
Detektion von Vorhofflimmern durch Smartwatches

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Hintergrund
Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung und führt zu einer signifikanten Erhöhung des Risikos für Schlaganfall, Tod, Demenz, Herzinsuffizienz und Hospitalisierung. So erhöht Vorhofflimmern das Schlaganfallrisiko um den Faktor 4 bis 5 und ist für mindestens 15% aller ischämischen Schlaganfälle verantwortlich. Eine adäquate Antikoagulation reduziert das Vorhofflimmern-assoziierte Schlaganfallrisiko um ca. 65%. Die frühzeitige Erkennung von Vorhofflimmern stellt somit einen wichtigen Eckpfeiler der Therapie dar. Derzeit bleiben viele Vorhofflimmerepisoden unerkannt und deshalb nicht therapiert, weil sie asymptomatisch sind oder lediglich paroxysmal auftreten und so nicht detektiert werden. Durch moderne Geräte wie implantierbare Eventrecorder, Schrittmacher und ICDs, aber auch durch Smartwatches, Smartphones, Handhelds etc. ist es zunehmend möglich, auch asymptomatisches Vorhofflimmern frühzeitig zu detektieren.
Prinzipiell gibt es drei Möglichkeiten, um Vorhofflimmern zu diagnostizieren:
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Vorhofflimmern während der gesamten Dauer eines 12-Kanal-EKGs;
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Vorhofflimmern für mindestens 30 Sekunden in einem Rhythmusstreifen (z.B. 24-h-EKG);
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atriale Hochfrequenzepisoden („atrial high rate episodes“, AHRE) mit einer Dauer von mindestens 6 Minuten im Speicher eines Schrittmachers oder ICD (mit zusätzlicher atrialer Sonde), wenn zusätzlich ein mit Vorhofflimmern vereinbarendes Elektrogramm vorliegt. AHRE sind meistens asymptomatisch.
Empfehlungen zum Screening auf Vorhofflimmern
Die Europäische Kardiologische Gesellschaft (ESC) empfiehlt in ihren Guidelines von 2016 ein opportunistisches Screening auf Vorhofflimmern mittels Pulsmessung oder EKG (muss nicht zwangsläufig ein 12-Kanal-EKG sein) ab dem 65. Lebensjahr (auch ohne weitere Risikofaktoren). Diese Empfehlung wird allerdings von anderen wichtigen Fachgesellschaften nicht geteilt. Gründe hierfür sind die Tatsache, dass die Kosteneffizienznicht nachgewiesen ist,und ein unklares Nutzen-Risiko-Verhältnis. Alle wichtigen kardiologischen Gesellschaften empfehlen ein Vorhofflimmern-Screening ab dem 75. Lebensjahr oder bei Vorhandensein von Risikofaktoren für das Auftreten eines Schlaganfalls (nach CHADs-VASc-Score).
Die aktuellen Empfehlungen und der CHADs-VASc-Score basieren auf dem Vorliegen von paroxysmalem oder persistierendem/permanentem Vorhofflimmern und beziehen sich im Wesentlichen auf die großen NOAC-Studien. Asymptomatisches, zufällig aufgezeichnetes Vorhofflimmern wurde dabei nicht berücksichtigt, genauso wenig wie die Vorhofflimmerlast (Dauer und Häufigkeit der Vorhofflimmerepisoden).
Obwohl randomisierte Studien fehlen, empfehlen aktuelle Richtlinien eine Antikoagulation bei AHRE > 6 Minuten Dauer, sofern ein EKG oder ein Elektrogramm mit Vorhofflimmern vorliegt. Zwei derzeit laufende randomisierte, multizentrische Studien sollten diesbezüglich mehr Klarheit bringen: die ARTRESIA- und die NOAH-AFNET-6-Studie. Beide Studien beschäftigen sich mit der Fragestellung, ob eine Antikoagulation bei asymptomatischem, also im Prinzip „zufällig“ durch Schrittmacher oder ICDs aufgezeichnetem Vorhofflimmern (Dauer 6 Minuten bis 24 Stunden) klinische Endpunkte wie Schlaganfall und kardiovaskuläre Mortalität zu reduzieren vermag. Die Ergebnisse dieser wichtigen Studien werden für 2022 erwartet.
Detektion von Vorhofflimmern mit Smartwatches, Smartphones und Handhelds
In den letzten Jahren wurden viele neue Technologien entwickelt, um Vorhofflimmern zu detektieren (Tab. 1). Sowohl die Technologien als auch die Algorithmen zur Vorhofflimmerdetektion werden ständig verbessert (z.B. kann die AppleWatch 5 nun neben der Photoplethysmografie [PPG] auch ein 1-Kanal-EKG aufzeichnen), was sicherlich zu einer weiteren Verbesserung der Sensitivität und Spezifität (Tab. 2 und 3) führt. Zum Vergleich, in einer rezent durchgeführten Studie betrugen die Sensitivität und Spezifität eines herkömmlichen 12-Kanal-EKGs zur Detektion von Vorhofflimmern in der Primärversorgung lediglich 79,8% bzw. 91,6%!
Ob solche Wearables wie Smartwatches oder Smartphones geeignete Instrumente zum Vorhofflimmernscreening sind, ist derzeit noch unklar. Die Sinnhaftigkeit eines Screenings hängt neben der geeigneten Screeningmethode vor allem von der Prävalenz der Erkrankung in der untersuchten Population ab. Ein Massenscreening wie z.B. in der Apple Heart Study erscheint wenig zielführend. Sinnvoll dürfte ein Vorhofflimmernscreening allerdings in Risikopopulationen sein (z.B. Alter > 65 Jahre mit Risikofaktoren), populationsbasiertes Screening kann zu vielen falsch positiven Resultaten führen. Derartige falsch positive Ergebnisse bergen wiederum die Gefahr für weitere unnötige invasive Diagnostiken und Behandlungen, die nicht nur Geld kosten, sondern auch den Patienten gefährden könnten (Angst, Blutungsrisiko durch Antikoagulation, Arrhythmierisiko durch Antiarrhythmika, Komplikationen bei Ablationen usw.). Die Spezifität und Sensitivität solcher Wearables für die Vorhofflimmerndetektion sind jedenfalls jetzt schon vergleichbar mit gängigen Tumorscreening-Methoden wie dem Mammografiescreening für Mamma-Ca (Sensitivität 82,3–88%, Spezifität 91,6–99,2%). Die im Februar 2020 initiierte HeartLine-Studie wird uns möglicherweise weitere wichtige Aufschlüsse über die Sinnhaftigkeit eines Vorhofflimmern-Screenings durch Wearables geben.
HeartLine-Studie
In der randomisierten und kontrollierten App-basierten Studie, die USA-weit durchgeführt wird, wollen die zwei großen Unternehmen Apple und Johnson & Johnson bis Ende 2023 (zwei Jahre Interventionsphase und ein Jahr Nachbeobachtung) zeigen, dass sich die Prognose bei Vorhofflimmern mit einer speziellen App und Smartwatch verbessern lässt. Vorgesehen ist der Einschluss von 150000 Menschen im Alter von mindestens 65 Jahren mit einem iPhone6s oder neuer, die eine (traditionelle) Medicare-Krankenversicherung haben und einer Verwendung ihrer Versicherungsabrechnungen zustimmen. Die Studie soll, ähnlich der Apple Heart Study, hauptsächlich online stattfinden. Teilnehmer im Interventionsarm sollen die Möglichkeit erhalten, eine stark subventionierte Apple Watch zu erwerben, oder erhalten diese leihweise zur Verfügung gestellt.
Durch die Studie sollen mehrere Fragen beantwortet werden. Bei jenen, die zu Studienbeginn kein nachgewiesenes Vorhofflimmern haben, soll die Frage geklärt werden, inwieweit der Photoplethysmografie-basierte Arrhythmie-Alarm in Verbindung mit der EKG-Funktion der Apple Watch eine frühe Diagnose und Therapie von Vorhofflimmern ermöglicht. Diese Studienteilnehmer sind angehalten, im Alarmfall mithilfe der Apple Watch EKGs aufzuzeichnen und sich beim Studienarzt zu melden. Im Falle einer Diagnose erfolgt das weitere Vorgehen im Rahmen einer regulären Versorgung. So kann, wenn Vorhofflimmern auftritt, dieses rechtzeitig diagnostiziert und behandelt werden. Die Endpunkte der Studie in diesem Arm sind Vorhofflimmern, Schlaganfall, Myokardinfarkt und Gesamtmortalität.
Bei Patienten mit bereits bekanntem Vorhofflimmern möchte die HeartLine-Studie eine Verbesserung der Adhärenz durch eine Studien-App nachweisen. Diese Studien-App fordert die Teilnehmer dazu auf, ihre Antikoagulanzien vorschriftsmäßig einzunehmen. Primärer Endpunkt in diesem Studienarm sind die Tage, die durch orale Antikoagulanzien abgedeckt sind (verifiziert anhand der Abrechnungsdaten der Krankenversicherung Medicare). Erste Ergebnisse werden für 2023 erwartet.
Weiterer Nutzen
Abseits vom Screening besteht ein weiterer Nutzen dieser Wearables in der ständigen Verfügbarkeit. So können selten auftretende Rhythmusstörungen, wie z.B. supraventrikuläre Tachykardien, aber auch Bradykardien und Asytolien, die mit herkömmlichen Untersuchungsmethoden wie Ruhe- oder Langzeit-EKG oft nur schwer nachzuweisen sind, früher erkannt werden.
Fazit
Vorhofflimmern ist ein häufiges, wichtiges und zunehmendes Gesundheitsproblem. Durch die zunehmende Anwendung tragbarer elektronischer Geräte wie Smartwatches und Smartphones, die immer besser in der Lage sind, Herzrhythmusstörungen korrekt zu erkennen, wird die Inzidenz erkannter asymptomatischer Vorhofflimmerepisoden steigen. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Antikoagulationstherapie bei asymptomatischem Vorhofflimmern ist insbesondere bei kurz dauernden Episoden noch unklar. Derzeit laufen mehrere multizentrische, randomisierte, prospektive Studien, um die optimale Schwelle für den Beginn einer OAK-Therapie bei asymptomatischem Vorhofflimmern genauer zu durchleuchten. Die ersten Ergebnisse werden für 2022 erwartet. Bis dahin muss auch bei einem relevanten CHADs-VASc-Score individuell über eine Antikoagulationstherapie entschieden werden. Wahrscheinlich ist eine neue Risikostratifizierung notwendig, die sowohl die Vorhofflimmerlast (Dauer und Häufigkeit der Vorhofflimmerepisoden) als auch die kardiovaskulären Risikofaktoren bei Patienten mit durch Screening diagnostiziertem Vorhofflimmern erfasst.
Literatur:
beim Verfasser
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