
Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter
Autorin:
Dr. Regina Rath-Wacenovsky
Schlaflabor der Kinder und Jugendabteilung
Klinik Donaustadt, Wien
Ordination Kinder- und Jugendgesundheit Leuchtturm Seestadt Wien
E-Mail: r.rath@gesundheit-leuchtturm.at
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Ein guter Schlaf bedeutet nicht nur Wohlfühlen, sondern ermöglicht Kindern und Jugendlichen, sich körperlich und geistig optimal zu entwickeln. Selbst in Fachkreisen besteht allerdings immer noch zu wenig Wissen bezüglich Schlaf und der Wege aus Schlafstörungen, um Eltern unterstützend beraten zu können.
Schlaf im Kindes- und Jugendalter wird sehr ambivalent wahrgenommen. Einerseits interpretieren Erwachsene gerne in das Kindes- und Jugendalter ein von Natur vorgegebenes gesundes, sorgloses Schlaf-wach-Verhalten, andererseits wird die Frage nach dem optimalen Schlaf in der Kinder und Jugendsprechstunde sehr häufig gestellt und beschäftigt Eltern sehr.
Schlafphasen
Der Schlaf besteht aus verschiedenen Phasen, darunter REM(„rapid eye movement“)- und Non-REM-Phasen. Diese Phasen sind Teil eines harmonischen Rhythmus und beeinflussen viele Körperfunktionen. Das Schlafmuster (Hyponogramm) eines Menschen ändert sich mit dem Alter, und es kann durch verschiedene Störfaktoren beeinflusst werden (Tab. 1). Die Häufigkeit von Schlafstörungen wird in der Literatur in den verschiedenen Altersgruppe zwischen 15 und 40% eingeschätzt.
Unzureichende Diagnosen
Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen werden oft nicht ausreichend diagnostiziert. Dies betrifft sowohl Kinder mit Grunderkrankungen wie ADHS oder Trisomie 21 als auch Kinder ohne solche Erkrankungen. Verschiedene Faktoren wie Übergewicht, Medienkonsum, aber auch gesellschaftliche Veränderungen und damit verbunden Sorgen und Ängste können das Schlafverhalten von Kindern und Jugendlichen beeinflussen.
Selbst in Fachkreisen besteht immer noch zu wenig Wissen bzgl. Schlaf oder der Wege aus Schlafstörungen, um Eltern unterstützend beraten zu können. Eltern fühlen sich dabei oftmals nicht wahrgenommen und greifen dabei manchmal zu Selbstmedikation oder überlassenen diese Problematik ihren Kindern.
Elterliche Vorstellungen über den „richtigen“ Schlaf sind oftmals auch von eigenen Erfahrungen, kulturellen wie auch gesellschaftlichen „Normen“ beeinflusst. Mediale Recherche macht diese Verwirrung nur noch größer. Daher lassen sich in einem klärenden Gespräch oftmals mit Hinweis auf das große Spektrum eines gesunden Schlafumfeldes und Schlafablaufes viele Sorgen und Ängste beseitigen.
Wichtige Punkte der Diagnostik
Basis der Abklärung eine Schlafstörung ist die Anamnese:
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Beschreibung der Schlafstörung
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Bewegungen im Schlaf?
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Erhebung der Erwartungshaltung der Eltern (beider Elternteile! Wie erkennen sie einen guten Nachtschlaf?)
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Atemgeräusche und Atempausen
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Veränderungen des Verhaltens des Kindes nach Fixierung der Schlafstörung über eine konstanten Zeitraum
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Risikofaktoren einer organisch bedingten Schlafbeeinträchtigung: Frühgeburtlichkeit, Polyposis nasi, Allergien, syndromale oder neurologische Erkrankungenetc.
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Adipositas?
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Einnässen progredient oder erneut auftretend?
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Lifestyle: Medienzeiten/Gewohnheiten, Koffeingetränke ...
Diese Basiserfassung dient der Orientierung und kann auch im niedergelassen Bereich durchgeführt werden. Die Verwendung von etablierten Fragebögen/Tagebüchern, wie dem Züricher Schlafprotokoll oder anderen validierten Instrumenten, bietet eine strukturierte Möglichkeit zur Erfassung von Schlafgewohnheiten und -problemen (Tab. 2). Eltern und Jugendliche können diese Fragebögen zu Hause ausfüllen, um detaillierte Informationen bereitzustellen. Weiters können auch kleine Videosequenzen der Schlafauffälligkeit in der Einordnung hilfreich sein.
Anhand der Informationen ist es hilfreich, die Schlafstörung einer der folgenden 3 Gruppen zuzuordnen:
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Pädagogische bedingte Schlafstörung
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Psychogen bedingte Schlafstörung
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Organisch bedingte Schlafstörung
Überlappungen sind meist bei länger andauernden Schlafstörung zu beobachten.
Erweiternde Diagnostikmöglichkeiten sind:
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HNO-Diagnostik
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EEG
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Serologischer Eisenstatus (für Restless-Leg-Diagnostik wesentlich!), TSH, BB
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Psychologische Diagnostik
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Polygrafie/Polysomnografie (Abb. 1)
Spezialsierte Zentren
Leider sind pädiatrische Schlaflabore bzw. Untersuchungsmöglichkeiten sehr limitiert bzw. eng gebucht. Durch die technischen Ausreifungen sind Screening-Geräte für eine häusliche Messung auch für ältere Kinder möglich und praktikabel. Jedoch sollten die Fragestellung, das Alter und die Auswertemöglichkeiten abgestimmt werden und an Zentren erfolgen, die über ausreichend Erfahrung und evtl. eine Polysomnografie verfügen.
Die Folgen von Schlafstörungen
Die Bedeutung des optimalen Schlafes im Kindes- und Jugendalter liegt weit über jener einer „Belastung im familiären Alltag“.
Ein gesunder Schlaf spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der psychischen Gesundheit, der Gehirnreifung, des Lernens und des Gedächtnisses, des Essverhaltens und der Immunität bei Kindern und Jugendlichen. Schlafmangel und Schlafstörungen können das Risiko für psychische Gesundheitsprobleme erhöhen, die Gehirnentwicklung beeinträchtigen und die Lernfähigkeit negativ beeinflussen. Schlaf ist auch eng mit dem Essverhalten verbunden, da Schlafmangel zu ungesunden Ernährungsgewohnheiten führen kann. Zudem stärkt ausreichender Schlaf das Immunsystem und trägt zur Vorbeugung von Krankheiten bei. Bei organisch bedingten Schlafstörungen wie dem obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS) können schwerwiegende Gesundheitsprobleme wie Sauerstoffmangel und Hyperkapnie sowie langfristige kardiopulmonale Komplikationen auftreten.
Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen haben weitreichende Auswirkungen auf das gesamte Familiensystem. Diese Auswirkungen erstrecken sich über die individuelle Ebene hinaus und betreffen auch die Interaktionen und Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern. Die Belastung, die mit der Betreuung eines Kindes mit Schlafproblemen einhergeht, kann die Eltern und Geschwister stark beanspruchen. Eltern können unter Stress und Schlafmangel leiden, was sich auf ihre eigene Gesundheit und ihr Wohlbefinden auswirkt. Die emotionalen Herausforderungen, die mit der Bewältigung von Schlafstörungen einhergehen, können zu Spannungen und Konflikten in der Familie führen. Die Schlafunterbrechungen und der gestörte Tagesablauf können den Alltag der Familie erheblich beeinträchtigen und soziale Aktivitäten erschweren. Eltern könnten sich sozial isoliert fühlen und das Gefühl haben, dass ihre Lebensqualität beeinträchtigt ist.
Fazit
Es ist wichtig, die Auswirkungen von Schlafstörungen auf das Familiensystem zu berücksichtigen und Unterstützung zu suchen, um angemessene Bewältigungsstrategien zu entwickeln, die nicht nur dem betroffenen Kind, sondern auch der gesamten Familie zugutekommen.
Schlafgesundheit stellt somit einen wichtigen präventiven Faktor in der Kindes- und Jugendgesundheit dar. Daher besteht in der Pädiatrie – auch in der Ausbildung – ein Bedarf, dem Thema Schlaf und seiner Diagnostik mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Literatur:
Hippius H (Hrsg) et al.: Schlaf Wach-Funktion. Schlafstörungen im Kindes und Jugendalter. Berlin: Springer, 1988. Seiten 151-8
Ipsiroglu O et al.: Gesunder Schlaf als Kinder-/ Menschenrecht oder die Blinden Flecken in der Schlafmedizin am Beispiel Schlafen mit ADHS. Entwurf für ein gemeinsames Positionspapier der Österreichischen und Deutschen Arbeitsgruppen Kinderschlafmedizin. Aktuelle Kinderschlafmedizin 2023
Paditz E et al.: Aktuelle Entwicklungen in der Schlafforschung und Schlafmedizin – eine Einschätzung der AG „Pädiatrie“. Somnologie 2022; 26: 174-8
Cheng W et al.: Sleep duration, brain structure, and psychiatric and cognitive problems in children. Mol Psychiatry 2021; 26(8): 3992-4003
Kim SY et al.: The relationship between smartphone overuse and sleep in younger children: a prospective cohort study. J Clin Sleep Med 2020; 16(7): 1133-9
Fragebogen CSHQ-DE 4-10: https://www.khporz.de/_Resources/Persistent/93cca5bcd9c752ef8fda97cdf79189b313094f39/Kinderklinik-cshq.pdf ; zuletzt aufgerufen am 13. 9. 2023
S1-Leitlinie: Nicht organische Schlafstörungen. https://register.awmf.org/assets/guidelines/028-012l_S1_Nicht-organische-Schlafstoerungen_2022-01.pdf ; zuletzt aufgerufenn am 13. 9. 2023