
Ethische Aspekte von eMental Health

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eMental Health bezeichnet die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in Psychiatrie und Psychotherapie. Aus ethischer Sicht ergeben sich daraus Benefits und Risiken.
eMental Health: Anwendungen
Digitalen Technologien wird großes Potenzial für die psychische Versorgung zugeschrieben. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig und reichen vom verbesserten Datenmanagement über Telepsychiatrie bis hin zu Anwendungen, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren.1,2
Mittels eHealth lassen sich Daten effizienter verwalten, z.B. für eine integrative Therapieplanung. Telepsychiatrie bezeichnet die Nutzung von IKT für die Behandlung auf Distanz. Dies kann Erstgespräche via Videocall oder diagnostische wie therapeutische Interventionen mittels Apps für mobile Endgeräte beinhalten. Besonders internet- und mobilgestützte Interventionen (IMI) stehen hierbei im Fokus. Dazu gehören interaktive Websites sowie Apps für mobile Endgeräte, die zur Kommunikation mit Patient*innen, zur Erhebung von Daten und für therapeutische Interventionen genutzt werden können. Auf KI basierende Anwendungen können eingesetzt werden, um große Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen zu integrieren und zu analysieren. So lassen sich etwa Daten aus der elektronischen Patientenakte mit Daten aus dem Alltag von Patient*innen verknüpfen, die mittels Apps oder Smart Wearables ermittelt werden. KI-Anwendungen werden zudem eingesetzt, um in Social-Media-Beiträgen nach Hinweisen auf psychische Symptome zu suchen und dienen somit der Prävention. Sogenannte Chatbots können Erstgespräche mit Patient*innen führen oder zur Psychoedukation eingesetzt werden.
Ziele und ethische Aspekte
eMental Health ist mit unterschiedlichen Zielen und Erwartungen verbunden.1,3 Ein verbessertes Datenmanagement sowie das Delegieren von Behandlungsschritten, etwa des Erstgesprächs, an automatisierte Systeme (Chatbots) sollen zu Effizienzsteigerung und Kosteneinsparungen führen. Zudem soll die Behandlungsqualität verbessert und der Zugang zu Versorgungsleistungen erleichtert werden, v.a. durch die Nutzung von IMI. Hinzukommt das Empowerment von Patient*innen als weiteres Ziel, wobei die aktivere Partizipation von Patient*innen deren Selbstwirksamkeitserleben stärken und das Machtgefälle innerhalb der klinischen Dyade reduzieren soll.
Die Verbesserung des Zugangs, das Empowerment von Patient*innen und die Reduktion von Kosten sind wünschenswerte Ziele von eMental Health. Allerdings muss geklärt sein, unter welchen Voraussetzungen diese Ziele erreicht werden können und wie mit Zielkonflikten umgegangen wird.3,4
In Psychiatrie und Psychotherapie ist Autonomie, verstanden als selbstbestimmte Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit, als ein Spektrum zu betrachten, d.h. als Vermögen, das in unterschiedlichen Handlungskontexten variieren kann. Oftmals ist die (Wieder-)Herstellung von Autonomie ein Therapieziel und kann somit nicht pauschal vorausgesetzt werden. Eine Überbetonung von Selbstwirksamkeit und Selbstmanagement kann daher den Therapieerfolg beeinträchtigen und in manchen Fällen zu einer Symptomverschlechterung führen. Ausschlaggebend sind hier das Störungsbild sowie die individuelle Ausprägung bzw. Symptomschwere.
Individuelle Anwendung
Die Anwendung von eMental Health ist mit den individuellen Bedürfnissen und Ressourcen von Patient*innen abzustimmen. Dazu gehört auch die Entscheidung darüber, ob es sinnvoll ist, diese Anwendungen zusätzlich zur Face-to-Face-Therapie zu implementieren („blended therapy“) oder sie als niedrigschwelliges Behandlungsangebot im Sinne eines Stepped-care-Ansatzes zu nutzen.
Des Weiteren liegen nicht bei allen Patient*innen die Kompetenzen für den Umgang mit digitalen Technologien („digital literacy“) vor. Hier kann es zu einer Überforderung und zu Frustrationserlebnissen kommen. Bestimmte Patientengruppen, z.B. Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad sowie Menschen mit Migrationshintergrund, profitieren kaum von IMI. Die Gründe liegen in mangelnder Technikaffinität, fehlenden digitalen Kompetenzen sowie in sprachlichen und kulturellen Zugangshürden.3 Somit würde das Ziel, unterversorgte Gruppen zu erreichen, verfehlt.
Qualitätssicherung und Datenschutz
Ein weiteres Risiko besteht in Hinsicht aufQualitätssicherung und Datenschutz. Das Angebot an eMental-Health-Technologien ist mittlerweile unüberschaubar und die Qualität einzelner Anwendungen, etwa die Evidenzbasis von Apps, ist oft schwierig zu ermitteln. Zudem weisen viele Anwendungen eine intransparente oder mangelhafte Privacy Policy auf, wodurch oft unklar ist, wer Zugang zu Patientendaten hat und wie diese gesichert oder wie lange sie gespeichert werden. Dies kann sich negativ auf das Vertrauen und somit die Compliance von Patient*innen auswirken.
Schließlich birgt der Einsatz von eMental Health auch das Risiko einer Deprofessionalisierung durch die Delegierung von genuin ärztlichen bzw. therapeutischen Tätigkeiten. Wenn automatisierte Systeme, etwa Chatbots, zunehmend Aufgaben in der Interaktion mit Patient*innen übernehmen oder zur Entscheidungsunterstützung genutzt werden, kann dies die therapeutische Autonomie untergraben. Zudem kann sich die Präsenz solcher nichtmenschlicher Akteure ebenso wie der Fokus auf Selbstmanagement von Patient*innen negativ auf die therapeutische Beziehung auswirken. Da die therapeutische Beziehung den entscheidenden Wirkfaktor jeder Therapie darstellt, kann dadurch der Therapieerfolg gefährdet sein.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eMental Health ein großes Potenzial zur Verbesserung der Behandlungsqualität und des Zugangs sowie zur Förderung von Patientenwohl und -autonomie besitzt. Allerdings bedarf es ergänzender Schritte, um die Erreichung dieser Ziele zu sichern. Erstens muss die Anwendung von eMental Health auf die individuellen Bedürfnisse und Ressourcen von Patient*innen abgestimmt sein. Zweitens bedarf es einer verbesserten Qualitätssicherung und transparenterer Privacy Policies seitens der Anbieter. Drittens ist empirisch zu klären, wie sich eMental Health auf die therapeutische Beziehung auswirkt.
Literatur:
Ebert DD et al.: Internet- and mobile-based psychological interventions: applications, efficacy, and potential for improving mental health. Eur Psychol 2018; 23(2): 167-87
Graham S et al.: Artificial intelligence for mental health and mental illnesses: an overview. Curr Psychiatry Rep 2019; 21(11): 116
Rubeis G, Ketteler D: Wem nützt die App? Internet- und mobilgestützte Interventionen (IMIs) im Spannungsfeld von Autonomie und Patientenwohl. Psychotherapie, Psychosomatik und Medizinische Psychologie 2020; 70(11): 467-74
Rubeis G: iHealth: The ethics of artificial intelligence and big data in mental healthcare. Internet Interv 2022; 28: 100518
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