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Unbelehrbarkeit ist keine Tugend

<p class="article-intro">Nach dem Ausstieg der Kollegen aus dem Probebetrieb E-Medikation in Deutschlandsberg ist diese Säule des Reformprojektes ELGA zum dritten Mal an der Realität gescheitert.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Begonnen hat alles 2007 mit dem Salzburger Arzneimittelsicherheitsgurt. Damals haben Apotheker an der &Auml;rzteschaft vorbei angeboten, die Medikation ihrer Kunden auf Vertr&auml;glichkeit zu pr&uuml;fen. Basis waren die Daten aus der elektronischen Rezeptabrechnung und ein neues, leistungsstarkes Rechenzentrum der pharmazeutischen Gehaltskasse. Vor allem anderen aber war es die Erkenntnis der Apotheker, dass jemand, der in Zukunft nicht irgendwo die e-card hinzustecken vermag, von der Gesundheitspolitik nicht gesehen, geschweige denn ber&uuml;cksichtigt werden wird. Die &ouml;sterreichische Apothekerschaft investierte 1,3 Mio. Euro in dieses Projekt, das gemeinsam mit dem Hauptverband der &ouml;sterreichischen Sozialversicherungstr&auml;ger betrieben wurde. Die Stellungnahmen der Gesundheitspolitiker waren euphorisch. Gerettete Menschenleben schwirrten durch den Raum. Doch bald wurde aus Euphorie Agonie.</p> <p>Es folgte 2011 der E-Medikations-Pilotversuch rund um das Sozialmedizinische Zentrum Ost (SMZ Ost) in Wien. Um es kurz zu machen: Im Mai 2012 wurde in einem ausf&uuml;hrlichen, vom Hauptverband der Sozialversicherungstr&auml;ger in Auftrag gegebenen und vom Institut f&uuml;r medizinische Statistik, Informatik und intelligente Systeme durchgef&uuml;hrten Evaluationsbericht empfohlen, die Idee einer E-Medikation unter der Voraussetzung eines grundlegenden Redesigns, wie im Bericht konkretisiert, weiter zu verfolgen. Mehr konnte man dem Auftraggeber nicht bieten. Das gen&uuml;gte allerdings f&uuml;r die ver&ouml;ffentlichte volle Zufriedenheit des damaligen Hauptverbands-Vorsitzenden Dr. Hans J&ouml;rg Schelling, der auf ein &ouml;sterreichweites Rollout dr&auml;ngte.</p> <p>Auch der dritte Anlauf rund um Deutschlandsberg 2016 wurde zur Pleiten-, Pech- und Pannenshow. Immer noch wird vom Akzeptanzmanagement mit der Interaktionspr&uuml;fung durch die E-Medikation geworben. Immer noch verspricht man den Patienten Arzneimittelsicherheit durch E-Medikation. Immer noch wurde nicht zur Kenntnis genommen, dass ein qualit&auml;tsvolles Programm zur automatisierten Arzneimittelvertr&auml;glichkeitspr&uuml;fung nicht existiert.</p> <p>Schon im 2014 erschienenen ELGA-Handbuch, dessen Hauptautor BMGF-Sektionschef und ELGA-Bef&uuml;rworter Dr. Clemens Auer ist, wird auf Seite 26 festgehalten, dass im ELGA-Gesetz &ndash; im Gegensatz zum Pilotversuch &ndash; weder eine Wechselwirkungs- noch eine Reichweitenpr&uuml;fung vorgesehen ist. &bdquo;&hellip; diese Pr&uuml;fung wird in den K&ouml;pfen der ELGA-GDA (Gesundheitsdienstleister) stattfinden.&ldquo;</p> <p>Die im Evaluationsbericht von 2012 dringend empfohlene Reduktion des Zeitaufwandes und Verbesserung der Alltagstauglichkeit wurden auch 2016 nicht erreicht. Die prim&auml;r hoch motivierten Probebetriebsteilnehmer verloren trotz intensiver Betreuung und finanzieller Entsch&auml;digung den Mut und die Geduld.</p> <p>Es klingt wie ein Zur&uuml;ck an den Start, wenn die Apotheker jetzt wissen lassen, sie k&ouml;nnten das Projekt E-Medikation auch alleine, also ohne &Auml;rzte, durchf&uuml;hren. Es ist auch nicht verwunderlich, dass der in allen Gesundheitsbelangen unvermeidliche Hofrat Dr. Gerald Bachinger das laut h&ouml;rbar, mit drohendem Unterton und be&auml;ngstigender Realit&auml;tsferne, auch f&uuml;r m&ouml;glich h&auml;lt.</p> <h2>Weniger w&auml;re mehr</h2> <p>Zweifellos ist das Wissen um die Medikation eines Patienten ein sehr guter Weg, sich ein erstes Bild von ihm zu machen. Wenn wir in unseren Diensten auf uns bisher unbekannte Hilfesuchende treffen, ist die Frage &bdquo;Welche Medikamente nehmen Sie ein?&ldquo; Standard. Jedes Medikationseinnahmeschema als Beilage zu einer Zuweisung an einen Fachkollegen ist nicht nur ein Zeichen von H&ouml;flichkeit, sondern auch in der Sache hilfreich. So verstehe ich die Sympathie f&uuml;r diese E-Medikation, wie sie von Spitalskollegen wiederholt bekundet wurde. Diese hilfreiche Information w&auml;re aber auch aus einer Arzneimittelhistorie, also der chronologischen Auflistung der verschriebenen Medikamente, zu beziehen, und das m&uuml;sste nicht einmal elektronisch sein.</p> <p>Wenn eine fl&auml;chendeckende E-Medikation jedem Zugriffsberechtigten diesen Einblick in die Behandlungsbem&uuml;hungen gew&auml;hrte, w&auml;re das viel und &ndash; wie ich meine &ndash; genug. Ob die Arzneimittel, die verschrieben wurden, auch tats&auml;chlich genommen werden und ob das in der angegebenen Dosierung erfolgt, kann auch das hochgez&uuml;chtetste E-Medikations-Programm nicht best&auml;tigen.</p> <p>Der Mut zur Reduktion fehlt, das Wissen um den &auml;rztlichen Arbeitsalltag fehlt. So will man hoch hinaus und kommt gerade deshalb nicht vom Fleck. Die Kosten f&uuml;r diese &bdquo;Ehrenrunden&ldquo; in Zeiten der Kontingentierung von Medikamenten sollen an dieser Stelle nicht thematisiert werden.</p></p>
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