
Junge Allgemeinmediziner in Österreich
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Der Weg zur eigenen Ordination erfordert nicht nur das Ius practicandi, denn auch nach abgeschlossener Ausbildung zum Allgemeinmediziner sind die ersten Hürden im Berufsalltag zu bewältigen. Die JAMÖ (Junge Allgemeinmedizin Österreich) dient sowohl Studenten als auch jungen Ärzten bei ihren ersten Schritten in Ausbildung und Berufsleben als Unterstützung, bevor die ÖGAM in weiterer Folge die Obhut übernimmt. In der JAMÖ stehen junge Ärzte jungen Ärzten mit Rat und Tat zur Seite – so auch unser Interviewpartner und Obmann der JAMÖ, Dr. Richard Brodnig, BSc, dessen Leidenschaft, Jungmedizinern zu helfen, sich aus seinen eigenen Erfahrungen auf seinem Karriereweg ergründet.
Sehr geehrter Herr Dr. Brodnig, wie kamen Sie zur Allgemeinmedizin?
Dr. Brodnig: Ich kam schon früh mit der Allgemeinmedizin in Kontakt, da mein Vater, der mittlerweile schon in Pension ist, Hausarzt war, und das aus Leidenschaft. Da er mich allein aufgezogen hat, war ich oft bei Hausbesuchen und in der Ordination mit dabei. Es ist ein schöner, erfüllender Beruf. Trotzdem habe ich mich anfangs für das Studium der Betriebswirtschaft entschieden, jedoch schnell bemerkt, dass mir dabei die menschliche Komponente fehlt. So kam es, dass ich während des Masters für Betriebswirtschaft mit dem Medizinstudium begonnen habe.
Wie sehen Sie heute, also im Nachhinein, Ihre Entscheidung, zuerst BWL zu studieren?
Dr. Brodnig: Ich konnte aus dem Master sehr viel für die spätere Selbstständigkeit als Hausarzt mitnehmen und habe mich während des Bachelors schon auf Unternehmensführung spezialisiert. Vielen Kollegen fehlt der Zugang zur Selbstständigkeit, die oft als Hürde vor der Niederlassung als Allgemeinmediziner gesehen wird. Diese Hürde konnte ich durch meinen Vater und das BWL-Studium abbauen.
War es von Anfang an klar, dass Sie in die Fußstapfen Ihres Vaters treten wollen?
Dr. Brodnig: Ich habe mein Medizinstudium mit dem Wissen und Wunsch begonnen, in die Allgemeinmedizin zu gehen, was mich vom Großteil meiner Kollegen unterscheidet. Die meisten Studierenden wissen zu Studienbeginn noch nicht, wohin genau ihre Reise gehen soll,und sind oft vorhergehend durch vorgefertigte mediale Bilder beeinflusst.
Wie haben Sie die Ausbildung empfunden? Welche Schwierigkeiten gab es für Sie auf dem Weg zum Allgemeinmediziner? Was fanden Sie gut und was nicht?
Dr. Brodnig: Ich habe meine Ausbildung an der Medizinischen Universität Graz absolviert, wo die Allgemeinmedizin gut ins Studium eingebettet ist. Das Medizinstudium ist an sich eine Hürde, aber das schafft jeder, der sich motiviert genug fühlt und finanzielle Unterstützung hat. Ich bin für die Basisausbildung nach Wien in die Klinik Landstraße, ehemals Rudolfstiftung, gegangen, weil mir die Ausbildungsbedingungen in Wien punkto Arbeitszeit eher zugesagt haben. Von der Ausbildungsqualität für Allgemeinmediziner sind wir aber in Österreich, denke ich, in den einzelnen Bundesländern auf gleichem, aber durchwachsenem Niveau.
Im Krankenhaus entscheiden sich Kollegen oft als Back-up-Plan für die Allgemeinmedizin und beginnen die Ausbildung, möchten aber eigentlich einen Facharzt machen. Die Tätigkeiten als Turnusarzt in der Allgemeinmedizinerausbildung sind oft administrativer Natur und könnten von einer Schreibkraft übernommen werden. Darunter leidet die Ausbildung.
Fehlende und schwer zugängliche Informationen erschwerenvielen zusätzlich die Entscheidung, wo und auf welchem Wege die Ausbildung zum Allgemeinmediziner absolviert werden kann.
Konnten Sie während des Studiums oder auch später von Mentoren profitieren, die Sie unterstützten?
Dr. Brodnig: An der MedUni Graz wurde ein Mentoring eingeführt. Es ist essenziell für die Studenten, um die Motivation nicht zu verlieren und die Übersicht zu behalten. Das baut auf. Ich habe durch meinen Vater immer einen Mentor an meiner Seite, weil ich mit Fragen zu ihm kommen kann. Zusätzlich habe ich noch eine zweite Art Mentoring: Mein Ehemann ist auch Allgemeinmediziner, und da er mir voraus war, hat er mir auch geholfen, mich selbst im Studium bzw. in der Ausbildung zu fokussieren.
Ein Positionspapier der ÖGAM zum Thema Ausbildungsverbesserungen für Turnusärzte befürwortet ein Mentoring – dieser Meinung bin ich auch, denn ein Mentoring ist sinnvoll und kann den Fokus während der Ausbildung schärfen. Auch ich bin der Meinung, dass ein Mentoring verpflichtend eingeführt werden sollte.
Wir haben das Thema der Einführung eines Facharztes für Allgemeinmedizin bereits angeschnitten. Wie stehen Sie dazu? Wie ist die generelle Stimmung bei den jungen Kollegen?
Dr. Brodnig: Die jungen Kollegen sind durch die Bank für einen Facharzt für Allgemeinmedizin. In einer Umfrage unter 300 Ärzten wurde die Qualität der Ausbildung derzeit nicht als hochwertig genug angesehen. Zudem leidet sie unter einem Imageproblem gegenüber den Facharztausbildungen, auch gegenüber den Patienten. Die sprachliche Unterscheidung im Krankenhaus zwischen Turnusarzt und Assistenzarzt entspricht auch der unterschiedlichen Aufgabenverteilung. Rechtlich sind beide als Turnusärzte anzusehen, trotzdem gibt es von der Region abhängige Unterschiede zwischen dem Assistenzarzt und dem Turnusarzt: In Wien können Assistenzärzte z.B. mehr Sonderurlaub für Fortbildungen beantragen, Allgemeinmediziner nur für den Kurs des notfallmedizinischen Diploms – den Rest bilden krankenhausinterne Fortbildungen. Was im Krankenhaus gelehrt wird, unterscheidet sich aber vom allgemeinmedizinischen Alltag.
Eine Facharztausbildung für Allgemeinmediziner sollte in meinen Augen auch von der Dauer her an die derzeitige Facharztausbildung angeglichen werden. Die ÖGAM hat einen Vorschlag zur Gestaltung einer Facharztausbildung für Allgemeinmedizin gebracht und diese Ansicht unterstützt auch die JAMÖ. Beispielsweise drängen wir darauf, dass die Ausbildungsdauer durch die Lehrpraxis verlängert wird. Hier hinkt Österreich im internationalen Vergleich hinterher, obwohl die Lehrpraxis essenziell für die spätere Berufsausübung als Allgemeinmediziner ist. Die wichtigsten Veränderungen in der Ausbildung sind sicher die Relevanz der Ausbildungsinhalte für die hausärztliche Tätigkeit und die Verlängerung der Lehrpraxis. Dadurch könnte die Allgemeinmedizin attraktiver gemacht und das Problem der leeren Kassenstellen reduziert werden.
Sie sind der Obmann der JAMÖ. Wie kam es dazu? Haben Sie sich schon während Ihres Studiums bei der JAMÖ engagiert?
Dr. Brodnig: Ja, ich bin schon während meines Studiums zur JAMÖ gekommen. Ich habe damals am jährlichen Kongress JAM17 in Wien teilgenommen und mich mit den Leuten gut verstanden, dadurch bin ich quasi „hineingerutscht“. Ausschlaggebend dafür, dass ich mich bei der JAMÖ weiter engagiert habe, war die Gemeinschaft. Alle verfolgen eine gemeinsame Leidenschaft, alle Bundesländer kommen zusammen, aber jeder hat dabei einen anderen Fokus, Schwerpunkt oder unterschiedliche Ziele vor Augen.
Wie viele Mitglieder zählt die JAMÖ und wie gestaltet sie sich?
Dr. Brodnig: In der JAMÖ sind wir über 300 Mitglieder, das Kernteam ist über ganz Österreich verteilt. Wir sehen uns als Interessengemeinschaft für alle jungen Allgemeinmediziner und alle, die es werden wollen. Der jährliche JAMÖ-Kongress soll dieser Zielgruppe dabei eine Zusatzausbildung anbieten. Außerdem gibt es Stammtische in den Bundesländern, bei denen Interessierte zusammentreffen und sich austauschen können. Coronavirusbedingt ist uns dies momentan jedoch leider nicht möglich. Daher haben wir einen Online-Qualitätszirkel für Ärzte in Ausbildung gestartet, in dessen Rahmen man Themen untereinander über die Bundesländer hinweg besprechen kann und sieht, wie es anderen Kollegen in der Ausbildungssituation und natürlich auch danach geht. Bis fünf Jahre nach dem Ende der allgemeinmedizinischen Ausbildung können sich Mitglieder mit Fragen an uns wenden, danach übernimmt die ÖGAM.
Wie kann man sich vorstellen, dass die JAMÖ und die ÖGAM ineinander verflochten sind? Inwieweit nimmt die ÖGAM Einfluss?
Dr. Brodnig: Die JAMÖ ist eine Untergesellschaft der Landesgesellschaften der ÖGAM, sie greift grundsätzlich aber nicht in die Agenden der JAMÖ ein. Dahinter steht die Absicht: „Wir sind die Jungen, wir sind die Zukunft und wir sollen das kommunizieren, was uns wichtig ist.“ Natürlich tauschen wir uns aber mit der ÖGAM aus, da man von der Erfahrung der langjährig im Berufsalltag stehenden Kollegen lernen kann. Wir sind eine Einheit, würde ich persönlich sagen, aber wir sind die Jungen.
Der jährliche Kongress der JAMÖ gilt als fixer Bestandteil im Alltag der jungen Allgemeinmediziner, was erwartet diese heuer beim JAM21?
Dr. Brodnig: Grundsätzlich werden es drei Tage sein, an denen die jungen Ärzte Podiumsdiskussionen, Ultraschallkurse, ein Kurs zur Blickdiagnostik, ein buntes Angebot an Fortbildungen und Social Events im lockeren Umfeld, soweit möglich, erwarten. Wir als JAMÖ arbeiten an einem Organisationswochenende zusammen in einem Brainstorming mögliche Themen aus, überlegen uns das Programm und welche Vortragenden infrage kommen könnten. Wir haben das Glück, dass die Vortragenden ihr Wissen an die junge Generation weitergeben möchten und die meisten sofort mit dabei sind. Die Vortragenden sind top, das spiegelt sich auch in den Teilnehmerzahlen wider – im vorletzten Jahr waren knapp 150 Teilnehmer am Kongress.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte:
Dr. Katrin Spiesberger, MSc
Bericht:
Vera Weininger, BA
Die JAMÖ stellt sich vor:
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Gründung 2006
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Bundesländerübergreifende Interessengemeinschaft
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Mitglieder: alle Studenten oder Jungmediziner, die an Allgemeinmedizin interessiert sind
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JAMÖ-Mitgliedschaft schon während des Medizinstudiums bis 5 Jahre nach Abschluss der Ausbildung in Allgemeinmedizin; gleichzeitig Mitglied einer ÖGAM-Landesorganisation in den einzelnen Bundesländern
Ziele:
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Förderung der Ausbildung, Weiterbildung und Forschung in der Allgemeinmedizin
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Aufwertung der allgemeinmedizinischen Grundversorgung in Österreich
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Etablierung des Facharztes für Allgemeinmedizin
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Einsatz für verpflichtende und fair finanzierte Lehrpraxis
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Vorbereitung auf zukünftiges Arbeiten in der Praxis sowie in Lehre und Forschung
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Hausarzt vor Spitalsambulanz
Aufgaben:
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Internationale Kooperation mit vergleichbaren Institutionen
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Organisation des jährlichen JAM-Kongresses
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Organisation von Auslandsaufenthalten zur Aus- und Weiterbildung und Forschung für junge Allgemeinmediziner
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Lehrpraxisangebote
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Mentoring für angehende Allgemeinmediziner
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Summer School
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Mitgestalten – Ärztegesetznovellen
Mehr dazu unter
https://jamoe.at
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