
Wertigkeit von Befunden
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Auch ohne die Bewertung von bildgebenden Befunden kann der Allgemeinmediziner degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates erkennen. Dabei hilft die neuroorthopädische Untersuchung, aber auch die Kenntnis über die Anatomie der involvierten Strukturen.
Die degenerativen Erkrankungen sind dem Hören, Sehen, Tasten und Bewegen gut zugänglich – und dies sind auch die Hauptinstrumente der Allgemeinmedizin. Will man so vorgehen, dann kann man damit auch MRI-süchtige Patienten gewinnen. Ich habe mich als Allgemeinmediziner 44 Jahre mit diesen Erkrankungen intensiv beschäftigt und nur allzu oft erlebt, dass Wirbelsäulenpatienten einen Pack von Befunden auf den Tisch knallen mit dem Hinweis: „I hob an Prolaps.“ Nicht zielführend ist die Antwort:„Ich auch!“ Oder wenn das Leiden frisch ist, dann wird sofort nach einem MRI verlangt. Sie gewinnen aber das Vertrauen der Patienten, wenn Sie die Befunde sacht zur Seite schieben mit der Bemerkung: „Zuerst möchte ich Sie anschauen und dann erst die Befunde. Sie sind mir viel wichtiger als bedrucktes Papier.“ Auch dann werden Sie immer wieder hören: „Da musste ich mich noch nie ausziehen!“ Trotzdem sehen wir uns natürlich nach der neuroorthopädischen Untersuchung die Röntgen-, CT- und MR-Bilder auch an – und zwar vor dem Befund. Man lernt die Bilder auch zu lesen, ohne Röntgenologe zu sein.
Ich habe mir leider erst nach vielen Jahren zur Gewohnheit gemacht, den Patienten zum Wartezimmer entgegenzugehen. Dadurch bekommt man schon Befunde, die in der Ordination nicht so auffällig sind. Das wären z.B. arthrotischer Anlaufschmerz, Hüfthinken, Asymmetrien, Trendelenburg, Bechterew, „frozen shoulder“ und ähnliche.
Die neuroorthopädische Untersuchung
Die wichtigsten und aussagekräftigsten Befunde bekommt man durch die neuroorthopädische Untersuchung, die leider nicht im Studium gelehrt wird und nur in den wenigsten Krankenhäusern durchgeführt wird.
Was heißt „neuroorthopädisch“? Es können Beschwerden in jedem Abschnitt des Bewegungsapparates entweder orthopädische, neurologische oder beide Ursachen haben. Mit dieser einmaligen Untersuchung bekommen Sie einen orthopädischen und neurologischen Befund zugleich.
Bei einem Schmerz in der Region untere Halswirbelsäule (HWS) rechts und Schulterkopf bis in den Oberarm (OA) ausstrahlend sitzt der Patient mit freiem Oberkörper mit dem Rücken zum Arzt, der das Acromion gegen das Hochsteigen fixiert, und dann wird der OA nach außen rotiert (Abb. 1). Bei allen Beschwerden der Schulter, welche die Gelenkkapsel betreffen, ist diese in ihrer Fähigkeit zur Außenrotation eingeschränkt, im extremsten Fall als „frozen shoulder“ bewegungsunfähig.
Als Nächstes schließen wir die Abduktion des OA an. Dabei erfassen wir Probleme des subacromialen Raumes. Das sind die subacromialen Schleimbeutel und Arthrose des Acromio-Clavicular-Gelenks.
Und als dritte Bewegung testen wir Abduktion und Außenrotation. Dabei erfassen wir die Strukturen der Rotatorenmanschette.
Dann testen wir die Hauptbeweglichkeit der HWS in Vorneigung, Rückneigung, Rotation und Seitneigung, wobei das Ende der Bewegung elastisch federnd und nicht hart sein soll. Dann testen wir die Facettengelenke der unteren HWS auf Druckempfindlichkeit, etwas, das uns kein Gerät sagen kann. Ebenso können die Bewegungsblockaden in diesen Gelenken nur manuell getestet werden, da diese sich nur im Verlust einer gewissen Elastizität zwischen den 1. und 2. Wirbelgelenken abspielen.
Um Wurzelkompressionen nicht zu übersehen, untersucht man auf Minussymptomatik an Sensibilität oder auch an Muskelkraft. Sinnvoll ist anfangs eine Schmerzprovokation. Man provoziert die Wurzeln C6-Th1 durch Rotation, Seitneigung, Rotation mit Druck des Grundgelenks C7 als Hypomochlion auf die Gelenksfacette C7 und fragt nach der Schmerzausstrahlung. Diese geht bei Druckhöhe C4/5 in den Deltoideus, bei C5/6 in den Daumen, bei C6/C7 in den Mittelfinger und bei C7/Th8 in den kleinen Finger. Bei Wurzelkompressionen kommt es zur Minussymptomatik eben in diesen Ausstrahlungsgebieten, aber auch zur Muskelschwäche: C5 deltoideus, C6 biceps, C7 triceps und C8 abductor des kleinen Fingers.
Dies dauert nur sehr kurz, man hat zwischen 2 schmerzhaften Strukturen entschieden: Ist es die Schulter oder die untere HWS, wo sollen wir zuerst ansetzen oder kann man vielleicht einen abwendbar gefährlichen Verlauf erkennen und abwehren? Bei Bedarf könnten wir schon eine Probetherapie durchgeführt haben in Form einer Infiltration mit Xyloneural und kristallinem Cortison. Wenn man so untersucht hat, kann man auch dem Röntgenologen viel gezieltere Hinweise geben und er kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. Wenn Schulter und HWS betroffen sind, wissen wir, worauf wir uns mehr konzentrieren müssen. Kein Apparat kann dies!
Berührung heilt
Wir haben aber noch viel mehr getan: Wir haben den Patienten im Laufe dieser kurzen Untersuchung oft ange-griffen, hinge-griffen, kurzum, wir haben ihn be-griffen.
An der Haut kann man vegetative Symptome wie Temperatur, Feuchtigkeit, Glattheit registrieren. Man kann die Elastizität abschätzen, indem man versucht, eine Falte abzuheben. Es gibt Patienten, bei denen dies kaum gelingt. Das subkutane Gewebe klebt richtig am Untergrund und die Falte ist dick und meistens auch schmerzhaft, während man bei hypermobilen Patienten die Hautfalte leicht hochheben kann.
Berührungen gelten als das älteste Heilmittel der Menschheit. Noch heute pressen wir Hände auf schmerzhafte Stellen, sowohl bei uns als auch bei anderen. Es gibt Beobachtungen, welche die Heilkraft der Berührung untermauern:
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Adoptierte Kinder bekommen mehr körperliche Zuwendung als eigene Kinder und haben eine bessere Kommunikation mit anderen Kindern und lernen auch besser.
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Kinder, die aufgrund der Trennung von der Mutter von Geburt an in Säuglingsheimen aufwachsen, haben bis zum Ende des 2. Lebensjahres eine um ein Drittel erhöhte Sterblichkeit!
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Mit oder ohne körperliche und/oder seelische Beschwerden kommen Kinder mit der Bitte: streicheln, festhalten.
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Wenn uns irgendwo am Körper etwas weh tut, halten oder drücken wir instinktiv die Hand auf diese Stelle.
Die Struktur des subkutanen Gewebes
Die kutanen und subkutanen Reflexzonen verändern sich nach kurzer Störung tiefer gelegener Strukturen und geben so auch Hinweise auf diese.
Sehen wir uns einmal an, was in diesem subkutanen Gewebe geschieht.
Wir sind uns alle einig, dass keine Kapillare oder kein Nerv direkt an eine Zelle andockt oder die Zellwand durchbohrt. Diese Grundsubstanz (bildet mit den Fasern die extrazelluläre Matrix) wird auf der ganzen Welt erforscht. Begonnen hat damit der Österreicher Dr. Alfred Pischinger. Abbildung 2 zeigt die Bestandteile des Bindegewebes, in dem auch die Axone enden (in Abb. 2 nicht zu sehen). Die in der Grundsubstanz enthaltenen Proteoglykanbäumchen können sich blitzartig bis zum Gelzustandvernetzen (Abb. 3).
Sämtliche Botenstoffe, Nahrungsstoffe, Elektrolyte u.Ä. werden in diese Grundsubstanz abgesondert und aktiv in die Zellen aufgenommen und genauso wieder abtransportiert. Dieser Transport geschieht umso effizienter, je dünnflüssiger diese Grundsubstanz ist, und desto besser ist die Versorgung der Zellen. Der Transport durch diese Substanz wird immer schlechter, je zähflüssiger diese ist. Schlechte Ernährung, Bewegungsmangel, Um- und Inweltgifte führen die Substanz in den Gelzustand über, wodurch die Zellen krank werden. Daher kann man schon beim Untersuchen eine Aussage treffen, wie schlecht es um die Zellen der untersuchten Region steht.
Ich stelle mir daher Folgendes vor: Ist die Grundsubstanz zäh-viskös, dann sind die Zellen schlecht ernährt und Beschwerden ohne Befund treten auf. Ist die Grundsubstanz ideal durchlässig und die Zellen werden durch irgendwelche Noxen befallen, können sie sich infolge ihrer guten Ausgangslage schützen und wir haben Befunde ohne Beschwerden.
Fazit
Zum Schluss kann ich Ihnen Hoffnung geben, wenn Sie schlechte Röntgenbilder sehen: In der Abb. 4 sehen Sie meine Röntgenbilder. Ich bin schmerzfrei und habe in diesen Abschnitten selten ernstliche Schmerzen gehabt.
Abb. 4: Meine Röntgenbilder der Schulter, der Hand und der HWS jeweils mit 31 Jahren (links) und 80 Jahren (rechts)
Neuroorthopädische Untersuchung und Infiltrationskurs der STAFAM
Im Juni 2024 findet der Kurs „Neuroorthopädische Untersuchung und Infiltrationskurs der STAFAM“ in Graz statt. Bei Interesse können Sie sich bereits jetzt im Sekretariat der STAFAM dafür anmelden:
Corina Faullend
E-Mail: corina.faullend@stafam.at
Tel.: +436649151544
Literatur:
Pischinger A, Heine H: Das System der Grundregulation. Haug, 2004
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