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Zentren oder Einzelpraxen: Woran sollen Jungärzte glauben?

<p class="article-intro">Die Allgemeinmedizin wird weiblich. Grund genug, einmal ausschließlich Stimmen von Ärztinnen einzufangen. Ihre Ansichten über die Zukunft der Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner gehen diametral auseinander.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Im pers&ouml;nlichen Gespr&auml;ch zeichnen viele Mitglieder der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Allgemein- und Familienmedizin (&Ouml;GAM) ein d&uuml;steres Bild von der Zukunft unseres Berufsstandes. Das ist nicht verwunderlich, denn die &auml;lteren Kolleginnen und Kollegen sind Zeugen der permanenten Talfahrt heimischer Hausarztmedizin und glauben nicht an eine Trendumkehr.<br /> Im Gegensatz dazu, so hege ich den Verdacht, haben sich die &Ouml;GAM-Funktion&auml;re das st&auml;ndige Tragen von rosaroten Brillen verordnet. Sch&ouml;nf&auml;rben ist angesagt! So meint etwa die Pr&auml;sidentin der Nieder&ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Allgemeinund Familienmedizin (N&Ouml;GAM), Dr. Susanne Rabady, im Zusammenhang mit einem &Ouml;GAM-Themenheft &uuml;ber Diabetes mellitus wortw&ouml;rtlich: &bdquo;M&ouml;gen Sie sich beim Lesen an unserem wunderbaren Beruf, an unserem Fach Allgemeinmedizin, erfreuen und stolz sein auf die vielf&auml;ltige Kompetenz, die er uns abverlangt.&ldquo;<br /> &Ouml;GAM-Aktivisten zeigen sich gegen&uuml;ber zuk&uuml;nftigen Prim&auml;rversorgungseinheiten sehr aufgeschlossen. Kein Wunder, ist doch ihr ober&ouml;sterreichischer Repr&auml;sentant, Dr. Wolfgang Hockl, Initiator des Gesundheitszentrums in Enns. Dort ist nach Schlie&szlig;ung des lokalen Krankenhauses ein &Auml;rztezentrum entstanden, das als Vorzeigebeispiel herumgereicht wird. Auf der Homepage der Gesellschaft findet sich unter &bdquo;&Ouml;GAM-News&ldquo; ein Bericht mit der &Uuml;berschrift &bdquo;Allseits Zufriedenheit&ldquo;. Nach dieser Lekt&uuml;re mag sich der eine oder andere Jungarzt fragen: &bdquo;Geh&ouml;rt die Zukunft vielleicht nur diesen Zentren?&ldquo; Die langj&auml;hrige &Ouml;GAM-Funktion&auml;rin Dr. Barbara Degn interviewt darin eine Kollegin, die k&uuml;rzlich ins Ennser Team von derzeit sechs Allgemeinmedizinern eingestiegen ist. Dr. Silke Eichner kann von ihrem Wechsel aus der Einzelpraxis in das besagte Team nur Positives berichten: Work- Life-Balance? &bdquo;Prima.&ldquo; Vor Ausfall durch Krankheit habe sie keine Angst mehr, denn es erfolgt gegenseitige Vertretung. Eichner weiter: &bdquo;Wir haben einen Gesch&auml;ftsf&uuml;hrer, der sich um wirtschaftliche und organisatorische Belange k&uuml;mmert. Wenn der Drucker nicht funktioniert, schreie ich und es kommt jemand. Im benachbarten Zimmer arbeite ich weiter.&ldquo; Als Insider erlaube ich mir einen leisen Hinweis: Annehmlichkeiten dieser Art gibt es leider nicht zum Nulltarif. Auf irgendeine Weise wird Kollegin Eichner daf&uuml;r zahlen m&uuml;ssen.</p> <h2>Zukunft der Einzelpraxen in PHC-N&auml;he</h2> <p>Um die R&uuml;ckseite der Medaille zu beleuchten, schwenken wir zu einer Allgemeinmedizinerin, die seit Jahren als &Auml;rztekammerfunktion&auml;rin in verschiedenen Funktionen mit vollem Einsatz gegen die Hausarztabwertung k&auml;mpft: Dr. Martina Hasenh&uuml;ndl. Bis Ende April war sie unter anderem 1. Kurienobmann-Stellvertreterin der niedergelassenen &Auml;rzte in der &Auml;rztekammer N&Ouml;. Mit gro&szlig;em Engagement f&uuml;hrt sie die Fortbildungsakademie ihrer Kammer. Im Kampf gegen die Verherrlichung zuk&uuml;nftiger Prim&auml;rversorgungszentren kommt von ihr eine unmissverst&auml;ndliche Warnung: &bdquo;Diese Zentren sind subventioniert, und genau das wird der wirtschaftliche Tod f&uuml;r viele Allgemeinmediziner sein.&ldquo; Es ist nachvollziehbar, dass so eine Warnung potenzielle Praxiseinsteiger verunsichert. Niemand kann heute exakt voraussagen, wo genau solche Einheiten entstehen werden. Hasenh&uuml;ndl: &bdquo;Wer sich als Kassenallgemeinmediziner nun in der N&auml;he so eines Zentrums befindet, der sollte sich warm anziehen.&ldquo; Die K&auml;mpferin f&uuml;r eine Hausarztaufwertung geht mit ihren Voraussagen im &bdquo;N&Ouml; Consilium&ldquo;, Ausgabe 1+2/2017, noch weiter: &bdquo;F&uuml;r die Jungen wird es eine Gratwanderung am Rande der Rentabilit&auml;t, die viele nicht &uuml;berstehen werden.&ldquo; Zuletzt hat sich die Kammerfunktion&auml;rin vehement f&uuml;r die Abgeltung des ELGA-Zusatzaufwandes eingesetzt. Vergeblich! Bis jetzt gibt es keine Zusagen der Sozialversicherung, die &auml;rztlichen Honorare entsprechend anzupassen. Hasenh&uuml;ndl in der nieder&ouml;sterreichischen Kammerzeitschrift zusammenfassend: &bdquo;Unsere Gegner sind clever. Sie arbeiten seit vielen Jahren an der Abschaffung der niedergelassenen Kassen&auml;rzteschaft. ELGA in Kombination mit den neuen Prim&auml;rversorgungseinheiten k&ouml;nnte der Todessto&szlig; f&uuml;r die so unglaublich wichtige Gruppe von &Auml;rzten sein. Es sei denn, wir schreiten noch mit gro&szlig;er Vehemenz ein.&ldquo; Nach so gegens&auml;tzlichen Blicken in die Hausarztzukunft ist ein humorvoller Ausgleich angesagt.</p> <h2>Humorvolles zur Einstimmung auf die Kassenpraxis</h2> <p>Beim Griff zu Zeitungen haben sich bei mir eigenartige Rituale eingeschlichen. Am Beispiel der &bdquo;Presse&ldquo;: Zuerst suche ich die Rubrik &bdquo;Leserpost&ldquo; auf, ganz unabh&auml;ngig davon, welche Themen die Titelseite und der Leitartikel vorgeben. Bei der &bdquo;Kronen Zeitung&ldquo; am Sonntag ist es Bruno Haberzettls Karikatur auf der vorletzten Seite, welche meine ersten Blicke magisch anzieht. Beim Griff zur &bdquo;Medical Tribune&ldquo; wiederum beginne ich, blitzartig nach den Zeilen von Dr. Ulrike Stelzl zu suchen. Seit Jahren wirken die humorvollen Kommentare der Grazer Kassen&auml;rztin f&uuml;r Allgemeinmedizin wie Balsam auf meine zerschundene Hausarztseele. Ich war nach ihren Texten schon s&uuml;chtig, als die Kollegin noch als Wahl&auml;rztin t&auml;tig war. Die Chefredaktion l&auml;sst der Kolumnistin die Freiheit, sogar banale oder grenzwertige Formulierungen zu verwenden. So schreibt sie in der Ausgabe vom 5. April 2017: &bdquo;Wenn n&auml;mlich einer dieser Tage ist, an denen so wahnsinnig viel los ist, dass wir nicht einmal zum Pinkeln kommen, geschweige denn zur Zubereitung eines Kaffees &hellip;&ldquo; Nur Au&szlig;enstehende hegen hier den Verdacht, Stelzl &uuml;bertreibe. Wann immer Kassen- zu Massen&auml;rzten werden, sei es w&auml;hrend der Zeit von Grippewellen oder bei Urlaubsvertretungen f&uuml;r Nachbarkollegen, erobern die grenzwertigen Stelzl-Formulierungen auch den Wortschatz der eigenen Ordinationshilfen (&bdquo;Heute kommen wir nicht einmal zum Pinkeln&ldquo;). So erhebe ich Stelzls Kommentare in der &bdquo;Medical Tribune&ldquo; zur Pflichtlekt&uuml;re f&uuml;r jeden Aspiranten auf eine Kassenvertragsstelle, sei diese nun in einem Zentrum oder in einer Einzelpraxis. Junge Kolleginnen und Kollegen sollten vor dem Sprung in die Praxis ausreichend &uuml;ber alle Facetten unseres Berufes aufgekl&auml;rt werden.</p> <h2>Kolumnistin Stelzl &uuml;ber neue Vorsorgeuntersuchung</h2> <p>Kollegin Stelzl nimmt auch die b&uuml;rokratischen Fu&szlig;fesseln der Kassenallgemeinmedizin aufs Korn. In einem ihrer Kommentare hei&szlig;t es: &bdquo;&hellip; und immer noch mit demselben Wutgef&uuml;hl im Bauch, wenn mir etwas unsinnig vorkommt, sitze ich nun vor der neuen Gesundenuntersuchung. Auf dem Bildschirm tummelt sich eine Unzahl von kleinen K&auml;stchen, die alle mit kleinen Hakerln versehen werden m&ouml;chten.&ldquo; Ihr Urteil &uuml;ber die neue Vorsorgeuntersuchung: &bdquo;Das Ganze ist extrem un&uuml;bersichtlich.&ldquo; Als Konsequenz dieser Mehrarbeit sieht sie die Notwendigkeit, nun um sechs Uhr morgens mit den Untersuchungen zu beginnen, um das gewohnte Kontingent zu schaffen. Einziges Hindernis: Ihre Assistentinnen wollen da nicht mitmachen. Nicht jeder hat gleich eine &bdquo;Medical Tribune&ldquo; zur Hand. Ersatzweise kann daf&uuml;r das Stelzl-Buch &bdquo;Hallo Doc. Anekdoten aus der Sprechstunde&ldquo; erworben werben. Das Taschenbuch ist 2014 im Goldegg Verlag erschienen. Wer nach dieser Lekt&uuml;re auf den Geschmack gekommen und noch immer willens ist, einen Kassenvertrag zu unterzeichnen, der besorge sich &uuml;ber das Internet &bdquo;Hallo Doc 2. Der ganz normale Praxiswahnsinn&ldquo;. Dieses Druckwerk erm&ouml;glicht einen ungeschminkten und zugleich heiteren Einblick in das &bdquo;Sklavenleben&ldquo; des Vertragsarztes. Besteht nach der Lekt&uuml;re weiterhin Bereitschaft, in die Hausarztmedizin einzusteigen, dann hei&szlig;t es zur Vertragsunterschrift zu schreiten.</p></p>
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