
Chronische Schmerzen an mehreren Stellen erhöhen das Demenzrisiko
Bericht:
Mag. Andrea Fallent
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Eine rezente Studie zeigt, dass chronische Schmerzen das Risiko für Demenz erhöhen können, insbesondere wenn diese in mehreren Körperregionen auftreten. Betroffene schneiden nicht nur bei kognitiven Tests schlechter ab, sie zeigen auch beschleunigte Altersprozesse im Gehirn.
Zahlreiche Patienten mit chronischen Schmerzen berichten von Beschwerden an mehreren Körperstellen, was auch als „multisite chronic pain“ (MCP) bezeichnet wird.
Welche Auswirkungen chronische Schmerzen auf die kognitiven Funktionen haben können, wurde bereits wissenschaftlich untersucht. Dabei wurde nachgewiesen, dass diese Schmerzzustände u.a. mit einem erhöhten Risiko für Demenz assoziiert sind. Weitere Erkenntnisse befeuern die Annahme, dass chronische Schmerzen an mehreren Körperstellen die allgemeine Gesundheit der Patienten noch stärker belasten können als bisher vermutet. Diese Annahme wird durch die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung untermauert, deren Ergebnisse kürzlich veröffentlicht wurden.1
Je mehr Schmerzorte, desto schlechter die Prognose
Die Forschenden der Chinesischen Akademie für Wissenschaften in Peking untersuchten den Zusammenhang zwischen chronischen Schmerzen in multiplen Körperregionen und dem erhöhten Risiko für Demenz. Dafür analysierten sie zunächst Daten aus der größten Medizindatenbank der Welt, der britischen UK-Biobank.
Die rund 355000 medizinischen Profile von Patienten zwischen 40 und 69 Jahren wurden in drei Kohorten eingeteilt: Die Hälfte der Personen hatte gar keine dauerhaften Schmerzen und diente als Kontrolle, ein Viertel verzeichnete chronische Schmerzen an einer Körperstelle („single site chronic pain“; SCP) und ein Viertel wies Schmerzen an mehreren Körperstellen auf.
In einem weiteren Schritt analysierten die Autoren die Daten einer Untergruppe von 26000 Teilnehmenden im Alter von 45 bis 82 Jahren, von denen Magnetresonanztomografie(MRT)-Scans vorlagen, auf einen Zusammenhang zwischen MCP und der kognitiven Funktion sowie dem Hippo-campus-Volumen.
Schmerz und kognitive Fähigkeiten
Das Ergebnis der Analyse: Das Risiko, eine Demenz zu entwickeln, stieg proportional zu der Anzahl der schmerzenden Körperstellen und war nach Korrektur aller Kovariablen bei Patienten mit 5 Schmerzstellen um das 1,59-Fache erhöht im Vergleich zu der schmerzfreien Kontrollgruppe. Damit sei das Ausmaß dieses Effekts vergleichbar mit dem Demenzrisiko durch Herzinsuffizienz, posttraumatische Belastungsstörung und Depression, schreiben die Autoren.
Die Teilnehmer schnitten mit steigender Zahl an Schmerzlokalisationen in verschiedenen Tests für die kognitive Performance ebenfalls schlechter ab, insbesondere in Tests zu fluider Intelligenz, zur Vervollständigung von Matrixmustern, Tests des numerischen Gedächtnisses, des paarweisen assoziativen Lernens und zur Ersetzung von Symbolen durch Ziffern.
Einfluss auf die Hippocampus-Größe
Die Autoren nutzten die Verfügbarkeit der großen MRT-Datenmenge, um den Effekt des MCP auf das Hippocampus-Volumen zu quantifizieren. Da das Volumen während eines normalen Alterungsprozesses abnimmt, verglichen die Forscher die Effekte des MCP auf die Hippocampus-Atrophie mit der Atrophie eines gesunden 60-jährigen schmerzfreien Teilnehmers.
Bei Patienten mit 5 Schmerzstellen zeigte sich ein Alterungseffekt des Hippocampus-Volumens von bis zu 8 Jahren. Dieser sei vergleichbar mit einer früheren Studie, in welcher der Gehirnvolumen-Verlust durch starken Alkoholkonsum eines 50-Jährigen einer Alterung um etwa 9 Jahre entsprach.
Das stark reduzierte Hippocampus-Volumen spiegelt eine beschleunigte Hirnalterung wider und könnte die Ursache für eine Reihe von altersbedingten kognitiven Belastungen und für ein Demenzrisiko sein, so die Autoren.
Die chinesischen Forscher machen in ihrer Publikation gestörte Prozesse im zentralen Nervensystem für die schwindende Hirnmasse verantwortlich. So stresst das neuronale Dauerfeuer chronischer Beschwerden offensichtlich die Gehirnstruktur. In der Folge degenerieren unter der Überbelastung jene Bereiche im Hirn, die für die Verarbeitung von Reizen und deren Übertragung zuständig sind. Zusammenfassend schreiben die Forscher, dass die Ergebnisse eindeutig zeigten, dass das Demenzrisiko bei MCP im Vergleich zu anderen chronischen Erkrankungen oder psychischen Störungen sehr hoch ist.
Prognostische Daten aus Österreich
In Österreich sind laut Schätzungen zumindest 147000 Menschen von Demenz betroffen, wobei von einer gewissen Dunkelziffer ausgegangen werden kann. Aufgrund des kontinuierlichen Altersanstiegs in der Bevölkerung wird sich diese Anzahl bis zum Jahr 2050 verdoppeln und der Betreuungs- und Pflegebedarf wird somit weiter steigen. Jährlich verursacht Demenz mehr als 2,6 Mrd. Euro an Kosten für medizinische Versorgung bzw. formelle Pflege und Betreuung.2
Zu den bereits gesicherten Faktoren, welche die Entwicklung von Demenz begünstigen, gehören unter anderem Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Diabetes und Gefäßerkrankungen. Adipositas, vor allem durch den Verzehr ungesunder Fette, Rauchen, Alkoholkonsum und ein Mangel an körperlicher Betätigung fördern ebenso die Entwicklung von Alzheimer oder Demenz.2
Literatur:
Wenhui Z et al.: Elevated dementia risk, cognitive decline, and hippocampal atrophy in multisite chronic pain. PNAS 2023; 120(9): e2215192120
Österreichischer Demenzbericht: https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Nicht-uebertragbare-Krankheiten/Demenz/%C3%96sterreichischer-Demenzbericht.html ; zuletzt aufgerufen am 29. 5. 2023
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