Lebererkrankungen erkennen und effizient abklären
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Peter Fickert
Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Medizinische Universität Graz
E-Mail: peter.fickert@medunigraz.at
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Eine Infektionsprophylaxe gegen Hepatitis-A-, -B- und -C-Infektionen sowie die Vermeidung einer Fettlebererkrankung sind zentrale Themen zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz der Österreicher:innen. Daher ist ein Screening unserer Gesamtbevölkerung für Hepatitis-B- und -C-Infektionen notwendig. Außerdem brauchen wir eine Änderung unseres Umgangs mit Alkohol.
Erhöhte Leberwerte, klinische Symptome einer Leberkrankheit oder sonografisch detektierte Veränderungen des Leberparenchyms können erste Manifestationen vollkommen unterschiedlicher Krankheitsbilder sein. Eine rasche und möglichst zielgenaue Einengung der Differenzialdiagnose ist von entscheidender Bedeutung für ein effektives Management unserer Patient:innen. Möglichst früh sollte eine Orientierung erfolgen, ob es sich im vorliegenden Fall um eine neuaufgetretene oder akute (schwere) Lebererkrankung, eine chronisch langsam verlaufende oder eine sich akut verschlechternde chronische Lebererkrankung handelt. Davon abhängig gestaltet sich die Dringlichkeit der weiteren Abklärung.
Wann brennt der Hut?
Jede akut neu aufgetretene schwere oder chronisch verlaufende und sich akut verschlechternde Lebererkrankung mit eingeschränkter Gerinnungsstörung und/oder Enzephalopathie verlangt nach einer sofortigen Abklärung durch spezialisierte Kolleg:innen in Spezialambulanzen oder Krankenanstalten. Ebenso sollte jegliche akute Verschlechterung einer vorbekannten fortgeschrittenen Lebererkrankung mit deutlicher Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Fieber, Blutungsverdacht, neu aufgetretenem oder zunehmendem Aszites und eingeschränkter oder progressiv eingeschränkter Nierenfunktion zu einer umgehenden Abklärung in solchen Zentren führen. Hingegen ist in Fällen von einer bis zu 2-fachen Erhöhung des ALT-Wertes bei gewahrter Gerinnungssituation bzw. Lebersyntheseleistung mehr Zeit zur weiteren Abklärung gegeben.
Abklärung erhöhter Leberparameter
Untersuchung, Sonografie und nichtinvasive Fibrostests sind die Grundpfeiler einer rationellen Abklärung erhöhter Leberwerte.
Die Bedeutung einer sorgfältigen Anamnese zusammen mit einer Sonografie des Abdomens und die Verwendung nichtinvasiver Fibrosetests (z.B. FIB4-Index) kann in diesem Zusammenhang nicht überschätzt werden. Wichtige anamnestische Fragen und mögliche differenzialdiagnostische Hinweise finden Sie in Tabelle 1 zusammengefasst.
Tab. 1: Wichtige anamnestische Fragen bei erhöhten Leberfunktionstestwerten
Bei der sonografischen Untersuchung der Leber sollte insbesondere auf die Beschaffenheit des Parenchyms (Fragen: hyperechogenes Parenchym im Sinne einer Steatose? Intrahepatische Raumforderungen? Normale Weite der Gallenwege? Freie Flüssigkeit? Veränderungen der Leberoberfläche? Orthograd durchströmte Pfortader und Lebervenen? Milzgröße?) geachtet werden. Zudem ermöglicht die rechnerische Bestimmung des FIB4-Index durch die einfachen Variablen Patient:innenalter, Werte von AST (GOT) und ALT (GPT) sowie Thrombozytenzahl die Bestimmung einer dimensionslosen Zahl, die die Zuordnung hinsichtlich der Möglichkeit einer bestehenden Fibrose bzw. fortgeschrittenen Lebererkrankung äußerst einfach ermöglicht.
Zudem ermöglicht die zusätzliche Verwendung elastografischer Methoden die weitere Stratifizierung in eine kompensierte fortgeschrittene Leberkrankheit oder einen klinisch signifikanten portalen Hypertonus. Ein FIB4-Wert über 1,3 sollte in weiterer Folge die Durchführung einer Elastografie zur genaueren Einordnung des Krankheitsbildes triggern. Zusammenfassend ist nach Durchführung einer sorgfältigen Anamnese, einer Ultraschalluntersuchung und der Bestimmung des FIB4-Index in vielen Fällen die Differenzierung zwischen neu aufgetretener oder fortgeschrittener Lebererkrankung und deren möglicher Genese möglich.
Ordnung schafft Klarheit
Zusätzlich hilfreich sind die Einordnung der jeweiligen Enzymmuster und eine daraus folgende Unterteilung in isolierte Hyperbilirubinämie, primär cholestatische Enzymmuster oder hepatitische Enzymmuster. Eine differenzialdiagnostische Übersicht dazu finden Sie in Abbildung 1. Da das Gallensteinleiden die häufigste Erkrankung in der Gastroenterologie darstellt, sollten neben typischen cholestatischen Enzymmustern, wie sie durch eine mechanische Abflussstörung durch Verschluss der Gallenwege entstehen, auch vorkommende hepatitische Enzymmuster bei akutem Steinverschluss Erwähnung finden. Durch den Abgang eines Gallengangskonkrements, meist in den Ductus choledochus mit Verschluss desselbigen, kommt es zu einer akuten Regurgitation der Galleflüssigkeit in die Hepatozyten, was zu einer akuten Schädigung der Zellen führt und in einem hepatitischen Enzymmuster, d.h. einer primären Erhöhung der Transaminasen gegenüber den Cholestaseparametern, führt. Beobachten wir also Patient:innen mit einer akuten Steinkolik innerhalb der ersten 24 bis 72 Stunden nach Erstauftreten der Symptome, kann enzymatisch – obwohl es sich um eine cholestatische Erkrankung handelt – ein hepatitisches Enzymmuster mit primärer Erhöhung der Transaminasen dominant sein.
Abb. 1: Differenzialdiagnose erhöhter Leberwerte
Bei unklarer Erhöhung von Transaminasen sollten immer alle Virushepatitiden (A, B, C, D, E) als mögliche Auslöser in Betracht gezogen werden und es sollte eine entsprechende serologische Diagnostik erfolgen. Da es sich bei der Hepatitis E mittlerweile um eine in Europa sehr weitverbreitete Zoonose handelt, die auch durch Verzehr von z.B. Wildprodukten akquiriert werden kann, sollte auch diese Differenzialdiagnose immer in Betracht gezogen werden.
Die häufigste Erkrankung, die zu erhöhten Transaminasen in unserer Bevölkerung führt, ist aktuell die Fettlebererkrankung mit geschätzten 1,8Millionen betroffenen Patient:innen in Österreich, wovon wiederum 3–5% eine Steatohepatitis entwickeln dürften (geschätzte 0,2 Millionen Patient:innen). Ein Screening der Allgemeinbevölkerung wird aktuell in den Leitlinien der Gesellschaft für Gastroenterologie,
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) nicht empfohlen, jedoch sollte ein Screening bei Risikopopulationen wie Typ-2-Diabetiker:innen, Patient:innen mit metabolischem Syndrom, mit Übergewicht und jenen mit arteriellem Hypertonus erfolgen. Ein Screening dieser Risikopopulationen sollte mit einfachen Tools wie oben angeführt mittels Sonografie und Scores wie dem FIB4-Index durchPrimärversorger:innen erfolgen. Hier sind Allgemeinmediziner:innen von herausragender Bedeutung.
Alkoholkonsum ansprechen
Unzweifelhaft bleibt Alkoholkonsum der wichtigste Treiber für Lebererkrankungen in Österreich. Daher ist auch dahingehend neben einer spezifischen Anamneseerhebung bei unseren Patient:innen auch eine gemeinsame Anstrengung zur Änderung des Umgangs mit Alkohol in Österreich dringend notwendig! So können wir nicht weitermachen – aber wir können sehr viel machen: nach Fettleber, metabolischem Syndrom und Alkoholerkrankung suchen und intervenieren! Sehr praktisch sind dazu die Empfehlungen der European Association for the Study of the Liver (EASL): https://www.journal-of-hepatology.eu/action/showPdf?pii=S0168-8278%2824%2900329-5 .
Das Thema Alkohol sollte direkt angesprochen werden und gegebenenfalls ist hier Intervention notwendig und sinnvoll. Auch sollten unsere Patient:innen mit Fettleber regelmäßig darauf hingewiesen werden, sich ab dem 45. Lebensjahr einer Darmkrebsvorsorge zu unterziehen. Sie neigen zu früherem Auftreten von Kolonpolypen und Kolonkarzinomen und sollten daher frühzeitig zur Vorsorgekoloskopie zugewiesen werden. Lebensstilmodifikationen wie Veränderung der Ernährungsgewohnheiten und des Bewegungsmusters sind von entscheidender Bedeutung und müssen immer wieder dargestellt werden.
Fettleber und Virushepatitis
Auch bei einer Fettlebererkrankung sollte an eine möglicherweise gleichzeitig bestehende Virusinfektion gedacht werden. Aktuelle Zahlen des Robert-Koch-Instituts weisen darauf hin, dass es sinnvoll ist, zumindest einmal eine Hepatitis-B- und -C-Serologie durchzuführen. Insbesondere bei Patient:innen über dem 35. Lebensjahr konnte dadurch eine deutliche Erhöhung der Fallmeldungen von Hepatitis B und C in den Altersgruppen der 50- bis 80-Jährigen in Deutschland erreicht werden. Gesundheitspolitisch ist zur Ausrottung der Hepatitis B und C in Österreich ein Screening der Gesamtbevölkerung notwendig!
Wichtige Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz
Eine zentrale Aufgabe von uns allen ist die Hebung der Gesundheitskompetenz der Österreicher:innen im Bereich der Fettlebererkrankung, aber auch in Bezug auf die Virushepatitiden. Jeder von uns kann in seinem Einflussbereich hier durch Informationsveranstaltungen, Vorträge, regelmäßige Gespräche und andere Formen der Öffentlichkeitsarbeit wie Artikel in Lokalzeitungen wirksam werden.
Hepatitis-A- und -B-Schutzimpfungsprogramme sollten regelmäßig in Erinnerung gerufen werden, und auch die Infektionsprophylaxe mit Einhaltung wichtiger Hygienemaßnahmen sollte bereits im Schulunterricht Platz finden. Allgemeinmediziner:innen und Primärversorgungsärzt:innen nehmen in der Abklärung von erhöhten Leberwerten und der Hebung der Gesundheitskompetenz unserer Bevölkerung im Bereich Infektionsprophylaxe und Fettlebervermeidung eine ganz zentrale Stellung ein, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Gemeinsame Anstrengungen sind notwendig, um diese Herausforderungen anzunehmen.
Literatur:
beim Verfasser
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