
Einsatz von SGLT2-Hemmern
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Andreas Festa
Facharzt für Innere Medizin
VIVIT Institut, Feldkirch
Ärztezentrum Weinviertel, Zellerndorf
Wahlarztordination in Korneuburg
E-Mail: andreas.festa@aerztezentrum-weinviertel.at
Web: www.festa.at
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SGLT2-Hemmer (Dapagliflozin und Empagliflozin) gehören zu den meistverschriebenen Medikamenten in der Behandlung des Typ-2-Diabetes. Mittlerweile werden diese Substanzen auch bei chronischer Herzschwäche und chronischer Nierenschwäche eingesetzt. Doch Vorsicht: In der Anwendung lauern Fallgruben, die durchaus vermeidbar sind.
Der Status quo: Typ-2-Diabetes, chronische Herzinsuffizienz und chronische Niereninsuffizienz
SGLT2-Hemmer sind in Österreich seit 2012 in der Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassen (Tab. 1). Weitere Indikationen sind gefolgt, zunächst die chronische symptomatische Herzinsuffizienz (2020), dann die chronische Niereninsuffizienz (2021).1 Die Substanzgruppe darf also bei drei distinkten Indikationen, die jeweils sehr große Populationen umfassen, verordnet werden. Einer kanadischen Studie zufolge würden etwa 5% aller Erwachsenen (ob mit oder ohne Diabetes) von einer SGLT2-Hemmer-Therapie profitieren – nur unter Berücksichtigung der Indikation chronische Niereninsuffizienz.2 Diese rasante Entwicklung lässt sich zweifellos als Erfolgsgeschichte lesen. Es ist anzunehmen, dass die Verfügbarkeit von SGLT2-Hemmer-Generika diese Entwicklung noch weiter verstärken wird bzw. dass damit die Verschreibung von SGLT2-Hemmern weiter dramatisch zunehmen wird.

Tab. 1: Fachinformation zu SGLT-2-Hemmern (modifiziert nach Festa A et al. 2024)1
Das nächste Kapitel
Wird es neben den erwähnten drei Indikationen in Zukunft womöglich noch weitere geben? Diese Frage ist berechtigt – sehen wir doch z.B. für eine fachverwandte Medikamentengruppe (Inkretinmimetika) laufend neue Indikationen (Diabetes, Übergewicht, obstruktives Schlafapnoesyndrom etc.). Für die Gruppe der SGLT2-Hemmer ist eine solche Entwicklung nicht zu erwarten. Kurzfristig gab es eine Indikation zum Einsatz bei Personen mit Typ-1-Diabetes, diese Indikation wurde aber inzwischen vom Hersteller wieder zurückgezogen. Bitte beachten Sie an der Stelle die im medizinischen Jargon oft irreführend als gleichwertig verwendeten Begriffe „Indikation“ (bezieht sich auf die behördliche Zulassung eines Medikamentes auf Grundlage der vorgelegten Evidenz/Studien) und „Einsatzgebiet“ – ein solches ist der individuellen ärztlichen Verschreibung überlassen (z.B. der Einsatz von SGLT2-Hemmern bei Typ-1-Diabetes, der prinzipiell möglich ist, aber nicht in der behördlichen Zulassung abgebildet ist).
Werden SGLT2-Hemmer im klinischen Alltag optimal eingesetzt?
Ein guter Zeitpunkt, sich nun dieser entscheidenden Frage zu widmen. Denn nur ein gut durchdachter Einsatz in der Praxis wird sicherstellen, dass die positive Wirkung der SGLT2-Hemmer auf Blutzucker, Herz und Nieren auch dort ankommt, wo es zählt – bei den Betroffenen.
Adhärenz – die Einnahmetreue durch die Patient:innen
Die Adhärenz bei Typ-2-Diabetes ist bekanntermaßen notorisch niedrig, die Ursachen sind vielfältig. Eine aktuelle Studie aus Frankreich zur Einnahme von SGLT2-Hemmern weist darauf hin, dass nach einem Jahr nur mehr etwa die Hälfte der Patient:innen auch tatsächlich die Tabletten einnimmt.3 Eine weitere Studie aus Japan hat gezeigt, dass vor allem das Wissen um die Wirkung der Medikamente die Einnahmetreue beeinflusst.4 Fragen, welche die Betroffenen besonders interessiert haben, waren:
-
Welchen Nutzen haben die Medikamente?
-
Was macht der Blutzucker?
-
Wie lange soll ich die Medikamente nehmen?
Einige für SGLT2-Hemmer speziell zutreffende Beobachtungen könnten erklären, warum diese Substanzen häufig von den Betroffenen selbst wieder abgesetzt werden. Etwa der Umstand, dass SGLT2-Hemmer häufig von Allgemeinmediziner:innen, aber auch von Vertreter:innen vieler Spezialfächer verordnet werden. Auch können sich Wirkungen und unerwünschte Wirkungen nach Indikation unterscheiden.
Sprechen wir also mit den Patient:innen!
Betroffene sollten wissen, warum das Medikament verschrieben wurde. Was ist die Indikation, was soll bewirkt werden, welche Kontrollen sind sinnvoll, welche unerwünschten Wirkungen sind möglich? Ich sehe in meiner Praxis immer wieder Patient:innen, die mir enttäuscht mitteilen, dass das „neue Zuckerpulver“ den Blutzucker nicht verbessert hat. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn die Indikation die chronische Herzinsuffizienz darstellt und nebenbei die Nierenfunktion eingeschränkt ist. Bei einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) unter 45 ist der blutzuckersenkende Effekt der SGLT2-Hemmer auf Placeboniveau – die Enttäuschung hätte man also vermeiden können.
Oft herrscht auch Verunsicherung unter Patient:innen, was den Verlauf von Parametern der Nierenfunktion betrifft (z.B. ein zu erwartender GFR-Abfall nach Beginn der Behandlung) oder auch das Auftreten einer signifikanten Glukosurie (bei Indikation Diabetes und erhaltener Nierenfunktion), die immer wieder Betroffene zur Verzweiflung treibt – auch dieses Phänomen ist vorhersehbar und die Aufregung vermeidbar.
Personalisierte Medizin als Versprechen für die Zukunft
Die „number needed to treat“ (NNT) für den Einsatz von SGLT2-Hemmern bewegt sich im sehr niedrigen Bereich (zwischen 3 und 5) für den blutzuckersenkenden Effekt, ist aber deutlich höher in den Indikationen chronische Niereninsuffizienz und chronische Herzinsuffizienz (Tab. 1). Vor dem Hintergrund der geschilderten Non-Adhärenz sind diese Zahlen vermutlich im klinischen Alltag noch deutlich höher. Diesem Phänomen (das auch für andere Medikamente gilt) versuchen wir beizukommen, indem wir jeweils die (für eine therapeutische Intervention, inklusive Medikamentengabe) „bestgeeigneten“ Patient:innen identifizieren. Das gelingt zuweilen auf der Grundlage langjähriger ärztlicher Erfahrung.
Dieser Empirie werden nun immer mehr Daten aus kontrollierten Studien hinzugefügt. Als Beispiel möchte ich eine Studie nennen, die sich mit einer häufig gestellten Frage aus der diabetologischen Praxis beschäftigt hat. Der „Zucker“ ist zu hoch – soll ich nun einen SGLT2-Hemmer empfehlen oder einen GLP-1-Rezeptoragonisten? Eine schottische Arbeitsgruppe hat untersucht, ob anhand von Informationen, die für Patient:innen aus der Routine vorliegen (Anamnese, Laborwerte etc.), ein Therapieerfolg für die eine oder die andere Medikamentengruppe prospektiv vorhersehbar ist.5 Nun, das ist zum Teil gelungen. So hat sich etwa gezeigt, dass Frauen generell besser auf GLP-1-Agonisten ansprechen als Männer. Weitere Studien sind bereits in Planung und Durchführung.
Literatur:
Festa A et al.: Sodium-glucose co-transporter-2 inhibitors: Writing the next chapter of a unique success story. Diabetes Obes Metab 2024; 26(11): 4816-9
Lau D et al.: Use of sodium-glucose cotransporter 2 inhibitors in Alberta adults with chronic kidney disease: a cross-sectional study identifying care gaps to inform knowledge translation. CMAJ Open 2023; 11(1): E101-E109
De Germay S et al.: Use of sodium-glucose cotransporter-2 inhibitors in France: Analysis of French nationwide health insurance database. Diabetes Obes Metab 2024; 26(5): 1678-86
Wakui N et al.: Factors associated with medication compliance in elderly patients with type 2 diabetes mellitus: a cross-sectional study. Front Public Health 2022; 9: 771593
Cardoso P et al.: Phenotype-based targeted treatment of SGLT2 inhibitors and GLP-1 receptor agonists in type 2 diabetes. Diabetologia 2024; 67(5): 822-36
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