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Dermatologische Forschung auf hohem Niveau

Innovative Diagnose- und Therapiekonzepte aus Österreich

Künstliche Intelligenz gewinnt zunehmend an Bedeutung in der Diagnostik, insbesondere von Hautkrebs. Der Realitäts-Check offenbart jedoch Schwächen, vor allem bei Consumer-Apps. Gleichzeitig ermöglichen neue Erkenntnisse zur Struktur von Gewebeknötchen ein neues Therapiekonzept für Patient:innen mit Sarkoidose.

Die Jahreskonferenz der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) ist nicht ohne Grund ein fester Termin im Kalender der Dermatologinnen und Dermatologen in Österreich. Dieses Jahr wurden auf der Veranstaltung, die vom 30. November bis 2. Dezember in Salzburg stattfand, unter anderem Diagnose- und Therapiekonzepte aus Österreich vorgestellt. KI-gestützte Systeme werden in der Diagnostik von Hautkrebs bereits erfolgreich eingesetzt und sind aktuellen Studien zufolge Expert:innen beim Erkennen von Hautveränderungen ebenbürtig. Dennoch sehen Forscher:innen noch einige Herausforderungen im Hinblick auf praktische Anwendbarkeit, Daten und Konsequenzen von Fehldiagnosen. Zudem ist heimischen Forscher:innen in einer Pilotstudie an der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien ein großer Schritt in der Behandlung der Sarkoidose gelungen. Erstmals wurde eine Gruppe von Sarkoidosepatient:innen erfolgreich mit einem sogenannten mTOR-Inhibitor behandelt.

KI: vielversprechend, aber auch noch viel Luft nach oben

„Die Forschung der Dermatologie Österreichs liefert Topergebnisse in allen Bereichen: von der künstlichen Intelligenz über die translationale Forschung hin bis zu pharmazeutischen und akademischgeleiteten klinischen Studien“, so ÖGDV-Präsident Univ.-Prof. Dr. Peter Wolf.

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Programmpunkt mit angeregter Diskussion: „Kontroverse – künstliche Intelligenz“

KI-gestützte Systeme, die unter Beteiligung österreichischer Forscher:innen entwickelt wurden, finden in der Diagnostik von Hautkrebs bereits Einsatz. Eine neue Publikation1 vergleicht die diagnostische Genauigkeit eines KI-gestützten Diagnoseverfahrens in einem realistischen klinischen Szenario mit der von menschlichen Untersucher:innen. „Hierbei war das KI-gestützte System den Expert:innen ebenbürtig, wobei beide etwa 73%der Hautveränderungen korrekt erkannten. Im Vergleich dazu identifizierten weniger erfahrene Untersucher:innen nur etwa 50% korrekt“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Harald Kittler, Oberarzt an der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien. Bei Personen mit vielen Muttermalen zeigte das KI-System jedoch Schwächen: Es diagnostizierte 1,4% der Muttermale fälschlicherweise als bösartig, im Gegensatz zu den menschlichen Untersucher:innen, die 99,9% richtig als unbedenklich einstuften. „Für Personen mit vielen Muttermalen hätte das zur Folge, dass deutlich mehr Muttermale zu diagnostischen Zwecken entfernt werden müssten“, so Kittler.

Eine weitere Studie2 untersuchte, ob die Einbeziehung der Konsequenzen von Fehldiagnosen das KI-System verbessern kann. „Während erfahrene Untersucher:innen die Auswirkungen ihrer Entscheidungen berücksichtigen, wird dieser Aspekt bei der Entwicklung von KI-Systemen normalerweise vernachlässigt“, sagt Kittler. „Die Studie zeigt, dass die Berücksichtigung potenzieller Konsequenzen sowohl die Erkennungsrate von Hautkrebs durch KI-Systeme als auch deren Nutzung durch Personen verbesserte. Dies deutet darauf hin, dass eine Anpassung der Trainingsmethoden für KI-Systeme in Zukunft sinnvoll sein könnte.“

Eine dritte, ebenfalls soeben unter österreichischer Beteiligung publizierte Arbeit3 konzentriert sich auf eine Zusammenfassung der wichtigsten bisher veröffentlichten Studien zur KI-gestützten Diagnose von Hautkrebs und behandelt detailliert die Nutzung von Softwareanwendungen für Laien (Consumer-Apps). Gemäß dem Medizinproduktegesetz werden diese Anwendungen als Klasse-I-Medizinprodukte klassifiziert, die lediglich Risikoeinschätzungen abgeben dürfen, nicht jedoch Diagnosen stellen. „Die Analyse vorhandener Daten zeigt, dass diese Anwendungen größtenteils unzureichend getestet wurden und tendenziell zu hohe Risikobewertungen abgeben, was zu einer Überforderung und nicht zur erwünschten Entlastung des Gesundheitssystems führen könnte“, erklärt Kittler.

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Blick in den großen Saal, in dem zahlreiche der Vorträge und Diskussionen stattfanden

Ferner könnte diese Technologie Ungleichheiten in Bezug auf den Zugang zu fachärztlicher Expertise verstärken, indem sie technikaffine Personen bevorzugt.Dies seien nicht die einzigen Herausforderungen, die bei der flächendeckenden Implementierung von KI in der Dermatologie beachtet werden müssen.

Bestimmte Hauttypen seien in den Trainingsdaten der KI unterrepräsentiert, so Kittler. „Das kann zu Algorithmen führen, die nicht universell anwendbar sind. Insgesamt ist es wichtig, neben den unbestreitbaren Chancen auch mögliche unerwünschte Auswirkungen der KI-gestützten Diagnostik eingehender zu bewerten, um die bestehenden KI-Systeme besser unseren Zielen anzupassen.“

Pilotstudie vorgestellt

Eine neue Therapie von Sarkoidose, die in einer Pilotstudie an der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien erfolgreich getestet wurde, stellte Assoc.Prof. Priv.-Doz. Dr. Georg Stary vor, der zweite stv. Leiter der Universitätsklinik für Dermatologie an der Medizinischen Universität Wien. Sarkoidose manifestiert sich als chronisch-entzündliche Erkrankung unterschiedlicher Organe und ist durch die Ausbildung von kleinen Knötchen, sogenannten Granulomen, charakterisiert. Die Lunge ist am häufigsten betroffen, gefolgt von der Haut und anderen Organen. Sarkoidose zählt zu den seltenen Erkrankungen. Von 100000 Personen sind weltweit zwischen 1 und 35,5 Individuen von einer Sarkoidose betroffen, wobei die Prävalenz deutliche regionale Unterschiede aufweist.

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Die Jahrestagung bietet neben viel fachlichem Input auch gute Möglichkeiten zum individuellen Netzwerken

Während etwa die Hälfte der individuell betroffenen Patient:innen eine spontane Regression aufweist, kommt es bei etwa 20% von ihnen zu einem chronisch-progressiven Verlauf. „Wir konnten mittels neuer Verfahren, die das Muster der RNA-Transkription einzelner Zellen und in Hautschnitten erfassen, die Zusammensetzung und Struktur von Granulomen auf zellulärer und molekularer Ebene beschreiben.4 Dabei stellten wir fest, dass das Zusammenspiel von Immunzellen (wie Makrophagen und T-Zellen) mit Strukturzellen von entscheidender Bedeutung ist“, erklärt Stary.

Metabolische Signalwege spielen für die Beschaffenheit von Granulomen eine besondere Rolle, was unter anderem durch eine erhöhte Aktivität von mTOR (ein Protein, das zur Entstehung von Sarkoidose beiträgt) innerhalb der Granulome verdeutlicht wird.„Um das Potenzial für die klinische Translation unserer Analyse zu untersuchen, führten wir eine klinische Pilotstudie durch, bei der erstmals eine Gruppe von Sarkoidosepatient:innen mit einem sogenannten mTOR-Inhibitor behandelt wurde, der das mTOR-Protein hemmt. Wir beobachteten bei einem Gutteil der Patienten (7 von 10) mit chronisch-progressiver Sarkoidose ein Ansprechen, welches nach einer viermonatigen Therapie für mindestens 1,5 Jahre anhielt.

Wenn sich diese Daten in einer größeren Patientenkohorte verifizieren lassen, steht mit den beiden zugelassenen mTOR-Inhibitoren eine neue Möglichkeit zur Behandlung von chronisch-progressiver Sarkoidose zur Verfügung“, führt Stary aus.

Ein Nachruf, der bewegt

Am 21. August 2023 hatte Univ.-Prof. Dr. Herbert Hönigsmann sein Leben im Kreise seiner Familie in Oberndorf in Tirol vollendet. Von 2004 bis zu seiner Emeritierung 2008 war Herbert Hönigsmann Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien und seit 1992 Leiter der Abteilung für spezielle Dermatologie und Umweltdermatosen. Mit einem Nachruf, der bewegte, erwiesen ihm Kollegen und Weggefährtenihre Ehre und gedachten seiner.

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Nachruf auf Univ.-Prof. Dr. H. Hönigsmann, der 2023 verstorben ist

Presseinformation: ÖGDV präsentiert innovative Diagnose- und Therapiekonzepte aus Österreich, November 2023

1 Menzies SW et al.: Comparison of humans versus mobile phone-powered artificial intelligence for the diagnosis and management of pigmented skin cancer in secondary care: a multicentre, prospective, diagnostic, clinical trial. Lancet Digit Health 2023; 5(10):e679-e691. doi: 10.1016/S2589-7500(23)00130-9 2 Barata C et al.: A reinforcement learning model for AI-based decision support in skin cancer. Nat Med 2023; 29(8):1941-1946. doi: 10.1038/s41591-023-02475-5 3 Brancaccio Get al.: Artificial intelligence in skin cancer diagnosis: areality check. J Invest Dermatol 2023; S0022-202X(23)02964-0. doi: 10.1016/j.jid.2023.10.004. 4 Krausgruber T et al.: Single-cell and spatial transcriptomics reveal aberrant lymphoid developmental programs driving granuloma formation. Immunity2023; 56(2):289-306.e7. doi: 10.1016/jimmuni.2023.01.014

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