
Drei Fälle aus dem infektiologischen Bulletin der OEADF-Jahrestagung
Autor:
Dr. Arno M. Lechner
Division für Medizinische Mikrobiologie
Universitätsklinikum Salzburg
E-Mail: a.lechner@salk.at
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Im Mai präsentiere ich im Rahmen der OEADF-Jahrestagung Fallbeispiele, die mir bei meiner Tätigkeit als klinischer Infektiologe von besonderer Bedeutung erscheinen. Die im folgenden Beitrag beschriebenen dermatologischen Kasuistiken sind aus infektiologischer Sicht unter folgenden Aspekten ausgewählt: Dringlichkeit der ärztlichen Intervention, Ausschöpfung innovativer Möglichkeiten mikrobiologischer Diagnostik, Klimawandel-bedingte, unerwartete Krankheitsbilder.
Keypoints
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Das Erkennen nekrotisierender Haut-Weichgewebe-Infektionen und die unmittelbare kooperative chirurgische, antimikrobielle und intensivmedizinische Versorgung sind der Schlüssel einer erfolgreichen Patientenversorgung.
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Die Ausschöpfung der gesamten Möglichkeiten mikrobiologischer Diagnostik ist die Voraussetzung für eine rasche und zielgerichtete Therapie, besonders bei unklaren persistierenden Hautinfektionen.
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Parasitologische Diagnostik ist in Zeiten des Klimawandels zunehmend Bestandteil routinemäßiger Abklärungserfordernisse.
Einleitung
Vorausschickend möchte ich meine Sichtweise infektiologischer Beratung und Unterstützung für die Kollegenschaft anderer Fachrichtungen darstellen. Die Kenntnis von Infektionen im eigenen Fachgebiet ist selbstverständlich integraler Bestandteil jeder Fachausbildung und der alltäglichen klinischen Praxis. So wie in allen medizinischen Bereichen ist auch in der Infektiologie die evidenzbasierte Wissenserweiterung rasant und umfangreich. Das seit 2007 etablierte Zusatzfach Infektiologie und Tropenmedizin im Rahmen der Fachausbildung Innere Medizin beinhaltet spezifische Kenntnisse, die bei konsiliarischer und kollegialer Unterstützung genutzt werden sollten. Beispielsweise sind Neuerungen in der mikrobiologischen Labordiagnostik anzuführen, in der teilweise mit molekularbiologischen Verfahren präziser und rascher eine Erregeridentifikation erreicht werden kann, weiters Resistenzentwicklungen von Mikroorganismen, die sowohl in der Interpretation als auch hinsichtlich der therapeutischen Konsequenzen komplexe Fragestellungen aufwerfen können. Neu verfügbare antimikrobielle Wirkstoffe, die vor dem Hintergrund von „Antibiotic Stewardship“-Bemühungen gezielt und restriktiv eingesetzt werden sollten, Leitlinien und Empfehlungen, die im infektiologischen Schrifttum publiziert werden, allerdings auch an die Patientensituation individuell angepasst werden müssen, nicht zuletzt langjährige klinisch-infektiologische Erfahrung, welche für konsiliarische Unterstützung hilfreich sein kann.
Andererseits gibt es auch fachspezifisch relevante Aspekte, die dem/der infektiologisch-konsiliarisch tätigen Kollegen/Kollegin nicht zugänglich sind: die Beurteilung von nekrotischem Gewebe und dessen Débridement sind die Basis einer erfolgreichen Versorgung nekrotisierender Haut-Weichgewebe-Infektionen und somit definitiv in der chirurgischen Kompetenz liegend. Die Beurteilung anatomischer Gegebenheiten bei Infektneigung der Harnwege ist ebenso primär aus dem urologischen Fachgebiet und nicht aus der infektiologisch-konsiliarischen Beratung zu erstellen. Vor diesem Hintergrund konsiliarischer Kooperation sind die folgenden drei Kasuistiken zu verstehen.
Fall 1
Eine 72-jährige Patientin verletzte sich während eines Badeurlaubs in Südafrika beim Schwimmen an einer Koralle am rechten Innenknöchel und entwickelte über einen Zeitraum von 5 Tagen eine schmerzhafte, sezernierende Wunde mit rot-livider Verfärbung und beginnender Blasenbildung der umgebenden Hautareale. Zusätzlich zeigte sich auch eine nach proximal schwächer werdende, rötlich-ödematöse Beschaffenheit der Haut des Unterschenkels (Abb. 1). Es wurde noch auf der Rückreise mit einer antibiotischen Therapie unter Anwendung von Ceftriaxon begonnen. Die explorative Inspektion und Inzision an der ursprünglichen Wunde bereitete keine Schmerzen, was den bereits bestehenden Verdacht auf eine nekrotisierende Haut-Weichgewebe-Infektion bestärkte. Die Patientin wurde bei rasch zunehmender septischer Kreislauflabilität mit Katecholaminbedarf einem ausgedehnten Débridement unterzogen (Abb. 2) und ihr Zustand erforderte im weiteren Verlauf intensivmedizinische Betreuung. Entgegen der ursprünglichen Annahme, dass es sich aufgrund der Verletzung im Meerwasser um Aeromonas hydrophila oder Vibrio vulnificus handeln könnte, zeigten sich in Blutkulturen und Isolaten aus dem Wundgebiet betahämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GAS). Somit wurde die empirische Therapie von Ceftriaxon und Ciprofloxacin in Penicillin G und Clindamycin geändert, was neben den mehrfach erforderlichen chirurgischen Revisionen zu einer Stabilisierung der intensivmedizinischen Gesamtsituation und zu einer Infektkontrolle des Lokalbefundes führte. Allerdings werden noch plastisch-chirurgische Maßnahmen nötig sein.
Dieser Fall ist aufgrund der unerwarteten mikrobiologischen Ätiologie von GAS im Gefolge einer Verletzung im Meerwasser bemerkenswert, was auf eine zuvor bestehende Kolonisation mit diesem Erreger oder eine hämatogene, sekundäre Infektion einer scheinbar banalen Wunde schließen lässt. Auch ist auf die bei nekrotisierenden Haut-Weichgewebe-Infektionen nicht selten vorkommende Diskrepanz zwischen einer scheinbar lokal begrenzten Wundinfektion und dem tatsächlich ausgedehnten nekrotischen Prozess ebenso dringend hinzuweisen wie auf die binnen weniger Stunden sich rasant verschlechternde klinische Gesamtsituation, die ambitioniertes ärztliches Handeln erfordert.
Fall 2
Ein 41-jähriger Mann verletzte sich auf einer Wasserrutsche am rechten Ellbogen und zog sich dabei eine klaffende Wunde zu. Trotz zahlreicher kulturell mikrobiologischer Proben konnte kein ätiologisch relevanter Erreger detektiert werden, auch blieben lokale und systemisch-antibiotische Maßnahmen über einen Zeitraum von 3 Monaten erfolglos, sodass sich nach wie vor eine persistierende, stark putrid-sezernierende Wunde zeigte (Abb. 3). Im Weiteren wurde aufgrund der Entstehungsweise der Verletzung, nämlich offene Verletzung im Schwimmbad, ein molekularbiologischer Nachweis von Mykobakterien initiiert, welcher Mycobacterium marinum als auslösenden Erreger zeigte. Es wurde eine antimykobakterielle Therapie mit Clarithromycin und Rifampicin begonnen, wobei nach Vorliegen der Resistenzbestimmung Letzteres durch Rifabutin ersetzt wurde, was nach mehrwöchiger Therapie zu vollständiger Abheilung führte. Dieser Fall soll auf die Möglichkeiten molekularbiologischer Diagnostik hinweisen, welche in manchen Fällen zur Klärung der mikrobiologischen Ätiologie unabdingbar ist. Die Kenntnis möglicher Erreger im Rahmen einer derartigen Verletzung ist allerdings Voraussetzung, um diesen Nachweis gezielt führen zu können.
Fall 3
Eine 47-jährige Patientin mit wechselhaften ödematösen Hautveränderungen im Bereich des linken Oberschenkels und der Bauchwand wies über einen Zeitraum von sechs Monaten eine Bluteosinophilie zwischen 11% und 27% auf. Darüber hinaus entwickelte sich rechts retromandibulär eine zunehmende, bohnengroße, indolente Induration. In weiterer Folge wurde von hausärztlicher Seite ein breites parasitologisch-serologisches Screening in Auftrag gegeben, welches ein positives Ergebnis für Filarien erbrachte. Expositionsanamnestisch wurde von der Patientin angegeben, dass sie sich in den vergangenen Jahren in Sri Lanka und Griechenland aufgehalten und dabei haushaltlichen Kontakt zu Hunden gehabt habe. Der retromandibuläre Knoten wurde reseziert und zeigte Strukturen von Helminthen, die zwar verdächtig, nicht aber eindeutig für Dirofilaria repens waren. Es wurden zusätzlich voluminöse Blutabnahmen an drei aufeinander folgenden Tagen jeweils um die Mittagszeit und spätabends durchgeführt, wobei in einer einzigen von sechs Proben molekularbiologisch Mikrofilarien von Dirofilaria repens detektiert wurden. Eine Mikrofilarämie beim Menschen ist bei diesem Parasiten sehr ungewöhnlich, da dieser nur sehr selten ein geschlechtsreifes Adultstadium erreicht und damit Mikrofilarien produziert werden können. Aufgrund von Vorbehalten der Patientin gegenüber dem therapeutischen Einsatz von Ivermectin kam Doxycyclin über einen Zeitraum von 10 Tagen zur Anwendung, um die im Parasiten vorhandenen, symbiontisch existierenden Wolbachia spp. zu eliminieren, was zu einer nachhaltigen Sanierung der Parasitose führte.1 Dieser Fall ist aufgrund seiner ungewöhnlichen Klinik mit als Rarität zu betrachtender Mikrofilarämie bemerkenswert und weil die Elimination von Wolbachia spp. auch zu einer effektiven Behandlung der Dirofilariose führte. Aufgrund von klimatischen Veränderungen muss mit derartigen Fällen auch in gemäßigten Zonen Europas vermehrt gerechnet werden.
Literatur:
1 Lechner AM et al.: Case report: successful treatment of a patient with microfilaremic dirofilariasis using doxycycline. Am J Trop Med Hyg 2020; 102(4): 844-6
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