Der ÖGGH-Präsident im Gespräch

„Es ist sehr wichtig, dass die junge Generation aktiv in die Gesellschaft eingebunden ist“

Wir durften mit dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH), Univ.-Prof. Dr. Peter Fickert, Graz, über seinen medizinischen Lebensweg und seine Ziele für die Amtszeit sprechen.

Bei der Jahrestagung der ÖGGH im Herbst 2022 hielt er eine flammende Rede für den Nachwuchs. Wie er während seiner Amtszeit als ÖGGH-Präsident junge Gastroenterolog*innen und Hepatolog*innen fördern will und welche Schwerpunkte er sich sonst gesetzt hat, erzählte Univ.-Prof. Dr. Peter Fickert, Leiter der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der Medizinischen Universität Graz, im Gespräch mit JATROS.

Wie sind Sie zur Gastroenterologie/Hepatologie gekommen?Und war es für Sie immer klar, dass Sie in diesem Fachbereich tätig sein wollen?

P. Fickert: Der Grund, warum ich zur Gastroenterologie bzw. zur Hepatologie gekommen bin, sind im Wesentlichen zwei Role Models und Lehrer. Die erste prägende Person war mein Pathologieprofessor Univ.-Prof. Dr. Helmut Denk. Er hat meine Begeisterung für die Pathologie als Ganzes und für die Hepatopathologie im Speziellen geweckt, später durfte ich dann auch in seinem Labor arbeiten. Zudem habe ich damals den Rat von Höhersemestrigen angenommen, ich solle unmittelbar nach der Pathologievorlesung in die Vorlesung Innere Medizin zu Univ.-Prof. Dr. Günter Krejs gehen – er war mein zweiter prägender Lehrer und Mentor. Nachdem ich bei ihm meine Prüfung in Innerer Medizin abgelegt hatte, meinte er, ich solle mich nach dem Studium bei ihm melden. Das habe ich getan und meine Stelle unmittelbar nach Beendigung des Studiums angetreten; und bis heute bereue ich keinen einzigen Tag in diesem Beruf. Ich würde dieselbe Wahl wieder treffen.

Welche Schwerpunkte in diesem Fach faszinieren Sie besonders?

P. Fickert: Ein Punkt, der die Gastroenterologie besonders interessant macht, ist, dass sie sicherlich eines der größten Felder in der Inneren Medizin ist – sie reicht von Erkrankungen der Mundhöhle über die inneren Drüsen bis zum Anus. Es gibt eine ganze Menge gastrointestinaler Beteiligungen bei Systemerkrankungen, das heißt, ich glaube, dass jemand kein sehr guter Gastroenterologe oder Hepatologe werden kann, wenn er nicht auch ein guter Internist ist. Es sind also die Bandbreite des Fachs, die Komplexität des Fachs, die verschiedenen involvierten Organsysteme. Das reicht von funktionellen Störungen im Gastrointestinaltrakt, Stoffwechselerkrankungen, Ernährungsmedizin bis zur Onkologie.

Ein weiterer besonderer Punkt an dem Fach ist, dass es für mich ganz besonders das Denken und das Tun verbindet. Die Endoskopie ist zwar nur ein Teilgebiet in der Gastroenterologie, aber ein sehr interessanter und hoch innovativer! Wenn Sie gerne endoskopisch, mikrochirurgisch arbeiten, dann ist das einfach eine besondere Herausforderung.

Was mich auch immer sehr gereizt hat, sind Naht- und Schnittstellen in der Medizin. Ich kann nicht ohne spezialisierte Pflegekräfte arbeiten, nicht ohne chirurgische Kolleg*innen, nicht ohne Radiolog*innen, und nicht ohne Patholog*innen. Das heißt, die Interdisziplinarität und die Interprofessionalität sind auch etwas Besonderes an diesem Fach.

Gab es in letzter Zeit medizinische Fortschritte in Ihrem Fachgebiet, die Sie besonders beeindruckt haben?

P. Fickert: Da gibt es einige: Alleine wenn man die Erfolgsgeschichte der Behandlung der Hepatitis C betrachtet: Jetzt tun wir ja so, als ob das alles selbstverständlich wäre, aber die Entwicklungen innerhalb von wenigen Jahrzehnten von der Entdeckung des Virus bis zur fast 100%ig erfolgreichen Behandlung einer sonst chronischen, oft schwer verlaufenden Viruserkrankung – das ist auf jeden Fall eine Erfolgsgeschichte. Als ich 1996 mit dem Fach begonnen habe, ist gerade einmal so richtig bekannt geworden, dass Ulzera im oberen Gastrointestinaltrakt in vielen Fällen eine Infektionserkrankung sind. Die Entdeckungsgeschichte des Helicobacters bzw. dessen erfolgreiche Behandlung darf man auch nicht vergessen. Als Hepatologe ist man eng verbunden mit der Transplantationsmedizin und diese hat sich in den letzten 20 Jahren zu einem Standardverfahren in der Therapie des akuten Leberversagens, chronisch dekompensierter Lebererkrankungen und des HCC entwickelt. Wir messen den Erfolg dieser Methode mittlerweile an der 10-Jahres-Überlebensrate.

In den letzten 10 Jahren sind wir außerdem bei der Therapie von malignen Erkrankungen im Gastrointestinaltrakt schon sehr viel weitergekommen – denken Sie nur an die medikamentösen Therapiemöglichkeiten des hepatozellulären Karzinoms. Hier sind massive Fortschritte erreicht worden. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sind weiterhin nicht heilbar, aber in sehr vielen Fällen sehr gut therapierbar. Die Entwicklung und Wirksamkeit von Biologika zur Behandlung des Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa sind für mich immer noch sensationell. Als ich mit meiner Ausbildung begann, gab es praktisch nur Steroide und 5-ASA-Präparate, heute unvorstellbar. Und es kommen natürlich auch immer wieder interessante neue Erkrankungen dazu, wie z.B. die eosinophile Ösophagitis. Die Erstbeschreibung dieser Krankheit liegt noch nicht so lange zurück und jetzt therapieren wir mittlerweile erfolgreich mit oralen Steroiden, die sich im Ösophagus auflösen.

In der Forschung in der Gastroenterologie waren in den letzten 10 Jahren mit Sicherheit die Erforschung und möglichen pathophysiologischen und therapeutischen Implikationen des gastrointestinalen Mikrobioms wegweisend. Und ganz neu: Ich glaube, dass derzeit eines der wichtigsten und heißesten Topics die Leber-Darm-Achse bzw. die Darm-Leber-Achse ist. Die Leber beeinflusst die Darmfunktionalität, und der Darm beeinflusst die Leberfunktionalität. Noch ist recht wenig bekannt, aber wir spekulieren und diskutieren schon viel darüber. Diese Achse ist metabolischer, immunologischer, endokrinologischer, neurologischer Natur, also wahrscheinlich sehr komplex und deshalb so spannend. Das für mich am meisten Erfolg versprechende Gebiet für die nähere Zukunft ist sicherlich die Neuroimmunologie im Gastrointestinaltrakt. In diesem Bereich rechne ich mit vielen Entdeckungen und Entwicklungen. Das wird ein „game changer“!

© P. Fickert

Abb. 1: CED-Diplomschwester Siegrid Mestel, stv. Abteilungsleiter Univ.-Prof. Dr. Christoph Högenauer und OÄ Dr. Franziska Baumann-Durchschein in unserer Ambulanz für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Welche der Forschungsprojekte, die derzeit an Ihrer Klinik laufen, liegen Ihnen besonders am Herzen?

P. Fickert: Ich habe es vorher schon kurz angesprochen: Wir beschäftigen uns natürlich einerseits mit der Funktionalität und dem Einfluss des Darmmikrobioms bei verschiedenen Erkrankungen, z.B. bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen, irritablem Darmsyndrom, bei Graft-vs.-Host-Disease oder bei Knochenmarkstransplantierten. Univ.-Prof. Dr. Christoph Högenauer hat hier eine starke Gruppe geformt. Andererseits stehen bei uns auch die Ursachen und möglichen therapeutischen Komplikationen von fortgeschrittenen Lebererkrankungen – nicht nur des portalen Hypertonus, sondern auch mit den davon abzuleitenden Konsequenzen, wie z.B. dem Muskelschwund und der hepatischen Enzephalopathie – im Fokus. Assoz. Prof. Dr. Vanessa Stadlbauer leistet hier international sichtbare Forschungsarbeit. Wir haben auch besonderes Interesse an seltenen Erkrankungen: Wir beheimaten in Graz eine Spezialambulanz für seltene Stoffwechselerkrankungen, wie z.B. Porphyrien, Sphingolipidosen, zystische Fibrose – das Spektrum der gastrointestinalen Erkrankungen und Lebererkrankungen ist sehr breit.

Wir sind aber auch an translationeller Forschung interessiert. Unsere Grazer Forschungsgruppe für experimentelle Hepatologie hat Mausmodelle für chronisch-cholestatische Lebererkrankungen entwickelt und Gallensäurederivate in diesen Modellen erprobt, die mittlerweile in Phase-III-Studien bei primär sklerosierender Cholangitis (PSC), primärer biliärer Cholangitis (PBC) und bei Fettlebererkrankungen getestet werden. Das ist also etwas, was wir gemeinsam vom Mausmodell bis in die Phase III bringen konnten. Die mittlerweile jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Univ.-Prof. Dr. Michael Trauner ist mit Sicherheit die spannendste in meinem Berufsleben. Es müssen viele Faktoren zusammenspielen, dass so etwas gelingen kann. Auch Glück gehört dazu. Das primäre Forschungsgebiet in meinem Labor ist die Regulation des Stoffwechsels und im Besonderen natürlich der Leberzellen durch Gallensäuren, und wie umgekehrt wieder die Regulation des Gallenstoffwechsels die Funktionalität der Leberzellen beeinflusst. Dr. Tarek Moustafa arbeitet in diesem Bereich an hoch innovativen Projekten, die auch von der ÖGGH gefördert werden. Wir sind eine wissenschaftliche Gesellschaft mit einem hohen Anspruch in der Wissenschaftsförderung, das sollte man nicht vergessen.

In der klinischen Hepatologie beschäftigen wir uns sehr viel mit Prognosemodellen – z.B. für TIPS-Indikationsstellung – und neuen nichtinvasiven prognostischen Tests. Die alkoholische Fettlebererkrankung bildet – leider auch aufgrund der besonderen Situation in der Steiermark und generell in Österreich – einen unserer Forschungsschwerpunkte. Die Gruppe um Univ.-Prof. Dr. Karoline Lackner und Univ.-Prof. Dr. Rudolf Stauber leistet hier Wesentliches. Es gäbe noch viel Spannendes und Erwähnenswertes.

Was sind Ihre Ziele für Ihre Amtszeit als ÖGGH-Präsident? Und wie lässt sich diese Funktion mit Ihrem Arbeitsalltag vereinen?

P. Fickert: Der zweite Teil der Frage ist interessant. Wir üben unsere Funktionen im ÖGGH-Vorstand alle ehrenamtlich aus, und das machen wir immer „add-on“. Das geht nur, wenn Sie nicht mit Begriffen wie einer Work-Life-Balance aufgewachsen sind. Auch mein Tag hat nur 48 Stunden, pflegte einer meiner Lehrer zu sagen. Es ist schwer vereinbar, aber es muss sich halt irgendwie ausgehen. Außerdem spiele ich keine „one-man show“. Der Vorstand der ÖGGH ist ein tolles Team und jeder hilft mit, dass wir uns als Gesellschaft gedeihlich entwickeln. Aktive Arbeitsgruppenleiter*innen und Beiräte sind das Herzstück der ÖGGH. Der Präsident ist nichts ohne einen aktiven, eigenverantwortlich arbeitenden Vorstand und ein funktionierendes Sekretariat. Beides hat die ÖGGH.

Zum ersten Teil der Frage: Was mir besonders am Herzen liegt, ist die Jugendarbeit. Bereits vor Antritt meiner Präsidentschaft war mir sehr wichtig, dass wir innerhalb der ÖGGH die Young ÖGGH für den Nachwuchs etablieren. Wir haben nun auch eine Statutenänderung durchgeführt: Die Young ÖGGH gibt es nun als eigene Arbeitsgruppe innerhalb der ÖGGH. Es ist sehr wichtig, dass die junge Generation aktiv in die Gesellschaft eingebunden ist. Denn wenn man sich um den Nachwuchs proaktiv kümmert, den Wettkampf um die besten Köpfe antritt und die Jugend stark fördert und fordert, ist das in Bezug auf die Zukunft und Nachhaltigkeit das Beste für unsere Gesellschaft.

<< Es ist vielleicht nicht allen Bürger*innen und Kolleg*innen bekannt, aber die Gastroenterologie und Hepatologie ist im Österreichischen Strukturplan für Gesundheit aktuell nicht dezidiert abgebildet.>>

Beim nächsten Jahrestreffen wird eine Arbeitsgruppenleitung der Young ÖGGH gewählt, und damit wird die Young ÖGGH auch stimmberechtigt im Vorstand sein. Außerdem wird die Jahrestagung um einen Tag verlängert, damit die Young ÖGGH dort ihr eigenes Forum hat. Innerhalb der Young ÖGGH sollen die Jungen auch für die Jungen arbeiten und diesen Servicecharakter, diesen Wert, diese Einstellung verinnerlichen; das betrifft sowohl die klinische als auch die akademische Ausbildung. Wichtig ist, dass die jungen Gastroenterolog*innen und Hepatolog*innen erkennen, dass Ausbildung auch eine Bringschuld ist: Es geht um das Erarbeiten, das Verstehen von Inhalten und das gemeinsame Üben von Fertigkeiten, und dass jeder jedem alles beibringt, was er kann – also eine Wertefrage und innere Haltung. Der zentrale Punkt ist eine moderne und zukunftsweisende Ausbildung im Fach, denn: Was nicht gelehrt und nicht gelernt wird, wird nicht gemacht. Und was nicht gemacht und nicht gekonnt wird, wird entweder nicht gelingen, oder wir werden es für unser Fach verlieren.

Wo wir schon recht weit sind: Neben Lehrbuchempfehlungen und Kursen unserer Fachschaft bieten wir als ÖGGH den Postgraduiertenkurs, Sedierungskurs, Blutstillungskurs, Sonografiekurse und Facharztprüfungsvorbereitungskurse an. Mittlerweile gibt es auch eine, so glaube ich, strukturell und inhaltlich sehr gut und weit entwickelte strukturierte mündliche Prüfung, die sehr praxisbezogen ist. Wir streben ausbildungstechnisch aber noch mehr an: Wir brauchen nicht nur das wichtige Rasterzeugnis, sondern klar definierte Ausbildungsziele, nämlich was die Lerntiefe und den Kompetenzlevel betrifft. Dies ist entscheidend, um auch klarzustellen, dass Ausbildung und Training nicht einfach mit „learning by doing“ funktioniert. Wir brauchen ein standardisiertes Training, wir brauchen Train-the-Trainer-Programme und das Ganze muss wechselseitig evaluiert werden. Österreichweit haben wir als ÖGGH eine Vernetzung der Ausbildungs-Oberärzt*innen mit regelmäßigen Treffen und Informationsaustausch gestartet. Hier können sich alle einbringen, die an Ausbildung interessiert sind, sowohl Kolleg*innen, die ausbilden, als auch solche, die für die Ausbildung verantwortlich sind. Gemeinsam wollen wir in diesem Rahmen auch ein Ausbildungs-Curriculum entwickeln. D.h.: Wann sollte man während der 36 Monate Schwerpunktausbildung was und wie unterrichten? Das soll keine Vorschrift für die Abteilungen und auch keine Konkurrenz zum Rasterzeugnis darstellen, sondern vielmehr eine sinnvoll zu lebende Hilfe, um möglichst gut, qualitätskontrolliert und standardisiert auszubilden. Wichtig ist, dass wir uns gemeinsam positiv weiter entwickeln.

Und einen letzten Gedanken noch zur Young ÖGGH: Es bleibt natürlich auch immer die Aufgabe von bereits international etablierten Kolleg*innen in unserem Fach im Land, die junge und die nächste Generation in die Gesellschaftswelt und die akademische Welt auf europäischem und internationalem Niveau einzuführen. Und darum werden wir auch versuchen, ein Mentor*innenprogramm zu initiieren.

Welche Ziele verfolgen Sie sonst noch?

P. Fickert: Es gibt natürlich auch standespolitische Agenden, die unbedingt zu verfolgen sind. Ich glaube, es braucht mehr Lobbyismus in der Landes- und Bundespolitik, und das meine ich im positiven Sinn. Es ist vielleicht nicht allen Bürger*innen und Kolleg*innen bekannt, aber die Gastroenterologie und Hepatologie ist im Österreichischen Strukturplan für Gesundheit aktuell nicht dezidiert abgebildet. Man kann natürlich sagen: Das ist nur Papier, aber das ist ein sehr wichtiges Papier, denn wenn die Struktur ohne ein Fach geplant wird, dann gibt es auch keine Struktur für das Fach! Es ist unabdingbar, dass in einem der kommenden Österreichischen Strukturpläne für Gesundheit und auch in den entsprechenden regionalen Strukturplänen für Gesundheit – denn vieles davon ist auch Ländersache – das Fach Gastroenterologie und Hepatologie abgebildet sein wird. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass wir für die Kolleg*innen im niedergelassenen Bereich unser Angebot signifikant erhöhen wollen. Erstmals haben wir jetzt einen Beirat für Angelegenheiten der niedergelassenen Kolleg*innen.

Ein zentrales Anliegen in diesem Zusammenhang: Es gibt derzeit keinen bundesweit einheitlichen fairen Gesamtvertrag zu zeitgemäßen Leistungen und Leistungsvergütung, also einen modernen Leistungskatalog. Diese wichtige Voraussetzung sollten die zuständigen Institutionen schaffen. Wir werden uns sehr bemühen, dass wir die nötigen Gespräche führen und entsprechend Lobbyismus betreiben, damit wir die mit Recht geforderte Ambulantisierung auch in unserem Fach bei entsprechender fairer und moderner Leistungsvergütung qualitätskontrolliert erbringen können. Es ist an der Zeit, uns österreichweit eng abzustimmen, und mein designierter Nachfolger im Amt, Univ.-Prof. Dr. Harald Hofer, wird das als nächster Präsident der ÖGGH weiter vorantreiben und die ÖGGH wird ihn dabei unterstützen.

<< Es gibt derzeit keinen bundesweit einheitlichen fairen Gesamtvertrag zu zeitgemäßen Leistungen und Leistungsvergütung, also einen modernen Leistungskatalog. Diese wichtige Voraussetzung sollten die zuständigen Institutionen schaffen.>>

Dazu ein einfaches Beispiel: Seit November des letzten Jahres gibt es das erste Mal in Österreich ein gesetzmäßig verankertes Programm für Kolonkarzinomprävention. Dabei ist noch nicht genau geklärt, wer die Patient*innen, die einen positiven Nachweis von Blut im Stuhl haben, tatsächlich alle endoskopieren wird. Die beste Vorsorge, die es derzeit für den Dickdarmkrebs gibt, ist das frühzeitige Erkennen der Vorstufen, nämlich der Polypen und Adenome, und deren komplettes Abtragen mittels Endoskopie. Die dadurch signifikant verlängerte Überlebenszeit und Abnahme der Sterblichkeit an Dickdarmkrebs haben letztlich zu diesen gesetzlichen Rahmenbedingungen geführt. Es wird an den Stakeholdern liegen, reale und attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen, damit das ehrgeizige Vorhaben auch im Sinne der uns anvertrauten Patient*innen umgesetzt werden kann. Die ÖGGH wird dieses gesetzliche Kolonkarzinompräventionsprogramm weiterhin von fachlicher Seite her massiv unterstützen und sich dafür einsetzen, dass es auch qualitätskontrolliert durchgeführt werden wird. Ich hoffe, wir werden auch von den politisch Verantwortlichen und der Österreichischen Gesundheitskasse stärker gehört und verstanden. Ich denke, dass sich z.B. dokumentiert qualitätsgesicherte Endoskopie – z.B. Adenomdetektionsrate, dokumentierte Rückzugszeit, standardisierte Befunderstellung mit Bilddokumentation etc. – in entsprechenden Tarifen abbilden sollte.

Bei der Jahrestagung 2022 zeichnete eine von der ÖGGH und der ÖÄK in Auftrag gegebene Studie des IHS ein teilweise düsteres Bild für die Zukunft der gastroenterologischen/hepatologischen Versorgung. Gibt es Nachwuchsprobleme?

P. Fickert: Nein. Ich glaube, dass wir aktuell in der Gastroenterologie und Hepatologie generell keine Nachwuchsprobleme haben. Unser Fach ist in mehrerlei Hinsicht sehr attraktiv. Aber wenn Sie die Zahlen der von uns zusammen mit der Ärztekammer in Auftrag gegebenen Studie des Instituts für Höhere Studien anschauen, so gibt es eine errechnete Personalbedarfslücke allein durch die bis 2030 pensionierten Kolleg*innen. Und ich möchte mich zusammen mit der ÖGGH für diese Gruppe von fehlenden Fachärzt*innen einsetzen, sodass diese bestmöglich ausgebildet wird. So hoffe ich, dass die in anderen Bereichen der Medizin derzeit beobachteten Skill Gaps in der Gastroenterologie und Hepatologie hoffentlich noch nicht vorliegen und zukünftig auch nicht vorliegen werden. Man muss darauf achten, sich rechtzeitig um eine entsprechende „Bewirtschaftung“ der Ausbildungsstellen zu kümmern. Hier sind natürlich die Spitalsträger, aber auch die verantwortlichen Abteilungsleitungen gefordert. Deshalb habe ich mich ja ganz klar dafür ausgesprochen, jetzt sehr genau darüber nachzudenken, wen und wie viele Kolleg*innen wir ausbilden sollen. Wir werden das Bestmögliche unter den herrschenden Bedingungen dafür tun.

Ein Wunsch für die Zukunft?

P. Fickert: Aufgrund der schwierigen gesundheitspolitischen Situation würden wir uns seitens der ÖGGH wünschen, dass es zu einem möglichst breiten Schulterschluss zwischen ÖKK, ÖÄK und den Spitalsträgern kommt, um eine gute Versorgung der Patient*innen dauerhaft sicherzustellen. Es wäre wichtig und mehr als zeitgemäß, wenn alle Beteiligten große Schritte aufeinander zugingen. Für mich ist das eigentlich schon seit Jahren überfällig. Wie man immer so schön sagt: Am Ende des Tages geht es immer ums Geld! Aber ich glaube, in diesem Land ist genügend Wirtschaftskraft und Wohlstand vorhanden und man sollte noch tiefer darüber nachdenken, wie man diese Mittel besser zum Wohl der Patient*innen einsetzt. Ich glaube, vor allem im Gesundheitswesen und in der Medizin bekommen beinahe alle Patient*innen in Österreich immer noch schnell fast alles, was sie benötigen. Man darf aber die deutlichen Einschränkungen unserer Leistungsmöglichkeiten durch Pflegekräftemangel nicht schönreden. Die Belastungen für alle im Gesundheitssystem Tätigen haben enorm zugenommen. Die Themen Effizienzsteigerung und Arbeitsverdichtung sind für mich, soweit ich das für die klinische Gastroenterologie und Hepatologie sagen kann, mehr als ausgereizt. Es bekommen aber auch immer noch viele Menschen – ich sage absichtlich nicht: Kranke – sogenannte Leistungen, die vielleicht nicht unbedingt nötig oder primär zielführend sind, die aber in der Summe sehr viel Geld kosten, weil sie als Leistung honoriert werden. Im Idealfall – bei richtiger Wertewelt und ausschließlich patientenorientierter Medizin, wo immer der Mensch im Mittelpunkt stehen muss – sollte möglichst zielgerichtete Diagnostik und Therapie die vorhandenen Mittel in einem gut austarierten solidarischen Gesundheitssystem möglichst effektiv und zum größten Gemeinwohl nutzen.

Vielen Dank für das Gespräch!
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