
Schilddrüse und Knochen
Autorin:
Assoz. Prof. Priv.-Doz. DDr. Elisabeth Lerchbaum
Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Univ.-Klinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Graz
Wahlarztordination Privatklinik Graz Ragnitz
E-Mail: mail@elisabeth-lerchbaum.at
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Da sowohl die Prävalenz von Schilddrüsenerkrankungen als auch die der Osteoporose – vor allem bei Frauen – sehr hoch ist, sind die Interaktionen zwischen Schilddrüsenhormonen und dem Knochenstoffwechsel von großer Bedeutung. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Prävalenz beider Erkrankungen in den nächsten Jahren weiter zunehmen.
Der Zusammenhang zwischen der Schilddrüsenfunktion und dem Knochenstoffwechsel wurde bereits früh entdeckt. Die essenzielle Bedeutung der Schilddrüsenhormone für das Längenwachstum und die Skelettreifung ist mittlerweile gut untersucht und wurde bereits vor 125 Jahren in Zusammenhang mit dem Kretinismus erkannt. Die Bezeichnung Kretinismus ist vom französischen Wort „crétin“ abgeleitet und bedeutet in etwa „Idiot“. Der Grund: Der Kretinismus als Auswirkung eines unbehandelten Schilddrüsenhormonmangels ist auch mit einer verzögerten geistigen Entwicklung verbunden. Darüber hinaus besteht auch ein Zusammenhang mit Minderwuchs und kurzen Fingern. Mittlerweile ist vor allem die Hyperthyreose ein etablierter Risikofaktor für eine Osteoporose, was auch dezidiert in den Leitlinien des Dachverbandes Osteologie (DVO) erwähnt wird.1
Hyperthyreose
Bei der Hyperthyreose unterscheidet man zwischen einer manifesten Hyperthyreose, bei der die freien Schilddrüsenhormone erhöht sind und das Thyroidea-stimulierende Hormon (TSH) supprimiert ist, und einer latenten Hyperthyreose. Bei der latenten oder subklinischen Hyperthyreose liegen die freien Schilddrüsenhormone im Normbereich, das TSH ist supprimiert. Zu den häufigsten Ursachen der Hyperthyreose zählen der Morbus Basedow, bei dem Auto-Antiköper (TSH-Rezeptor-Antikörper; TRAK) zur Überfunktion führen, sowie die Schilddrüsenautonomie. Bei einer Schilddrüsenautonomie werden unabhängig von den Steuerungsmechanismen der Hirnanhangdrüse zu viele Schilddrüsenhormone produziert. Das kann in einem oder mehreren Knoten (autonome Adenome) oder aber diffus in der gesamten Schilddrüse geschehen (disseminierte Autonomie). Zu den weiteren Ursachen zählen eine iatrogene Hyperthyreose, also eine Übersubstitution mit Schilddrüsenhormonen, eine vorübergehende hyperthyreote Phase einer Hashimoto-Thyreoiditis oder auch eine Amiodaron-induzierte Hyperthyreose.
Schon während der Skelettentwicklung spielen Schilddrüsenhormone eine wichtige Rolle. So kann eine Hyperthyreose im Kindesalter, z.B. im Rahmen eines Mb. Basedow, zu einer vorzeitigen Knochenreifung und somit zu einem verminderten Längenwachstum führen.2
Eine Hyperthyreose im Erwachsenenalter, die meist durch einen Mb. Basedow oder eine Schilddrüsen-Autonomie verursacht wird, stimuliert die Differenzierung von Osteoblasten und Osteoklasten.3 Die Knochenresorption wird stimuliert, eine reduzierte Knochendichte, eine Osteoporose und ein erhöhtes Risiko für Frakturen sind die Folge. Vor allem bei älteren Menschen kann die Hyperthyreose zu einer schweren Osteoporose führen.3
Schon eine subklinische Hyperthyreose ist mit einem erhöhten Risiko für Frakturen verbunden.4 Die Therapie der Hyperthyreose verbessert auch die Knochendichte.
Hypothyreose
Auch bei der Hypothyreose wird zwischen einer manifesten und einer latenten Form unterschieden. Bei der manifesten Hypothyreose sind die freien Schilddrüsen-Hormone reduziert und das TSH erhöht, bei der latenten oder subklinischen Hypothyreose liegen die Werte der freien Schilddrüsenhormone im Normbereich, das TSH ist erhöht. Zu den häufigsten Ursachen, vor allem bei Frauen, zählt die Hashimoto-Thyreoiditis, eine Autoimmunerkrankung, bei der Auto-Antikörper zu einer chronischen Entzündung führen – eine Hypothyreose kann die Folge sein. Auch eine Schilddrüsenoperation, bei der Teile oder die gesamte Schilddrüse entfernt werden, ist eine häufige Ursache der Hypothyreose.
Eine Hypothyreose im Kindesalter, z.B. im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis oder einer kongenitalen Hypothyreose, führt zu einer verzögerten Skelettentwicklung, einer Wachstumsretardierung und ebenfalls zu einer reduzierten Körpergröße.2
Eine Hypothyreose bei Erwachsenen, die im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis, sekundär bei Hypophysenerkrankungen oder auch nach Schilddrüsenoperationen auftreten kann, ist mit einem verminderten Knochenumbau, einer erhöhten Knochenmasse, einer Osteosklerose und einem erhöhten Frakturrisiko verbunden.3 Die Schilddrüsenhormonsubstitution führt vorübergehend zu einem erhöhten Verlust an Knochenmasse und einem erhöhten Frakturrisiko, die sich nach einer gewissen Zeit wieder normalisieren.3
Ob schon eine subklinische Hypothyreose mit einem erhöhten Frakturrisiko verbunden ist, ist noch nicht vollständig geklärt. Es sollte jedenfalls berücksichtigt werden, dass eine Überdosierung einer Schilddrüsenhormonsubstitution u.a. das Risiko für Herzrhythmusstörungen und auch für eine Osteoporose erhöht.5 Da die subklinische Hypothyreose 4–20% der erwachsenen Bevölkerung betrifft,5 ist die Frage nach der Therapie von großer Bedeutung. Zu berücksichtigen ist, dass das TSH mit zunehmendem Alter ansteigt und daher eigentlich altersspezifische Referenzbereiche für die TSH-Werte angegeben werden sollten, was in den meisten Laborbefunden jedoch nicht der Fall ist. Vor allem bei geriatrischen Patient:innen, also Personen ab 65 Jahren, sollte ein höherer TSH-Wert toleriert werden als bei jüngeren Personen.6 So zeigen Daten aus NHANES, dass in der Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen ein TSH bis zu 5,9mU/l und in der Gruppe der ≥80-Jährigen ein TSH bis zu 7,5mU/l als normal erachtet werden kann.6 Besonders häufig ist die subklinische Hypothyreose bei Frauen, älteren Personen und in der weißen Population.5 Daher empfiehlt die European Thyroid Association (ETA) in ihren Guidelines bei Personen unter 70 Jahren mit einer subklinischen Hypothyreose eine Schilddrüsenhormonsubstitution bei einem TSH >10mU/l, bei einem TSH <10mU/l einen Therapieversuch und bei Personen mit einem TSH <10mU/l ohne Symptome keine Therapie. In der Gruppe der >70-Jährigen sollte bei subklinischer Hypothyreose und einem TSH <10mU/l keine Therapie eingeleitet werden, bei subklinischer Hypothyreose und einem TSH >10mU/lnur bei klaren Symptomen oder hohem kardiovaskulärem Risiko.7
Fazit
Schilddrüsenerkrankungen und Osteoporose sind häufige Erkrankungen, vor allem bei Frauen. Die Hyperthyreose ist, schon in der latenten Form, ein etablierter Risikofaktor für Osteoporose und Frakturen. Daher muss auch bei einer Schilddrüsenhormonsubstitution darauf geachtet werden, diese nicht zu hoch zu dosieren, eine TSH-Suppression sollte vermieden werden. Die manifeste Hypothyreose beeinflusst das „bone remodeling“ und erhöht das Frakturrisiko. Ob die subklinische Hypothyreose eine Indikation für eine Thyroxin-Substitution darstellt, wird kontrovers diskutiert. Zu berücksichtigen sind mögliche Effekte auf das kardiovaskuläre Risiko, aber auch auf die Knochendichte.
Literatur:
DVO: Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und bei Männern. Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e.V. 2017
Bassett JH WG: Role of thyroid hormones in skeletal development and bone maintenance. Endocr Rev 2016; 37: 2135-87
Gogakos AI DBJ, Williams GR: Thyroid and bone. Arch Biochem Biophys 2010; 503(1): 129-36
Blum MR et al.: Subclinical thyroid dysfunction and fracture risk: a meta-analysis. JAMA 2015; 313(20): 2055-65
Bekkering GE et al.: Thyroid hormones treatment for subclinical hypothyroidism: a clinical practice guideline. BMJ 2019; 365: 2006
Taylor PN et al.: Age-related variation in thyroid function – a narrative review highlighting important implications for research and clinical practice. Thyroid Res 2023; 16(1): 7
Pearce SHS et al.: 2013 ETA Guideline: Management of Subclinical Hypothyroidism. Eur Thyroid J 2013; 2(4): 215-28
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