<p class="article-intro">Experten sind sich einig: Die Gesundheitsfinanzierung gehört in eine Hand, Krankenhäuser müssen der Länderkompetenz entrissen und tausende Akutbetten abgebaut werden. Auch an Zugangsbeschränkungen in Bezug auf Spitalsambulanzen, so die einhellige Meinung, führe kein Weg vorbei.</p>
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<p class="article-content"><p>Im Gegensatz dazu flüchten die Gesundheitsreformer in eine Scheinwelt. Sie versprechen eine rosige Zukunft mit Primärversorgungszentren, ergehen sich in ELGA-Verherrlichung und preisen das angeblich ausgeprägte Verantwortungsgefühl der Patienten. Zwischenzeitlich gehört das „Kassenärzte-Bashing“ zum Standardrepertoire von Gesundheitspolitikern. Stur und unflexibel seien sie, diese an Einzelpraxen festhaltenden Ärzte. Auf den Wunsch der Patienten, auch außerhalb der Öffnungszeiten mit allen Wehwehchen vorstellig werden zu können, nehmen diese servicefeindlichen Dinosaurier der Allgemeinmedizin keine Rücksicht. Auch die neue Gesundheitsministerin bleibt bei dieser Tonart. Am 12. März, kurz nach ihrem Amtsantritt, können wir im Kurier folgendes Rendi-Wagner-Statement lesen: „Am Ende des Tages benötigen wir eine Gesundheitsversorgung, auf die sich die Menschen verlassen können. Sie muss wohnortnah, auch zu Tagesrandzeiten verfügbar und auf die heutigen Krankheiten eingestellt sein.“ Die Neopolitikerin scheint da fortzusetzen, wo ihre Vorgängerinnen aufgehört haben: beim Verdrängen der wahren Missstände. Ein Blick in die Notfallambulanz des AKH Wien würde genügen. Dort wird jeden Samstagvormittag so ganz nebenbei das „Ohrenschmalz-Fest“ gefeiert. Cerumen-Entfernung am laufenden Band. Sind das die besagten Menschen, welche wohnortnah und an den Tagesrandzeiten zu versorgen sind? Weit gefehlt! Rücksichtslosigkeiten dieser Art haben unser System zum Selbstbedienungsladen verkommen lassen. Zu jeder Tages- und Nachtzeit werden die Dienste von Spezialabteilungen in Anspruch genommen, weil Politikern der Mut fehlt, der sogenannten Selbstzuweisung einen Riegel vorzuschieben.</p>
<p class="article-intro">Experten sind sich einig: Die Gesundheitsfinanzierung gehört in eine Hand, Krankenhäuser müssen der Länderkompetenz entrissen und tausende Akutbetten abgebaut werden. Auch an Zugangsbeschränkungen in Bezug auf Spitalsambulanzen, so die einhellige Meinung, führe kein Weg vorbei.</p>
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<p class="article-content"><p>Im Gegensatz dazu flüchten die Gesundheitsreformer in eine Scheinwelt. Sie versprechen eine rosige Zukunft mit Primärversorgungszentren, ergehen sich in ELGA-Verherrlichung und preisen das angeblich ausgeprägte Verantwortungsgefühl der Patienten. Zwischenzeitlich gehört das „Kassenärzte-Bashing“ zum Standardrepertoire von Gesundheitspolitikern. Stur und unflexibel seien sie, diese an Einzelpraxen festhaltenden Ärzte. Auf den Wunsch der Patienten, auch außerhalb der Öffnungszeiten mit allen Wehwehchen vorstellig werden zu können, nehmen diese servicefeindlichen Dinosaurier der Allgemeinmedizin keine Rücksicht. Auch die neue Gesundheitsministerin bleibt bei dieser Tonart. Am 12. März, kurz nach ihrem Amtsantritt, können wir im Kurier folgendes Rendi-Wagner-Statement lesen: „Am Ende des Tages benötigen wir eine Gesundheitsversorgung, auf die sich die Menschen verlassen können. Sie muss wohnortnah, auch zu Tagesrandzeiten verfügbar und auf die heutigen Krankheiten eingestellt sein.“ Die Neopolitikerin scheint da fortzusetzen, wo ihre Vorgängerinnen aufgehört haben: beim Verdrängen der wahren Missstände. Ein Blick in die Notfallambulanz des AKH Wien würde genügen. Dort wird jeden Samstagvormittag so ganz nebenbei das „Ohrenschmalz-Fest“ gefeiert. Cerumen-Entfernung am laufenden Band. Sind das die besagten Menschen, welche wohnortnah und an den Tagesrandzeiten zu versorgen sind? Weit gefehlt! Rücksichtslosigkeiten dieser Art haben unser System zum Selbstbedienungsladen verkommen lassen. Zu jeder Tages- und Nachtzeit werden die Dienste von Spezialabteilungen in Anspruch genommen, weil Politikern der Mut fehlt, der sogenannten Selbstzuweisung einen Riegel vorzuschieben.</p> <h2>Notarzthubschrauber im Überangebot</h2> <p>Die „Massenware Arzt“ hat dem Wildwuchs Tür und Tor geöffnet. Wir erleben ein Chaos durch Überfluss, als Beispiel seien hier nur unsere 278 (!) Krankenanstalten angeführt. Auch unsere Flugrettung bricht alle Rekorde, jeden Winter werden 38 Standorte betrieben. Dafür werden jede Menge Notärzte benötigt. Die Flugrettung für 10 Mio. Tschechen hingegen kommt mit 10 Standorten aus, die der Slowakei gar nur mit 7. So kann über die jetzt bei uns einsetzende Ärzteverknappung in anderen Ländern mit hochentwickelten Gesundheitssystemen nur gelächelt werden. Wäre die Ärztedichte ein Garantiefaktor für bestmögliche Krankenversorgung, gäbe es ein Vorzeigeland par excellence: Griechenland. Dieses Land ist Spitzenreiter unter den 35 OECD-Staaten in Sachen Ärztedichte. Die Realität sieht aber anders aus. Ob Griechenland tatsächlich als einziges OECD-Land mehr Ärzte pro 1000 Einwohner als Österreich aufweisen kann, bleibt ungewiss. Der korrekte Umgang mit Zahlenangaben gehört nicht zu den Stärken der griechischen Regierung und auch der mehrmals geäußerte Verdacht, Griechenland belasse auch verstorbene Kollegen in der Statistik, soll hier nicht näher kommentiert werden. So bleibt es Nebensache, ob wir entsprechend divergierender Berechnungen in den kommenden Jahren mit einem Minus von 8000 oder gar 10 000 Ärzten rechnen müssen. Damit nähern wir uns in Sachen Ärztedichte dem Schweizer Niveau (4 Ärzte auf 1000 Einwohner) – ein Absinken in Richtung Normalität. Das Schweizer Gesundheitssystem, eines der besten der Welt, findet mit 32 000 Ärzten sein Auslangen. Wir Österreicher hingegen nehmen, bei nahezu gleich hoher Einwohnerzahl, noch 44 000 (5 Ärzte pro 1000 Einwohner) in Anspruch. Die Betonung liegt auf noch!</p> <h2>Fachärzte-Schwemme in Mödling: 52 Internisten und 32 Orthopäden</h2> <p>Geht es um Österreichs Überangebot an Spezialisten, empfiehlt sich ein Blick nach Mödling. Den 118 000 Einwohnern dieses Bezirkes stehen 52 niedergelassene Fachärzte der Inneren Medizin zur Verfügung. Ein Rekord, der seinesgleichen sucht. Auch die Dichte anderer Fachsparten ist in Mödling auf Rekordniveau, z.B. ordinieren dort insgesamt 32 Orthopäden. Südlich von Mödling, im Bezirk Baden, ist das Angebot schon geringer. Die 143 000 Einwohner können „nur“ zwischen 34 Internisten wählen. Umso interessanter ist die Betrachtung des östlich angrenzenden Bezirkes Bruck an der Leitha in seiner Ausdehnung vor der Bezirksvergrößerung durch Auflösung von „Wien Umgebung“. Ginge es nach dem Mödlinger Vorbild, müsste Bruck an der Leitha, entsprechend seiner Einwohnerzahl, 24 Kollegen dieses Faches aufweisen. Tatsächlich gibt es dort nur die relativ karge Anzahl von 5 Internisten. Angesichts solcher Auswüchse sei es der Ärztekammer verwehrt, glaubhaft gegen die Zweiklassenmedizin aufzutreten. Selbst der Laie fühlt, dass die Dichte an Fachärzten nicht von gesundheitspolitischen Überlegungen bestimmt wird. Es geht vornehmlich um die finanzielle Situation der in der Region lebenden Patienten. Nur einige wenige Fachkollegen haben Verträge mit Kassen. Die Rekordzahl von 52 Internisten hat sich nicht deshalb im Speckgürtel südlich von Wien zusammengefunden, weil hier etwa Diabetes und Kardiopathie auffällig gehäuft auftreten. Diese Konzentration von Privat- und Wahlärzten dürfte eher mit dem Geruch des Geldes zusammenhängen. Mödling ist in den Reihen aller Bundesländerbezirke die reichste Region. Die Pro-Kopf-Kaufkraft liegt hier bei rund 26 000 Euro im Jahr. Im Vergleich dazu weisen Bewohner des Bezirkes Zwettl nur eine Kaufkraft von 16 000 Euro pro Kopf auf. Da bleibt den Menschen schon weniger Geld übrig, um Privatärzte konsultieren zu können.</p> <h2>Wirtschaftsbelebung auf Kosten der Sozialversicherung</h2> <p>Um angesichts der Überalterung der Bevölkerung und des Fortschrittes der Medizin die Finanzierbarkeit unseres Systems zu erhalten, werden in manchen Bereichen schmerzhafte Einschnitte notwendig sein. Dazu gehört nicht nur der Rückbau unserer überdimensionierten Spitalswelt, sondern auch die Beschränkung des aufgeblähten Kurwesens. Hier werden derzeit Ärzte beschäftigt, welche zukünftig in Mangelbereichen benötigt werden. Es gibt natürlich keine Zahlen darüber, wie viele Sozialversicherte sich ungerechtfertigterweise in den diversen Kuranstalten aufhalten. Sie genießen einen dreiwöchigen Urlaub auf Kassenkosten. Wer einmal als Kurarzt tätig war, kann über das Ausreizen dieser freiwilligen Leistung unserer Sozialversicherungen abendfüllend berichten. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn in wirtschaftlich unterentwickelten Regionen Moor gestochen oder nach Schwefelquellen gebohrt wird. Das darf aber nicht zur Dauerbelastung der schon an der finanziellen Leistungsgrenze angelangten Pensionsversicherungen und Krankenkassen führen. Der heimische Wildwuchs von über 70 Kurorten ist nur möglich, weil die große Masse der „Kassenpatienten“ die Vollauslastung der Kuranstalten garantiert. Über die exakte Anzahl der Kollegen, welche die Kurmedizin zum Hauptberuf erkoren haben, gibt es keine Angaben. Für viele ist die Tätigkeit als Kurarzt nur ein Nebenjob. Das entsprechende ÖÄK-Diplom „Kurmedizin“ können 586 heimische Mediziner vorweisen. Erst kürzlich wurden in einem Fachjournal die ärztlichen Leiter der führenden Kurzentren inklusive Kontaktdaten und Fotos vorgestellt. Knapp 90 an der Zahl! Unabhängig davon lassen Studienautoren den Wirtschaftsfaktor „Kur“ hochleben. Dem Kurwesen könne eine Wertschöpfung von über 400 Mio. Euro zugerechnet werden. In der speziellen Sparte fänden rund 7800 Personen Beschäftigung. Genau diese lobpreisenden Wirtschaftsvertreter klagen aber an anderer Stelle über die exorbitant hohen Sozialversicherungsabgaben.</p> <h2>Es geht auch anders: Irland</h2> <p>Um der Thematik auch einen heiteren „Touch“ zu verpassen, sei ein Vergleich mit Irland gestattet. Die „Grüne Insel“ ist flächenmäßig größer als Österreich, zählt aber nur 5 Mio. Einwohner. Vor dem Rückflug in die Heimat werden Irlandreisende von ihrem „Guide“ auf das während der Rundfahrt erworbene Wissen abgeprüft: „Wie viele Kurorte gibt es auf der Insel?“ Einhellige Antwort der Abreisenden: „Nur einen!“ Gleich darauf kommt ergänzend: „Lisdoonvarna!“ Alle erinnern sich noch an den kleinen Ort mit 739 Einwohnern, der zwei Tage zuvor am Programm stand. Eine etwa 75 Jahre alte Reiseteilnehmerin murmelt vor sich hin: „Nur ein einziger Kurort bei diesem nasskalten Klima, die Rheumakranken Irlands müssen Höllenqualen durchstehen.“ Die Dame wohnt in Baden (Kurort mit 26 000 Einwohnern).</p></p>