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Eine Kammer genügt
DAM
Autor:
Dr. Wolfgang Geppert
E-Mail: geppert@aon.at
30
Min. Lesezeit
23.03.2017
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<p class="article-intro">Ein Bundesländer-Wirrwarr ließ den Aktionstag der Österreichischen Ärztekammer im vergangenen Dezember zur Lachnummer verkommen. Eine logische Konsequenz wäre die Fusion der Kammern. Nur so kann die Ärzteschaft künftig mit einer klaren Stimme auftreten.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Während diese Ausgabe der DAM zur Aussendung kommt, wird die Österreichische Ärzteschaft zu den Wahlurnen gerufen. Die Wahltermine der diversen Bun­desländerkammern unterliegen einer Streuung von Februar (Tirol) bis in den April (Steiermark) hinein. Damit beginnt der – die Solidarität heimischer Ärzte zerstörende – Fö­­de­­ra­­lismus schon bei Festsetzung di-verser Wahltage.<br />Den wenigs­-ten Kollegen in Österreich ist be­-wusst, dass sie derzeit bundesweit von einer Kammer vertreten werden, die kein einziges Mitglied hat und der ein Präsident vorsteht, welcher sich niemals einer Wahl durch das Fußvolk stellen muss. Die Öster­reichische Ärztekammer (ÖÄK) ist in vielerlei Hinsicht ein kost­spieliger und in­trans­pa­ren-­­­ter Apparat. Heimische Kam­mer­mitglieder können le-dig­lich alle fünf Jahre darauf Einfluss nehmen, welche Mandatare in die zuständige Länderkammer einziehen. Es besteht aber keine Möglichkeit zur Mitbestimmung darüber, wer auf dem Präsidentensessel der ÖÄK Platz nimmt. In der abgelaufenen Kammerperiode konnten daher die Kollegen aus acht Bundesländern rechtens behaupten, Dr. Artur Wechselberger nie gewählt zu haben. Die Tiroler Ärzte verhalfen dem Standespolitiker vor fünf Jahren mit ihrem Votum zur Präsidentenfunktion in ihrem Bundesland. Bei seiner Wahl zum ÖÄK-Präsidenten hingegen waren alle Zwangsmitglieder Österreichs nur Zaungäste. Dies sei ganz unabhängig von jeder Beurteilung von Dr. Wechselbergers Qualifikation oder seiner Leistung für die ärztliche Standesvertretung gesagt – bei sämtlichen ÖÄK-Prä­sidenten vor ihm war das geschilderte Procedere nicht anders.</p> <h2>„Mini-Kammern“ nehmen Mehrheit der Ärzte in Geiselhaft</h2> <p>Österreichs Ärzteschaft ver­-dient eine Standesvertretung, welche mit einer bundesweit einheitlichen Stim­-me spricht. Die aktuellen Herausforderungen machen an den Bundesländergrenzen nicht halt. Die vergangene Kammerperiode hat uns schmerzlich vor Augen geführt, dass die Aufsplitterung der Ärztevertretung auf zehn Kammern keine Zukunft hat. Zahlreiche die Solidarität der Ärztemehrheit unterlaufende Lösungen, zugeschnitten auf einzelne Bundesländer, haben speziell die Kassenärzte zu reinen Befehlsempfängern der Regierung und des Hauptverbandes verkommen lassen. Vom ELGA-Gesetz inklusive der E-Medikation bis zu den PHC-Zentren. Trotz alldem sind einige Bundesländervertretungen noch immer der irrigen Ansicht, Gesetzesbeschlüsse in ihrem lokalen Einflussbereich unterlaufen oder abschwächen zu können. Für das klägliche Scheitern des bundesweiten Protestes gegen die Art.-15a-Vereinbarung kann die Ärztekammer für Vorarlberg als Paradebeispiel einer quertreibenden „Mini-Kammer“ herhalten. In einer Aussendung zum 14. Dezember 2016 hieß es: „Statt gestreikt und protestiert, wird informiert!“ In kompletter Fehleinschätzung der bedrohlichen Lage wird eine absolut notwendige Protestaktion zu einem Informationstag abgewertet: „Die Ärztekammer für Vorarlberg hat daher auf Streikmaßnahmen verzichtet und vertraut, auch im Interesse der Patienten, auf eine weiterhin konstruktive Zusammenarbeit mit dem Land und der Vorarlberger Gebietskrankenkasse.“ Als Alibiaktion streifen ein paar Funktionäre im weißen Mantel durch ein Dornbirner Kaufhaus, verteilen Flugzettel und führen Smalltalk.<br />Berufsvertreter, welche von einem Gesetzesbeschluss betroffen sind, der unter anderem die Abschaffung des klassischen Hausarztes einleitet, müssten weit kraftvoller auftreten. Das gemeinsame Motto aller Bundesländer-Quertreiber dürfte hingegen lauten: „Was die in Wien machen, ist uns egal. Wir lösen das mit unseren Vertragspartnern in Eigenregie.“</p> <h2>Mit Scheren für den Fasching gegen die Art.-15a-Vereinbarung</h2> <p>Um dem vorweihnachtlichen PR-Wirrwarr der Bundesländerkammern auch eine heitere Seite abzuringen, empfiehlt sich ein Blick auf die Homepage der burgenländischen Standesvertretung. Zur Medieninformation über den Aktions- und Schließtag wird ein Foto mit drei elegant gekleideten Herrschaften geliefert. Zwei Männer, vermutlich in Maßanzügen, nehmen eine Dame in die Mitte. Gemeinsam halten sie eine riesige Schere in die Kamera. Außenstehende, denen die Top-Leute der Ärztekammer Burgenland kein Begriff sind, müssen bei Betrachtung des Fotos annehmen, Exponenten des „Bundesverbandes der Maßschneider“ abgebildet zu sehen. Nur bei der materiellen Ausführung der Scheren zeigt sich ein Unterschied. Schneidermeister des deutschen Berufsverbandes halten nach Auszeichnung stolz vergoldete Scheren in die Kamera, den burgenländischen Kollegen standen hingegen nur Megaausführungen in Karton zur Verfügung. Der Aufdruck auf einer der Pappscheren lässt sich leicht entziffern: „Kostenschere“. „Kein Wunder“, denkt sich dabei der ahnungslose Betrachter, „Maßanzüge werden immer teurer!“ Die Megascheren kamen auch bei PR-Auftritten anderer Kammern zum Einsatz. Wer auch immer diesen Pappkarton-Wahnsinn ersonnen hat, sei gebeten, die PR-Beratung niederzulegen.<br />Um der Notwendigkeit einer Fusion aller zehn Ärztekammern zu einer einzigen Kammer Nachdruck zu verleihen, muss ein Blick über die Staatsgrenzen geworfen werden. Der Freistaat Bayern ist zwar flächenmäßig um einiges kleiner als Österreich, in Sachen Einwohnerzahl hingegen überflügelt er unsere Alpenrepublik: 13 Millionen Bayern gibt es. Trotzdem kommen die rund 80 000 Ärzte gut mit einer Kammer – ihrer Bayerischen Landesärztekammer – aus. Auch im Bundesland Baden-Württemberg werden 64 100 Kollegen durch eine Kammer vertreten. In diese Dimension würden die 44 000 heimischen Ärzte gut hineinpassen. Im Vergleich dazu imponieren unsere Länderkammern, wie etwa die für das Burgenland (1163 Mitglieder) oder die für Vorarlberg (1914 Mitglieder), wie Objekte eines Mikrokosmos.</p> <h2>Österreichweit eine Kammer mit einem Präsidenten</h2> <p>Zukünftig sollten alle stimmberechtigten Ärzte Österreichs gemeinsam die Zusammensetzung einer ÖÄK-Vollversammlung bestimmen können, und das an einem einheitlichen Wahltag mit bundesweit agierenden Fraktionen. Die gewählten Mandatare dieses Gremiums würden das Präsidium ernennen. Schlussendlich gäbe es für alle Ärzte nur einen Präsidenten. Er sollte mit seinen PR-Auftritten an die Beschlüsse der Vollversammlung und die des Vorstandes gebunden sein. Für jedes Thema würde auf Basis von Mehrheitsbildung eine klare Kammerlinie vorgegeben werden. Diese und keine andere hat der ÖÄK-Präsident nach außen zu tragen. Das gilt gleichlautend auch für Protestaktionen. Damit würde dem untragbaren Zustand, dass kleine Bundesländer mit ihrem unsolidarischen Verhalten den großen Kammern auf der Nase herumtanzen, ein Ende gesetzt. Die selbst ernannten Reformer in ihrer gesundheitspolitischen Geisterfahrt konnten nur deshalb die Ärzteschaft niederringen, weil sie einem Durcheinander von uneinigen Länderkammern gegenüberstanden.<br />„Pilotprojekt“ heißt die Wunderwaffe unserer Gegner. Damit lässt sich am leichtesten ein Keil in die Ärzteschaft treiben. Paradebeispiel Steiermark: Gutgläubig gingen die Kollegen im Bezirk Deutschlandsberg als einsame Vorreiter an die Umsetzung der E-Medikation. Schon nach wenigen Wochen gab es für sie das von allen Realisten erwartete böse Erwachen: eine Stunde Mehrarbeit pro Ordinationstag. Nach Schaffung einer bundesweit einheitlichen Ärztevertretung ersparen wir uns nicht nur PR-Blamagen, sondern auch eine Menge an Kammerbeiträgen. Die derzeit bestehenden Räumlichkeiten der Länderkammern könnten künftig als Servicestellen für die Mitglieder des jeweiligen Bundeslandes genützt werden, um Beratung in verschiedensten Belangen – vom Ausstellen der Ärzteausweise bis zur Verwaltung des Wohlfahrtsfonds – anzubieten. Aus zehn verschiedenen Pressestellen mit jeweils aufwendig formulierten Aussendungen würde eine einzige, schlagkräftige PR-Abteilung in der dereinst aufgewerteten ÖÄK.</p></p>
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