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Der „Tech Thumb“
Priv.-Doz. Dr. Mathias Glehr
Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie
E-Mail: ordination@glehr.com
Web: www.glehr.com
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Der Begriff „Tech Thumb“ beschreibt die möglichen Folgen der ständigen Benutzung von Smartphones und anderen Geräten im Daumensattelgelenk. In diesem Beitrag werden die Überlastungssyndrome im Bereich des Daumens entsprechend ihrer anatomischen Lage von proximal nach distal beschrieben.
In unserer heutigen, hochtechnisierten Gesellschaft ist die Verwendung von digitalen Devices wie Smartphone, Tablet, Computermaus oder Spielcontrollern oft unausweichlich geworden. Speziell die Nutzung von Mobiltelefonen ist zu einem integralen Bestandteil des Alltags geworden und deren stundenlange Verwendung ist oft nicht mehr Freizeitvergnügen, sondern obligatorisch bei der beruflichen Tätigkeit. Bereits Jugendliche verbringen viele Stunden täglich mit dem Smartphone. Dabei ist es notwendig, minimale, repetitive und diffizile Bewegungen vor allem mit dem Daumen durchzuführen. Auch eine ungünstige Handhaltung kann die spezifische Belastung erhöhen und zu Überlastungen führen. Häufiges Wischen, Tippen und auch nur Halten des Telefons beanspruchen die Daumenmuskulatur in einer ungünstigen Handhaltung.
Der Begriff „Tech Thumb“ beschreibt die körperlichen Beschwerden, die durch die ständige Benutzung von Smartphones und anderen tragbaren Geräten im Daumenbereich entstehen.
Zusammenfassung der möglichen Pathologien
Die Überlastungssyndrome im Bereich des Daumens werden entsprechend ihrer anatomischen Lage von proximal nach distal beleuchtet.
Überlastung Unterarmmuskulatur
Durch Überbelastung und unbewegliches Verharren in einer angespannten, unnatürlichen Position kommt es zur Überlastung der Unterarmmuskulatur. Speziell der Musculus flexor carpi radialis und der Musculus extensor carpi radialis sind hier betroffen. Häufig kommt es zu einer Epicondylitis radialis oder ulnaris und zur Schmerzhaftigkeit der gesamten Pronatoren- oder Supinatorengruppe. Da dies jedoch nicht nur für den Daumen spezifisch ist, soll in diesem Artikel nicht detailliert darauf eingegangen werden.
Tendovaginitis de Quervain
Die Tendovaginitis de Quervain betrifft insbesondere die Sehnen der Musculi abductor pollicis longus und extensor pollicis brevis. Diese beiden Muskeln verlaufen durch das erste Strecksehnenfach, das durch das Retinaculum extensorum am Handgelenk gebildet wird.
Die Hauptfunktion des Musculus abductor pollicis longus, der an der hinteren Fläche von Radius und Ulna entspringt, besteht in der Abduktion und Extension des Daumens. Der zweite dort verlaufende Muskel ist der Musculus extensor pollicis brevis. Er entspringt ebenfalls am Radius und verläuft unter demselben retinakulären Band. Er ist verantwortlich für die Extension des Daumens in den Grund- und Mittelgelenken.
Tendopathie Daumenballen
Der Daumenballen wird von vier Muskeln gebildet, welche unterschiedliche Funktionen haben.
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Musculus opponens pollicis (Abb. 1a): Der Musculus opponens pollicis gehört zur Gruppe der Thenarmuskeln, die die Basis des Daumens umgeben. Er entspringt dem Tuberculum ossis trapezii (dem trapezförmigen Handwurzelknochen) und setzt an der Radialseite des ersten Mittelhandknochens an. Seine primäre Funktion besteht in der Opposition des Daumens – er stellt den Daumen den anderen Fingern gegenüber und ermöglicht damit eine Greif- und Zangenfunktion. Dieser Muskel ist speziell bei Wischbewegungen am Smartphone beansprucht.
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Musculus abductor pollicis brevis (Abb. 1b): Dieser Muskel gehört ebenfalls zur Gruppe der Thenarmuskeln und liegt direkt unter der Hautschicht auf der radialen Seite der Hand. Er hat seinen Ursprung am Tuberculum ossis trapezii, am Os scaphoideum und am Retinaculum flexorum. Seine Hauptfunktion ist die Abduktion des Daumens, also die Bewegung des Daumens von der Handfläche weg, sowie die Unterstützung der Opposition. Überlastungssyndrome zeigen sich häufig direkt am Trapezium.
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Musculus flexor pollicis brevis: Die zwei Köpfe dieses Muskels haben unterschiedliche Ursprünge. Das Caput superficiale entspringt am distalen Rand des Retinaculum flexorum und am Os trapezium. Das schmale und tiefer gelegene Caput profundum hat seinen Ursprung im Os trapezium und im Os trapezoideum. Die Funktion dieses Muskels liegt in der Flexion des Grundgelenkes und der Opposition und Flexion im Daumensattelgelenk. Schmerzhafte Triggerpunkte durch Überlastung finden sich vor allem am Trapeziumansatz.
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Musculus adductor pollicis: Auch dieser Muskel hat zwei Ansatzflächen: Das Caput obliquum entspringt am Os capitatum, an der Basis des Os metacarpale II und III sowie an den Bandstrukturen des Carpus, das Caput transversum hat seinen Ursprung im Körper des Os metacarpale III. Der Ansatz am Daumen ist die Grundphalanx des Daumens. Triggerpunkte sind hier seltener und eher im Muskelbauch vorhanden.
Abb. 1: Schmerzhafte Triggerpunkte am Ursprung des M. opponens pollicis (a) und am Ursprung des M. abductor pollicis brevis (b)
STT-Arthrose
Das Scaphotrapeziotrapezoid(STT)-Gelenk ist ein eher rigides Gelenk und nur selten von Überlastungssyndromen isoliert betroffen. Häufiger zeigt es sich aber bei einer Überbelastung des Daumensattelgelenkes involviert. Der typische Schmerz ist etwas distal des Handgelenkes direkt über dem Gelenkspalt und zumeist sehr gut von dem Daumensattelgelenk durch Palpation abzugrenzen.
Rhizarthrose
Die biomechanischen Anforderungen beim Halten und Bedienen von Smartphones und Spielkonsolen führen zu hohen Belastungen auf Sehnen, Bänder und den Knorpel. Speziell bei Aktivitäten in starker Beugung und Abduktion werden Scherkräfte auf die Gelenkflächen erhöht. Die ständige Flexion und Abduktion des Daumens während des Tippens, Wischens und Spielens führen zu einer wiederholten Mikrotraumatisierung der Gelenkstrukturen, eine Voraussetzung für die Entstehung degenerativer Erkrankungen. Zudem beeinflussen ergonomisch ungünstige Positionen, die während der Nutzung von Geräten eingenommen werden, die Verteilung der Kräfte innerhalb des Gelenks und tragen zur Belastung des Knorpels bei. Die Epidemiologie von Rhizarthrose zeigt einen Anstieg von Fällen in Altersgruppen, die intensiv digitale Geräte nutzen. Eine Studie von Hwang et al. zeigte, dass „Personen, die mehr als drei Stunden täglich Smartphones oder Spielkonsolen nutzen, ein um 40% höheres Risiko für die Entwicklung von Rhizarthrose haben“. Differenzialdiagnostisch zeigt sich bei der Rhizarthrose typisch ein positiver Grind-Test.
Ringbandstenosen
Vor allen im Bereich des A1-Ringbandes des Daumens kommt es durch längere flektierte Haltung im Daumengrundgelenk und die repetitiven Bewegungen zu Entzündungsreaktionen der Sehne wie auch zu einer direkten Überbelastungsreaktion des Ringbandes mit Schwellung desselben. Das Gleiten der Sehne wird erschwert und bei Versagen aller konservativen Therapieoptionen muss hier in manchen Fällen eine operative Spaltung durchgeführt werden. Das A2-Ringband ist fast nie betroffen.
Überlastung des Daumengrundgelenks
Das Daumengrundgelenk (Articulatio metacarpophalangealis pollicis) ist im Vergleich zu den anderen Strukturen eher selten von Überlastungssyndromen betroffen. In diesem Gelenk wirken sich speziell Bandinstabilitäten, welche meist traumatischer Genese sind, negativ aus. Hier kann es bei zuvor gut kompensierten Instabilitäten durch den intensiven Gebrauch von digitalen Medien zu Überlastungsreaktionen kommen.
Therapie und Prophylaxe der Überlastungssyndrome
Die Prävention von Überlastungssyndromen erfordert eine Kombination aus ergonomischen Anpassungen am Arbeitsplatz und regelmäßigen Pausen. Physiotherapeutische Maßnahmen, wie gezielte Dehn- und Kräftigungsübungen, können ebenfalls hilfreich sein, um die Muskulatur des Daumenballens zu stärken und die Flexibilität zu verbessern.
Die Behandlung bestehender Überlastungssyndrome kann konservative Ansätze, wie Ruhe, Kühlung, Schmerzmittel und Injektionen von Kortikosteroiden, umfassen. In schwereren Fällen, in denen konservative Behandlungen nicht zur Linderung der Symptome führen, kann eine chirurgische Intervention erforderlich sein, um strukturelle Probleme zu beheben.
Vorbeugung:
Regelmäßige Pausen: Es ist wichtig, alle 20 bis 30 Minuten eine kurze Pause einzulegen, um die Muskulatur zu entspannen.
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Ergonomische Geräte: Verwendung von ergonomischen Mobilgeräten oder Halterungen, die die Handhabung erleichtern.
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Dehnungs- und Kräftigungsübungen: Gezielte Übungen zur Förderung der Balance der Daumen- und Handmuskulatur helfen, Überlastungen vorzubeugen.
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Alternativen nutzen: Sprachsteuerung und andere Funktionen, die den Einsatz des Daumens reduzieren, sind empfehlenswert.
Literatur:
● Baabdullah A et al.: The association between smartphone addiction and thumb/wrist pain: a cross-sectional study. Medicine (Baltimore) 2020; 99(10): e19124 ● Morgan SD et al.: A review of de Quervain’s stenosing tenovaginitis in the context of smartphone use. J Hand Surg Asian Pac Vol 2020; 25(2): 133-6 ● Kim W et al.: In vivo measurement of thumb joint reaction forces during smartphone manipulation: a biomechanical analysis. J Orthop Res 2019; 37(11): 2437-44 ● Wand D et al.: Analysis of the effect of overusing thumbs on smartphone games. J Int Med Res 2019; 47(12): 6244-53
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