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Entzündliche Hauterkrankungen

JAK-Hemmer erobern immer mehr Indikationsgebiete

Proinflammatorische Zytokine spielen bei zahlreichen entzündlichen Hauterkrankungen eine Schlüsselrolle. Sie entfalten ihre Wirkung über den intrazellulären JAK-STAT-Mechanismus, was die Bedeutung der JAK-Inhibitoren als ein zielgerichteter therapeutischer Ansatz in der Dermatologie erklärt; sie bieten auch Optionen für bisher nur unspezifisch behandelbare Indikationen.

Zur Behandlung der atopischen Dermatitis (AD) sind mit Upadacitinib, Baricitinib und Abrocitinib bereits drei JAK-Inhibitoren zugelassen. Doch die Small Molecules erobern darüber hinaus immer weitere Indikationsgebiete. Sie eignen sich besonders für Erkrankungen, an deren Zustandekommen mehrere Zytokine beteiligt sind, im Gegensatz zu Biologika ist ihr Angriffspunkt breiter. Dies gilt zum Beispiel für die Behandlung der Alopecia areata (AA). Nach Ausführung von Prof. Brittany Craiglow, Yale University School of Medicine, New Haven (USA), entfalten traditionelle Arzneimittel für AA keine verlässliche Effektivität – besonders nicht bei fortgeschrittenen Krankheitsbildern.1 Die Zytokine IL-15 und Interferon (IF) γ spielen eine tragende Rolle in der Pathogenese der AA. «Mit den JAK-Hemmern haben wir die Möglichkeit, an beiden Seiten anzugreifen», erklärte Dr. Craiglow. Eine Behandlungsindikation bestehe in jedem Fall, da die Patienten einen hohen Leidensdruck haben, besonders auch, wenn sie keine Lid- und Brauenhaare aufweisen.

Als erster JAK-Hemmer ist Baricitinib infolge der positiven Ergebnisse der BRAVE-AA1- und BRAVE-AA-Studien bei Patienten mit schwerer Alopecia areata zugelassen. Inzwischen liegen auch für die noch in der Entwicklung befindlichen JAK-Hemmer Ritlecitinib und Deuruxolitinib Phase-3-Resultate vor.

«Je schlimmer der Haarverlust ist, desto längere Zeit braucht es, um ein Ansprechen zu erreichen. Auch die Dauer der jetzigen Episode ist wichtig, weil sie das Ansprechen beeinflusst», erklärte Dr. Craiglow. Je kürzer die Episode ist, umso besser ist die Wirksamkeit. Dies verdeutliche auch, dass Patienten mit AA möglichst früh einer Therapie zugeführt werden sollten. Durch die JAK-Hemmer wachsen auch die Augenbrauen und Lidhaare nach.

Bei AA am besten in Kombination mit Minoxidil

In praxi habe es sich bewährt, JAK-Hemmer immer zusammen mit oral verabreichtem Minoxidil einzusetzen, da sich so eine additive Wirkung erreichen lässt.

Es empfiehlt sich, die Behandlung mit 2mg Baricitinib zu beginnen und erst bei ungenügendem Ansprechen die Dosis auf 4mg zu erhöhen. Bei vollständigem oder fast vollständigem Haarverlust könne auch mit der hohen Dosis gestartet werden. Ist ein gutes Ansprechen erreicht, so sollte die Dosis auf 2mg reduziert werden. Nach Erfahrung von Dr. Craiglow kann nach sechs bis 12 Monaten mit einem fast vollständigen Nachwachsen des Kopfhaares gerechnet werden, Augenbrauen benötigen oft länger. Patienten sollten zu Behandlungsbeginn alle drei bis vier Monate einbestellt werden. Da es sich um eine chronische Erkrankung handelt, ist vermutlich auch eine chronische Therapie erforderlich. Allerdings könne eine langsame Dosisreduktion erwogen werden, nachdem Haare mindestens 12 Monate lang vollständig nachgewachsen sind.

Eine weitere vielversprechende Indikation für JAK-Inhibitoren ist die Hidradenitis suppurativa (HS), denn in der Pathogenese spielen zahlreiche Zytokine wie IL-1ß, IL-23 und IL-10 eine Rolle, die über den JAK/STAT-Signalweg laufen.2 Prof. Aaron Mangold, Mayo-Klinik in Phoenix/Scottsdale (USA), betonte, dass die Hemmung des JAK-Signalwegs und der breitere Ansatzpunkt der JAK-Inhibitoren aus diesem Grund ein erfolgversprechenderer Ansatz sind als die Inhibition einzelner Zytokine oder TNF-alpha.

Derzeit werden einige JAK-Inhibitoren in dieser Indikation untersucht: Am weitesten ist der selektive JAK1-Hemmer Povorcitinib. In einer Phase-2-Studie an 209 Patienten mit aktiver HS, die 16 Wochen doppelblind versus Placebo durchgeführt wurde, erzielte der JAK-Hemmer eine signifikante Senkung von Abszessen und entzündlichen Knötchen. In der sich anschliessenden offenen Studienverlängerung bis Woche 52 wurden alle Patienten mit 75mg Povorcitinib behandelt. Dadurch verbesserten sich die Behandlungsergebnisse weiter: So konnten nach 52 Wochen 22% bis 29% der Studienteilnehmer ein vollständiges Ansprechen (Hidradenitis Suppurativa Complete Response, HiSCR100), definiert als 100%ige Reduktion entzündlicher Knötchen seit Studienbeginn ohne erneuten Anstieg von Abszessen oder Drainagetunnel, erreichen. Zudem war die Verträglichkeit gut.

Erfolgversprechende frühe Daten gibt es auch für Brepocitinib, einen dualen TYK2- und JAK1-Hemmer.

Derzeit laufen auch zwei Phase-2-Studien zu HS mit einer topischen 1,5%igen Ruxolitinib-Creme. Erste ermutigende Ergebnisse gibt es auch zum Einsatz von JAK-Hemmern bei seltenen Erkrankungen wie Lichen planus und Dermatomyositis.

Sicherheit der JAK-Inhibitoren: Auswahl der Patienten ist entscheidend

Kürzlich wurden Warnungen von Sicherheitsbehörden, z.B. die «Boxed Warnings» in den USA oder Warnungen des Sicherheitsausschusses der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), zu schwerwiegenden Nebenwirkungen der JAK-Hemmer ausgegeben. «Infektionen des oberen Respirationstrakts, Kopfschmerzen, Nasopharyngitis, Übelkeit und Akne sind häufige Nebenwirkungen von JAK-Hemmern», erklärte Prof. Brett King, Yale University School of Medicine in New Haven (USA).3 Im Gegensatz dazu sind die von den Zulassungsbehörden genannten Ereignisse wie schwere Infektionen, Malignome, schwere kardiovaskuläre Ereignisse, Thrombosen und Mortalität sehr selten. Diese Warnungen beruhen auf Studienergebnissen der sogenannten Oral Surveillance Study aus der Rheumatologie: Die hier eingeschlossenen Patienten waren mindestens 50 Jahre alt und wiesen mindestens einen kardiovaskulären Risikofaktor auf.4 In dieser Studie traten bei der Therapie mit Tofacitinib signifikant häufiger schwere kardiovaskuläre Ereignisse und Malignome auf als bei der Therapie mit TNF-Blockern. Wie Prof. King ausführte, lässt sich diese Situation nicht auf die Patienten übertragen, die in der Dermatologie z.B. aufgrund einer AD mit JAK-Inhibitoren behandelt werden. Die Patienten in der Oral-Surveillance-Studie erhielten zusätzlich Methotrexat, 57% von ihnen auch systemische Steroide. Ihr BMI betrug um die 30. Die Situation sei in der Dermatologie deutlich günstiger, da die Patienten jünger sind und wenige Komorbiditäten aufweisen.

Um die Sicherheit von JAK-Hemmern zu optimieren, sollten sie nach Ausführung von Prof. King bei bestimmten Patienten nur eingesetzt werden, wenn keine anderen therapeutischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen (Tab. 1). «Ich möchte die Möglichkeit dieser Risiken nicht kleinreden, doch wenn wir damit ansonsten gesunde Patienten behandeln, sind sie wirklich sehr gering», erklärte Prof. King. Ein Beitrag zur Sicherheit ist auch in jedem Fall eine begleitende Therapieüberwachung. Spezifische Angaben finden sich in der Produktinformation der einzelnen JAK-Hemmer. Da Nebenwirkungen dosisabhängig sind, empfiehlt sich zunächst die Therapie mit der geringeren Dosis.

Tab. 1: Patienten, bei denen JAK-Hemmer nur eingesetzt werden sollten, falls keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung stehen3

2023 AAD Annual Meeting, 17.–21. März 2023, New Orleans

1 Craiglow B: JAK inhibitors for alopecia areata. S005, AAD 2023, 17. März 2023, New Orleans (USA) 2 Mangold A: JAK inhibitors for lichen planus, pruritus, hidradenitis suppurativa and other conditions. S005, AAD 2023, 17. März 2023, New Orleans (USA) 3 King B: Understanding the safety profile of JAK inhibitors. S005, AAD 2023, 17. März 2023, New Orleans (USA) 4 Ytterberg SR et al.: N Engl J Med 2022; 386: 316-26

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