
Schmerzmanagement bei Kindern und Jugendlichen
Autorin:
Dr. Stefanie Preiß
Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, Oberwart
E-Mail: stefanie.preiss13@gmail.com
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Schmerzen im Kindes- und Jugendalter müssen altersgerecht erfasst und behandelt werden. Die Schmerzmessung erfolgt über Skalen zur Selbst- oder Fremdeinschätzung. Die Therapie sollte multimodal sein – mit individuell angepassten nichtmedikamentösen und medikamentösen Maßnahmen.
Schmerz ist eine unangenehme Sinnesempfindung und hat eine Warn- bzw. Schutzfunktion, die die Unversehrtheit des Körpers erhalten soll.1,2 Wie stark ein Schmerz empfunden wird, ist von Patient:in zu Patient:in unterschiedlich. Somit ist auch die Bandbreite des Schmerzmittelbedarfs variabel.3 Nozizeption findet ab der 20.–22. Schwangerschaftswoche statt, kortikale Schmerzverarbeitung bereits ab der 24. Schwangerschaftswoche. Im Vergleich dazu ist bei Früh- und Neugeborenen die zentrale Schmerzhemmung deutlich schlechter ausgebildet.1
Schmerzmessung
Um Schmerzen adäquat behandeln zu können, müssen sie zunächst gemessen werden. Bei Patient:innen mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit (z.B. Säuglinge, mehrfach behinderte Patient:innen) ist dies deutlich schwieriger.3 Mithilfe von Schmerzskalen versucht man, die subjektive Schmerzerfahrung eines Patienten zu quantifizieren.1 Dies gelingt umso besser, je geübter der Durchführende ist.3 Je nach Alter gibt es mehrere valide Schmerzskalen. Hier kann zwischen Fremdbeurteilungsskalen und Selbsteinschätzung unterschieden werden.1 Eine aussagekräftige Selbsteinschätzung kann etwa ab dem 4. Lebensjahr durchgeführt werden, wobei bei der Durchführung v.a. auf eine kindgerechte Sprache zu achten ist.1
Eine bekannte, praktikable und gut validierte Fremdbeurteilungsskala zur Beurteilung des postoperativen Schmerzes bei Kindern zwischen null und vier Jahren ist beispielsweise die Kindliche Unbehagen- und Schmerzskala (KUSS; nach Büttner W et al. 1998).4, 5
Ein in der Kinder- und Jugendheilkunde oft verwendetes Selbsteinschätzungsinstrument ist die Faces Pain Scale – Revised (FPS-R).6 Diese Skala kann in unterschiedlichen Kulturkreisen eingesetzt werden, da hier die Gesichter keine emotionale Färbung wie Lachen oder Weinen zeigen.2 Weinen wird beispielsweise eher mit Traurigkeit in Verbindung gebracht und wird daher besonders von Burschen auch bei stärksten Schmerzen selten gewählt.3
Schmerztherapie
Nach erfolgter Messung des Schmerzes ist eine adäquate Schmerztherapie indiziert. Man unterscheidet eine nichtmedikamentöse von einer medikamentösen Schmerztherapie, wobei diese immer ergänzend eingesetzt werden sollten.1
Nichtmedikamentöse Therapie
Die Liste der nichtmedikamentösen Maßnahmen gegen Schmerzen ist lang. Hierzu zählen beispielsweise bei akuten Schmerzen physikalische Maßnahmen wie Kälte- oder Wärmeapplikation, physiotherapeutische Maßnahmen wie Mobilisation/Bewegung und Massage sowie Ablenkungs- und Entspannungsübungen wie Handpuppen, Seifenblasen, Zählaufgaben etc.
Es sollten keine Maßnahmen pauschal bei jedem Kind oder Jugendlichen eingesetzt werden. Vielmehr sollten individuelle Vorlieben und bereits in der Vergangenheit wirksame Maßnahmen zum Einsatz kommen. Das Potenzial nichtmedikamentöser Maßnahmen wird auch heute noch oft unterschätzt.1
Eine spezielle Patient:innengruppe sind Früh- und Neugeborene. Auch hier gibt es zahlreiche nichtmedikamentöse Maßnahmen, die zur Schmerzreduktion eingesetzt werden können. Allseits bekannt ist die positive Wirkung des Kängurukontakts. Weiters kommen nichtnutritives Saugen (Schnuller), süßer Geschmack wie die Gabe von z.B. Glukose (diese 2 Maßnahmen in Kombination wirken überadditiv), Stillen, verschiedene Lagerungen wie das „facilitated tucking“ (Halten des Neugeborenen in gebeugter Rumpfposition) und multisensorische Stimulation zum Einsatz.1
Medikamentöse Therapie
Jede angemessene Schmerztherapie basiert auf dem WHO-Stufenschema zur Schmerztherapie, in dem drei Stufen unterschieden werden (Abb. 1).
Bei leichten Schmerzen (Stufe 1) kommen Nichtopioid-Analgetika zum Einsatz. Hierzu zählen Paracetamol, Ibuprofen/Diclofenac und Metamizol.1 Aufgrund des Zusammenhangs mit dem Reye-Syndrom wird Acetylsalicylsäure (ASS) in der pädiatrischen Schmerztherapie nur noch zurückhaltend eingesetzt.1 Bei mittelstarken Schmerzen (Stufe 2) kommen schwache Opioide in Kombination mit Nichtopioid-Analgetika zum Einsatz. In der Pädiatrie werden hier v.a. Tramadol und Nalbuphin eingesetzt. Bei starken Schmerzen werden starke Opioide in Kombination mit Nichtopioid-Analgetika eingesetzt. Hierzu zählen v.a. Morphin und Fentanyl.3
Nichtopioid-Analgetika
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Paracetamol: Paracetamol wirkt antipyretisch, die analgetische Wirkung ist im Vergleich zu anderen Nichtopioid-Analgetika schwach, die antiphlogistische Wirkung fehlt. Paracetamol wird hepatisch metabolisiert. Paracetamol hat keine bedeutsamen Nebenwirkungen an Niere und Gastrointestinaltrakt und auch eine relevante Beeinträchtigung der Thrombozytenaggregation fehlt.1
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Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID): Nichtsteroidale Antiphlogistika wirken antipyretisch, analgetisch und antiphlogistisch. Sie vermindern die Thrombozytenaggregation und können zu gastrointestinalen Blutungen führen. Bei längerer Anwendung sollte Ibuprofen bevorzugt werden, da es unter den NSAID das geringste Risiko einer gastrointestinalen Blutung birgt. Zusätzlich können nichtsteroidale Antiphlogistika zu Nierenfunktionseinschränkungen führen. Daher dürfen sie bei dehydrierten Kindern nicht eingesetzt werden, da sie ein akutes Nierenversagen auslösen können.1
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Metamizol: Metamizol wirkt antipyretisch, analgetisch und spasmolytisch. Die Agranulozytose wird immer wieder als Nebenwirkung angegeben, wobei in der Pädiatrie bisher nur wenige Fälle nachgewiesen bzw. vermutet wurden. Wird Metamizol i.v. verabreicht, sollte es stets als Kurzinfusion gegeben werden, da es bei rascher i.v. Gabe zu einer arteriellen Hypotension führen kann.1
Opioid-Analgetika
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Tramadol: Tramadol zählt zu den schwachen Opioiden. Atemdepression, Übelkeit und Erbrechen treten bei Kindern und Jugendlichen selten auf. Die Krampfschwelle wird durch Tramadol herabgesetzt, deshalb sollte es bei Patient:innen mit Epilepsie nicht verabreicht werden.1
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Nalbuphin: Nalbuphin wirkt am µ-Rezeptor antagonistisch und am κ-Rezeptor partiell agonistisch. Daher ist die Wirkung von Nalbuphin auf den Kreislauf, den Gastrointestinal- und den Urogenitaltrakt gering und es kommt zu keiner relevanten Atemdepression. Die analgetische Wirkung von Nalbuphin weist einen Ceiling-Effekt auf.1
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Morphin: Für den Einsatz von Morphin ist keine feste obere Dosisgrenze definiert, da die Dosierung individuell an Wirkung und Verträglichkeit angepasst wird. Die häufigste und klinisch relevanteste Nebenwirkung ist die Obstipation. Diese muss prophylaktisch behandelt werden. Andere Nebenwirkungen sind Übelkeit, Juckreiz, Harnverhalt und Atemdepression.1
Zusammenfassung
Bei der Schmerztherapie von Kindern und Jugendlichen gelten grundlegende Prinzipien: Schmerzen müssen immer ernst genommen und behandelt werden. Bei starken Schmerzen ist der frühzeitige Einsatz eines geeigneten Opioids sinnvoll, ein schrittweises Vorgehen nach dem WHO-Schema ist hier nicht angebracht. Die orale Gabe von Schmerzmitteln wird bevorzugt. Intramuskuläre oder subkutane Injektionen sollten vermieden werden. Analgetika sollen regelmäßig gegeben werden, mit zusätzlicher Gabe bei Bedarf.1 Für eine evidenzbasierte Dosierungsempfehlung von Analgetika bei Kindern und Jugendlichen kann ergänzend die Fachplattform Kindermedika ( www.kindermedika.at ) herangezogen werden.4
Literatur:
Zernikow B: Schmerztherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. 5. Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer, 2015
Silbernagl S, Despopoulos A: Taschenatlas Physiologie. 7. Auflage. Stuttgart: Thieme, 2007
Garten L: Schmerztherapie in der Pädiatrie. In: Q13 „Schmerztherapie“/Skript 1.5. Otto Heubner Centrum, Charité – Universitätsmedizin Berlin 2015. https://www.yumpu.com/de/document/read/10908722/skript-schmerztherapie-in-der-padiatrie-otto-heubner-centrum ; zuletzt aufgerufen am 19. 5. 2025
https://www.kindermedika.at ; zuletzt aufgerufen am 19. 5. 2025
Büttner W, Finke W et al.: Entwicklung eines Fremdbeobachtungsbogens zur Beurteilung des postoperativen Schmerzes bei Säuglingen. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1998; 33: 353-61
Hicks CL et al.: The Faces Pain Scale - Revised: toward a common metric in pediatric pain measurement. Pain 2001; 93: 173-83
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