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Transparenz zum Wohle des Patienten
Jatros
30
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13.07.2017
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<p class="article-intro">Ein freiwilliger Verhaltenskodex regelt in Österreich seit dem Jahr 2014 die Offenlegung von Geldflüssen zwischen Ärzteschaft und Industrie. Unter dem Motto „Transparenz schafft Vertrauen“ sind seitdem von der pharmazeutischen Industrie im Einvernehmen mit der Ärztekammer zahlreiche Aktivitäten gesetzt worden.</p>
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<p class="article-content"><p>Auch aufgrund der Versorgungssicherheit ist es nicht gleichgültig, welche Möglichkeiten uns die Pharmaindustrie bietet“, erklärte Dr. Otto Pjeta, Arzt für Allgemeinmedizin und ehemaliger Präsident der Ärztekammer für OÖ und der Österreichischen Ärztekammer, in seinem Impulsreferat bei einer Podiumsdiskussion in Linz. Im Gegensatz zum angloamerikanischen Raum werde hierzulande ein guter Verdienst nicht immer als Positivum gesehen. Daten würden in der Presse mitunter ausgeschlachtet, womit eine vermehrte Transparenz in der Medizin gleichzeitig die Neidgesellschaft schüre. „Zusätzlich werden Ärzten, die Zahlungen von Pharmafirmen erhalten, Befangenheit und Korruption unterstellt“, klagte Pjeta.<br /> Generell steht das Verhältnis zwischen den pharmazeutischen Unternehmen und den medizinischen Institutionen und Forschungseinrichtungen, Krankenhäusern, Ärzten und Apothekern zunehmend im Interesse der Öffentlichkeit. „Erfolgreiche Unternehmen haben auch erfolgreiche Kunden“, unterstrich Dr. Jan Oliver Huber, Generalsekretär des Dachverbandes der pharmazeutischen Industrie (Pharmig), seinen marktwirtschaftlichen Standpunkt. „Wirklich erfolgreich sind wir aber nur dann, wenn die Patienten auch von unseren Produkten profitieren.“</p> <h2>Kostentransparenz</h2> <p>Die Industrie hat in Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten im Jahr 2015 etwa 104 Millionen Euro ausgegeben, 54 Millionen davon allein für die klinische Forschung. „Da wir unsere Umsätze zum Teil aus Steuergeldern und Krankenkassenbeiträgen lukrieren, haben wir auch die Verpflichtung zu größerer Transparenz“, so Huber. Die Umstellung im Bereich der Rheuma- und Hypertonietherapie, aber auch die Einführung neuartiger, kostenintensiver Medikamente, wie etwa der Biologicals, hat in den letzten Jahren zu einem Anstieg der Arzneimittelausgaben geführt. Wegen des in vielen Bereichen verstärkten Einsatzes billiger Generika verlief dieser Anstieg ungleichmäßig. Auf der Pharmig- Homepage (www.pharmig.at) werden (zusammenfassend und nicht individuell) die Ausgaben für Forschung und Entwicklung veröffentlicht. Des Weiteren werden die Honorare für Dienst- und Beratungsleistungen, etwa für Einladungen von Ärzten zu Fachvorträgen (Vorbereitung, Reisekosten, Aufenthaltskosten), aufgelistet. Veröffentlicht werden auch Spenden und Förderungen, die es nicht für Personen, sondern nur für Institutionen gibt, genauso wie die Ausgaben für Fortbildungsveranstaltungen. „Mit Letzterem werden die Entwicklung neuer Medikamente und der Fortschritt in der Medizin vorangetrieben, denn es geht nicht allein um Forschung, sondern letztendlich um die breite Anwendung in der gesamten Patientenpopulation“, so der Generalsekretär der Pharmig.</p> <h2>Kulturwandel findet statt</h2> <p>In den letzten Jahren sei in Österreich ein Kulturwandel zu beobachten, der vor allem von jüngeren Ärzten getragen werde. Diese würden auch Studien und veröffentlichte Zahlen vermehrt kritisch hinterfragen, so die Sicht von Dr. Maria Wendler, Ärztin für Allgemeinmedizin und ehemalige Obfrau der Jungen Allgemeinmedizin Österreich (JAMÖ). „Wenn Pharmafirmen Fortbildungsveranstaltungen organisieren, dürfen sie keinen Einfluss auf den Inhalt nehmen“, forderte Wendler.<br /> Kritisiert wird oft auch, dass medizinische Studien hauptsächlich von den Pharmafirmen durchgeführt werden. Das hat etwas mit den Kosten zu tun – und mit der wichtigsten Hürde für den Eintritt in den Arzneimittelmarkt, nämlich der Zulassung durch FDA oder EMA. „Zulassungskriterien fokussieren nahezu ausschließlich auf den Sicherheitsaspekt, weshalb sogar die kleinsten Studien nicht unter einer Million Euro zu machen sind“, erklärte Mag. Martin Peithner, Geschäftsführer der Firma Austroplant und Vorstandsmitglied der Pharmig.<br /> Der Ruf nach neutralen und objektiven Fortbildungsmaßnahmen und Informationen dürfe aber auch nicht in einem zentralistischen System à la Nordkorea enden. „Am besten sind breit gestreute Informationen. Je mehr sich alle Meinungsbildner am Diskurs beteiligen, desto mehr Objektivität ist gewährleistet“, so Peithner.</p> <p>Weblinks:<br /> <a href="https://transparenz-schafft-vertrauen.at">www.transparenz-schafft-vertrauen.at</a><br /> <a href="https://pharmig.at">www.pharmig.at</a></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltung „Demenz
2020 – zwischen Patient, Arzt und Industrie“,
12. Mai 2017, Linz
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