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Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen

Streitbeilegungsverpflichtung unter Ärzten

Die öffentliche Austragung von Streitigkeiten, die sich „bei der Ausübung des ärztlichen Berufs“ ergeben, sind wenig förderlich für das Ansehen der Ärzteschaft. Das Ärztegesetz sieht daher einen verpflichtenden Versuch vor, solche Streitigkeiten im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens beizulegen.

§94 Abs.1, 1. Satz des ÄrzteG lautet:

„Die Kammerangehörigen sind verpflichtet, vor Einbringung einer zivilgerichtlichen Klage oder Erhebung einer Privatanklage alle sich zwischen ihnen bei Ausübung des ärztlichen Berufes oder im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Standesvertretung ergebenden Streitigkeiten einem Schlichtungsausschuss der Ärztekammer zur Schlichtung vorzulegen.“

Diese Verpflichtung besteht für alle Ärzte, für Ärzte für Allgemeinmedizin, approbierte Ärzte und Fachärzte, die ihren Beruf im Rahmen eines Dienstverhältnisses bei einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Körperschaft öffentlichen Rechts ausüben nur insoweit, als sich die Streitigkeiten nicht auf das Dienstverhältnis oder die Dienststellung des Arztes beziehen. Das bedeutet, dass angestellte Ärzte etwa von Ordensspitälern selbst dann zur Streitschlichtung verpflichtet sind, wenn sich die Streitigkeit auf das Dienstverhältnis bezieht.

Warum Verpflichtung?

Die Zielsetzung der Einrichtung von Schlichtungsstellen ist der Versuch, einen Streit aus der beruflichen Tätigkeit durch eine interne, mit Fachleuten besetzte Einrichtung zu schlichten und damit ein Hinausdringen der dem Berufsstand meist nicht förderlichen Angelegenheit an eine breitere Öffentlichkeit zu verhindern. Das Schlichtungsverfahren soll den Streitteilen die Möglichkeit bieten, ohne jede Formstrenge und unter Anleitung sachkundiger und erfahrener Personen den Versuch einer gütlichen Einigung zu unternehmen und somit eine oft kostspielige und langwierige gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden.

Die Schlichtungsverpflichtung besteht nur für solche Streitigkeiten, die sich „bei der Ausübung des ärztlichen Berufs“ ergeben: Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (OGH) muss es sich um Klagen handeln, die ohne Ausübung des ärztlichen Berufs nicht denkbar wären, wobei sogar Klagen wegen kreditschädigender und ehrenrühriger Äußerungen in den Anwendungsbereich fallen. Die Wendung „bei der Ausübung des ärztlichen Berufes“ könne nicht die rein kurative Tätigkeit erfassen, weil dann Streitigkeiten zwischen Arzt und Patient vorliegen würden und nicht wie gefordert Streitigkeiten unter Ärzten.

Ausnahmen

Allerdings hat der OGH erst kürzlich ausgesprochen, dass eine Streitigkeit über einen Ordinationskaufvertrag nicht berufsspezifisch sei; solche Streitigkeiten könnten in jeder Berufsgruppe vorkommen, so der OGH. Allerdings bleibt abzuwarten, ob diese Judikatur Bestand hat: Auch in anderen Berufsgruppen sind z.B. Ehrenbeleidigungen denkbar. Solche Streitigkeiten sind von §94 ÄrzteG aber jedenfalls erfasst.

Schlichtungsversuch und Klage

Die Zeit, während der die Ärztekammer oder der Schlichtungsausschuss mit der Sache befasst ist, wird in die Verjährungsfrist sowie in andere Fristen für die Geltendmachung des Anspruches bis zur Dauer von drei Monaten nicht eingerechnet. Wird eine Klage ohne Durchführung eines Schlichtungsverfahrens eingebracht oder eine Privatanklage erhoben, wird die Klage ohne weiteres Verfahren abgewiesen. Drei Monate nach Einleitung eines Schlichtungsverfahrens kann jedenfalls Klage oder Privatanklage erhoben werden, selbst wenn das Schlichtungsverfahren noch nicht erledigt ist, nach Erledigung des Schlichtungsverfahrens jederzeit.

Wenn die Streitteile verschiedenen Ärztekammern angehören, ist der Schlichtungsausschuss jener Ärztekammer zuständig, der zuerst angerufen wurde.

Fraglich ist, ob die Nichteinhaltung der Schlichtungsverpflichtung auch disziplinär zu ahnden ist. Bei der Streitschlichtungsverpflichtung handelt es sich wohl um eine Berufspflicht, allerdings hat der OGH disziplinäre Ahndbarkeit verneint.

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