche Leistungen je nach Bundesland auch unterschiedlich honoriert werden. Manche Bundesländer zahlen z.B. höhere Tarife für die Grundleistung, hingegen geringere für Zusatzleistungen. In anderen Bundesländern wird die Grundleistung niedrig honoriert, dafür manche Zusatzleistung besser. Manche Leistungen sind unterschiedlich limitiert: So rentiert sich z.B. in Oberösterreich aufgrund eines „Globaldeckels“ ab einer bestimmten Scheinanzahl die Behandlung weiterer Patienten überhaupt nicht mehr; in Niederösterreich etwa werden 30 % der Grundleistungen durch eine Leistung ersetzt, die für rein administrative Tätigkeiten gebührt.<br /> Für alle Honorarordnungen gilt (dies ist meine Erfahrung aus vielen Gesprächen mit Kassenvertragsärzten), dass die darin enthaltenen Tarife von der Ärzteschaft als unangemessen niedrig und in Teilbereichen geradezu als ungerecht empfunden werden. Es wird bei den Verhandlungen über den neuen österreichweiten Gesamtvertrag Aufgabe der ÖÄK sein, dafür Sorge zu tragen, dass</p> <ul> <li>angemessene Tarife ausgehandelt werden,</li> <li>keinerlei wie auch immer geartete Limitierungen und Deckelungen akzeptiert werden</li> <li>und im Sinne der Patienten und der Kassenvertragsärzte so umfangreich wie möglich auf Fachgruppenbeschränkungen verzichtet wird.</li> </ul> <p>Die größte Gefahr besteht freilich darin, dass die angekündigte Milliarde Euro hauptsächlich über die Arzthonorare eingespart werden wird, zumal durch Verwaltungsvereinfachungen bei gleichbleibendem Leistungsniveau der genannte Betrag wohl nicht erreicht werden kann. Es wird daher Aufgabe der Bundeskurie sein – und Bundeskurienobmann Dr. Steinhart beneide ich nicht um seine Aufgabe –, dafür Sorge zu tragen, dass nicht nur keine Honorareinbußen erfolgen, sondern dass die Honorare endlich auf ein angemessenes Niveau angehoben werden. Aufseiten der Österreichischen Gesundheitskasse wird wohl versucht werden, eine Nivellierung „nach unten“ zu erreichen. Vorrangiges Ziel der Verhandler auf Ärzteseite muss sein, dies zu verhindern und angemessene Honorarerhöhungen für die Ärzteschaft auszuhandeln.<br /> Sollte dies nicht möglich sein, ist den Verhandlern vor dem Eingehen nicht tragfähiger Kompromisse wohl zu empfehlen, überhaupt keinen Gesamtvertrag abzuschließen, sondern einen gesamtvertragsfreien Zustand hinzunehmen. Jedenfalls muss der kommende (juristische) Untergang aller Einzelgesamtverträge für eine schon längst fällige Gesamtänderung des Honorierungssystems genutzt werden.</p></p>
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